»Onkel Werner, ich freue mich für dich. Und, ja, ich würde deine Nachfolge bei der Bergwacht gern antreten.«
»Hin und wieder komme ich aber noch zum Training, so ganz kann ich mich noch nicht verabschieden.«
»Aber ja, ich kann immer noch etwas von dir lernen. Obwohl Ramona meint, ich tauge nicht zur Trainerin.
»Unsinn, Kind, Ramona hat ein anderes Problem mit dir.«
»So, welches denn?«, fragte sie überrascht. Bisher hatte sie ihrem Onkel noch nichts von sich und Kilian erzählt.
»Kilian interessiert sich für dich, das wird ihr nicht gefallen. Und ehe du mich fragst, woher ich das weiß, er hat sich bei mir erkundigt, ob du einen Freund hast. Er dachte, ich merke es nicht, aber ich kenne ihn lange genug. Ich weiß, wenn er nervös wird, und bei dieser Frage war er nervös.«
»Er hat mir erzählt, dass er über dich herausfinden wollte, ob ich eine feste Beziehung habe.«
»Wenn er dir das gestanden hat, dann bedeutet das wohl, dass mittlerweile etwas zwischen euch ist.«
»Stimmt, ich treffe mich auch gleich wieder mit ihm.«
»Paula, das ist eine gute Entwicklung. Ihr beide passt zusammen. Ich freue mich für euch, aber tue mir bitte den Gefallen und gib ein wenig darauf Acht, was Ramona so tut.«
»Kilian meint, sie wird sich schon damit abfinden.«
»Ich hoffe, dass ihr das schnell gelingt. Sie ist ziemlich versessen auf Kilian, weißt du. Es wird ihr nicht leicht fallen zurückzustecken. Kilian hat das nie so mitbekommen, aber sie hat sich hin und wieder bei mir ausgeweint. Immer dann, wenn Kilian mit einer anderen Frau ausgegangen ist. Sie hat an keiner ein gutes Haar gelassen.«
»Sie lästert auch jetzt schon über mich, dann wird sie es eben noch eine Weile länger tun. Aber irgendwann wird ihr das langweilig werden.«
»Ja, sicher, Kind, so wird es sein. Und jetzt geh zu ihm und grüße ihn von mir.«
»Das mache ich, danke, Onkel Werner.«
»Ich melde mich wieder, bis dann, meine Kleine.«
»Ich wünsche dir noch viel Spaß und einen schönen Gruß an Gerda«, sagte Paula und beendete das Gespräch. Auch wenn ihr Onkel sie noch einmal eindringlich vor Ramona gewarnt hatte, sie würde sich von dieser Frau nicht verunsichern lassen. Es war an ihr, die Situation zu akzeptieren.
*
Der Biergarten im Hof der Brauerei Schwartz, einem rot verklinkerten Gebäudekomplex, lag zwischen dem Eingang des hauseigenen Bräustübels und dem Ufer des Wildbaches, der aus den Bergen ins Tal rauschte. Alte Kastanien mit mächtigen Kronen beschatteten die Tische und Bänke, die wie immer um die Mittagszeit gut besetzt waren.
Paula entdeckte Kilian am Ende eines Tisches, der von einigen Wanderern belagert wurde. Sie wünschte den sportlich gekleideten Damen und Herren einen guten Appetit, bevor sie sich auf den Platz gegenüber von Kilian setzte.
»Nette Leut, die Bergmoosbacher«, hörten sie und Kilian einen der älteren Herren zu den anderen sagen.
»Du bist schon eine von uns«, flüsterte Kilian und betrachtete sie mit einem zärtlichen Lächeln.
»Damit komme ich gut klar. Die meisten Bergmoosbacher sind liebenswert«, entgegnete sie.
»Liebenswert, soso.«
»Okay, nicht auf derselben Stufe liebenswert, wie du es für mich bist«, fügte sie lachend hinzu und streichelte seine Wange.
»Das beruhigt mich«, sagte Kilian, umfasste ihre Hand und küsste sie sanft.
»Was darf ich euch bringen?«, fragte die Bedienung, die zu ihnen an den Tisch kam. Die freundliche ältere Frau in dem dunkelroten Dirndl zückte einen Block, an dem ein Bleistift befestigt war, um ihre Bestellung aufzunehmen. »Da schaut ihr, ihr modernen Preußen, ihr. Statt eines Minicomputers, der gleich mit der Kasse verbunden ist, gibt’s hier noch Bleistift und Papier«, wandte sich Irmi, die dienstälteste Kellnerin, an die Teilnehmer der Wandergruppe, die sie interessiert anschauten.
»Deshalb kommen wir her«, entgegnete ein Mann in grauer Lodenweste und kurzärmeligen weißen Hemd.
»Dann genießt euren Aufenthalt«, sagte Irmi schmunzelnd. »Also, was soll’ sein?«, wollte sie von Paula und Kilian wissen.
»Auf jeden Fall etwas mit den hausgemachten Semmelknödeln. Die habe ich neulich schon einmal versucht. Sie waren köstlich«, sagte Paula.
»Semmelknödel mit Pilzrahmsoße und Salat«, schlug Irmi vor.
»Klingt gut.«
»Dazu Honigbier?«
»Gern, aber alkoholfrei.«
»Für mich das Gleiche«, schloss sich Kilian an.
»Bier auch ohne?«, hakte Irmi nach.
»Ja, bitte.«
»Ist recht«, sagte Irmi und marschierte zum nächsten Tisch, um weitere Bestellungen aufzunehmen.
»Was ist?«, fragte Kilian, als Paula auf ihre Armbanduhr schaute.
»Ich muss in zwei Stunden in der Hundeschule sein. Wir haben heute Tag der Offenen Tür. Wir hoffen, dadurch noch mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen.«
»Das bekommt ihr ganz bestimmt hin, ihr habt doch ohnehin schon einige Kunden gewonnen. Wenn die mit eurer Arbeit zufrieden sind, dann werden sie euch weiterempfehlen.
»Wir werden uns bemühen, sie zufrieden zu stellen.«
»Die Hunde lieben und respektieren dich, mehr geht nicht.«
»Ich hoffe, das reicht.«
»Aber ja. Hunde lassen sich nicht allein mit Worten überzeugen, sie spüren, wer du bist.«
»Sieh an, sie spüren es also.«
»Ramona?« Kilian schaute verblüfft auf, als sie ihre Hand auf seine Schulter legte.
»Ihr habt wohl nur noch Augen füreinander, sonst hättet ihr unsere Ankunft sicher bemerkt«, entgegnete Ramona und gab sich freundlich.
»Eure?«
»Die Kollegen sind auch hier. Ich dachte, es ist wieder einmal Zeit, sie zum Mittagessen einzuladen. Das ist dir doch recht?«
»Aber ja, natürlich«, stimmte Kilian ihr zu.
»Jungs, dort drüben ist noch ein freier Tisch für euch.« Sie deutete auf einen der Vierertische, die direkt am Bachufer standen. »Ich quetsche mich hier noch dazu«, erklärte sie und blieb hinter Kilian stehen.
»Kommen Sie nur her, junge Frau, ich mach Platz«, sagte der Mann von der Wandergruppe, der neben Kilian saß.
»Vielen Dank«, bedankte sich Ramona, als er auch gleich ein Stück zur Seite rückte und ihr die Möglichkeit bot, sich zwischen ihn und Kilian auf die Bank zu setzen.
Zuerst war die Wut wieder in ihr hochgekocht, als sie ihn und Paula dort hatte sitzen sehen. Zu ihr hatte er doch gesagt, dass seine Mittagspause ausfiele. Aber wie es aussah, war es ihm mit Paula ernst. Da sie diese Konkurrentin nicht so einfach wieder loswerden konnte, hatte sie beschlossen, sich ihr freundschaftlich zu nähern. So würde sie mehr über sie erfahren und den Punkt finden, an dem sie verwundbar war. »Alles klar auf der Baustelle?«, wandte sie sich zuerst an Kilian.
»Sie kommen dort gut voran. Wie es aussieht, sind sie genau im Zeitplan.«
»Super, und bei dir? Alles gut gelaufen auf dem Trainingsplatz?«, wollte sie von Paula wissen. Klappt doch, dachte sie, als ihr sogar ein Lächeln gelang.
»Wir hatten Spaß, und es waren alle zufrieden mit ihren Ergebnissen.«
»Ich glaube, ich war nicht gerecht mit