»In Ordnung«, erklärte sich Paula einverstanden und reichte ihr die Hand.
»Das ist eine nette Geste«, bedankte sich Kilian bei Ramona.
»Wir müssen doch miteinander auskommen«, erklärte Ramona mit gönnerhafter Miene. Als Irmi das Essen für Paula und Kilian brachte, bestellte sie auch für sich Knödel mit Pilzen und dazu einen Limonade. Sie wunderte sich, dass Kilian, der sonst tagsüber nie Alkohol anrührte, schon mittags Bier trank. Aber offensichtlich ist das bei ihr normal, dachte sie. Als er gestern Morgen auf dem Berghof war und sie mit ihm telefoniert hatte, ging es doch auch schon darum, ob er ein Bier zum Frühstück wollte. Vielleicht hatte sie Paulas Schwachstelle bereits gefunden. Wenn sie dem Alkohol mehr zugeneigt war, als sie sollte, dann würde sich daraus mit Sicherheit etwas konstruieren lassen, was sie in Kilians Augen untragbar machte. »Ich bin gespannt, wie die Prüfung am Freitag ausgeht. Denkst du, dass es alle schaffen werden?«, fragte sie und gab sich äußerst interessiert.
»Ich gehe davon aus«, sagte Paula.
»Ich habe vor, mir die Prüfung anzusehen.«
»Herzlich willkommen«, entgegnete Paula freundlich.
»Welche Aufgaben müssen unsere Hunde denn bewältigen?«, fragte Ramona und hörte aufmerksam zu, was Paula darauf antwortete.
Paula war noch ein wenig skeptisch und fragte sich, ob Ramona es mit ihrem Freundschaftsangebot wirklich ernst meinte, als sie sich eine Stunde später voneinander verabschiedeten, die anderen zur Werkstatt fuhren und sie sich auf den Weg zur Hundeschule machte. Andererseits sollte sie ihr nicht von vornherein mit Misstrauen begegnen. Jeder hatte eine zweite Chance verdient.
*
»Ich muss morgen früh gleich zu unserer Baustelle nach Augsburg. Es könnte sein, dass es länger dauert und ich dort übernachte«, eröffnet Kilian Paula am Abend vor der Prüfung der zukünftigen Rettungshunde.
Sie hatten es sich wieder auf dem Bett auf dem Dachboden des Berghofes gemütlich gemacht und schauten an den nächtlichen Sternenhimmel.
»Das heißt, du wirst bei meiner ersten Prüfung für die Bergwacht nicht dabei sein?«
»Doch, ich werde dabei sein. Es könnte nur sein, dass ich ein paar Minuten später komme.«
»Ich möchte dich wirklich gern dabei haben.«
»Ich weiß, obwohl ich absolut davon überzeugt bin, dass alles glatt laufen wird. Benedikt Seefeld hat mir mehrfach versichert, dass alle bestens vorbereitet sind.«
»Das hoffe ich, allerdings ist Nolan schon eine Ausnahme. Er weiß immer genau, was zu tun ist. Er kann eine Gefahr erahnen und handelt dann auch dementsprechend.«
»Berner Sennenhunde sind für ihre Intelligenz bekannt.«
»Nolan ist auch unter dieser Rasse etwas Besonderes.«
»Vielleicht liegt es daran, dass er ausgesprochen behütet aufwächst. Irgendjemand in seiner Familie ist immer für ihn da.«
»Das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Er fühlt sich vollkommen akzeptiert, und durch seinen engen Kontakt zu Menschen kann er unsere Verhaltensweisen besonders gut einschätzen.«
»Nolan hat noch einen unschätzbaren Vorteil. Er ist nicht nur auf eine Person bei der Bergwacht fixiert. Wir können ihn mit Benedikt, Sebastian oder Anna losschicken, sie sind alle mit ihm vertraut und er mit ihnen.«
»Die Seefelds und Nolan passen eben gut zusammen.«
»Und wir? Passen wir auch zusammen?«, fragte Kilian und nahm sie in seine Arme.
»Ich finde schon«, sagte sie und küsste ihn zärtlich.
Seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht auf dem Berghof hatte sie keine Nacht mehr allein verbracht. Kilian war jeden Abend nach Werkstattschluss zu ihr gekommen, und sie hatte für sie beide gekocht. Danach waren sie spazieren gegangen oder hatten draußen auf der Wiese den Sonnenuntergang betrachtet. Am aufregendsten aber waren die Stunden, die sie auf dem Dachboden verbrachten und über ihre Träume und Wünsche sprachen.
»Ich glaube, inzwischen ist sogar Ramona der Meinung, dass wir gut zusammen passen.«
»Du glaubst, sie meint es wirklich ernst mit ihrem Friedensangebot, das sie mir im Biergarten gemacht hat?«
»Ja, ich denke schon. Gestern hatte sie sich einen Tag frei genommen und sehr geheimnisvoll getan. Möglicherweise hat sie sich mit jemandem getroffen.«
»Das wäre großartig.«
»Vor allen Dingen für sie. Und jetzt denken wir nicht mehr an Ramona.«
»Oder die Liebesgöttin, die dir den Himmelsstier schickt, den du bekämpfen sollst.«
»Nein, auch nicht an sie«, sagte Kilian und dann küsste er sie voller Leidenschaft.
*
Aber Kilian und Paula hatten sich geirrt, was Ramonas Einsicht betraf. Sie war noch längst nicht davon überzeugt, dass die beiden zusammengehörten. Im Gegenteil, sie hatte die letzten Tage damit verbracht, einen Plan zu entwickeln, um Paula aus Kilians Leben zu verbannen. Und sie hatte sich an ihrem freien Tag auch nicht mit einem Mann getroffen, an dem sie interessiert war. Sie war nach München gefahren, um ihre Prüfung zur Hundetrainerin abzulegen. Mit Hilfe ihrer Freundin Inge, die in der Prüfungskommission saß, hatte sie die Prüfung bestanden. Und jetzt würde Paula ihre Prüfung verlieren.
Dass Kilian nach Augsburg musste und über Nacht bleiben würde, das war eine wunderbare Fügung des Schicksals für Ramona. Sie war am Vormittag zur letzten Trainingsstunde vor der Prüfung zum Trainingsplatz gegangen und hatte sich ganz offiziell für Paulas gute Arbeit bedankt. Eine Geste, die auch Benedikt Seefeld ein anerkennendes Nicken entlockte.
Sie war sicher, dass sie Paula und auch alle anderen Hundeführer von ihrer Wandlung zur guten Freundin überzeugt hatte. Dass die Hunde wie immer auf Abstand zu ihr gingen und Nolan sogar die Ohren anlegte und sich fest an Benedikt drückte, hatte ihr nur ein mitleidiges Grinsen entlockt. Würde sie ihm und den anderen Hunden einen Befehl erteilen und ihn nachdrücklich genug formulieren, würden sie schon alle folgen. Gehorchen gehörte schließlich zur Natur des Hundes.
Am Abend, nachdem sie die Werkstatt abgeschlossen hatte, war die Zeit für ihren großen Auftritt gekommen. Mit zwei Flaschen Prosecco und drei Flaschen Wein im Gepäck machte sie sich auf den Weg zum Berghof. Falls Paula ein Alkoholproblem hatte, dann würde sie dieses Laster jetzt entlarven, und falls nicht, dann war sie darauf vorbereitet, es so aussehen zu lassen.
»Hallo, Ramona, was kann ich für dich tun?«, fragte Paula arglos, als Ramona wenig später mit einer Flasche Prosecco im Arm vor ihrer Tür stand.
»Ich bin hier, weil ich mit dir auf unsere neue Freundschaft und einen guten Verlauf der morgigen Prüfung anstoßen möchte«, erklärte Ramona mit unschuldigem Augenaufschlag. »Ich störe doch nicht?«, gab sie sich besorgt und schaute auf die leichte Leinenhose und das weite T-Shirt, das Paula trug. Offensichtlich hatte sie sich schon auf einen Abend auf dem Sofa eingerichtet.
»Nein, du störst nicht, komm rein«, sagte Paula und trat zur Seite, um ihr Platz zu machen. »Aber ich sollte lieber keinen Alkohol trinken. Ich vertrage ihn nicht so gut. Ich mache uns lieber einen Tee, wenn dir das recht ist.«
»Du verträgst keinen Alkohol? Aber im Biergarten neulich hast du doch Bier getrunken«, stellte Ramona fest.
»Das Bier war alkoholfrei. Ich mag Bier sehr gern, aber nur Malzbier oder alkoholfreies.«
»Okay, kein Problem, aber wenigstens ein Gläschen Prosecco wirst du doch mit mir trinken, danach gehen wir zum Tee über. Einverstanden?«
»Hast du schon zu Abend gegessen?«
»Nein, ich bin von der Werkstatt gleich zu dir gekommen.«
»Dann iss doch mit mir. Ich wollte mir gerade Sandwiches machen. Danach lasse ich