Und es stimmt, wenn seine Katze Pandora ohne Vorwarnung fortgeht, um sich mit allen dreckigen Katern des Viertels herumzutreiben, muss er sich damit abfinden. Und wenn sie völlig zerzaust von ihrer Tour durch die Mülleimer zurückkommt, sich schnurrend an seinen Beinen reibt und ihn mit ihren zauberhaften himmelblauen Augen anschaut, macht er sich daran, sie zu streicheln und ihr alle möglichen lächerlichen Namen zu geben. Sie lässt sich das gefallen, aber mit Sicherheit denkt sie sich ihren Teil. Und hält ihn vermutlich manchmal für geistig zurückgeblieben. Doch wenn sie zurückkommt, eilt er in die Küche und füllt ihren Fressnapf. Eine gute Dose, um ihre Rückkehr zu feiern. Ah, die Schmusekatze …
»Los, Anton, hör auf zu grübeln und wähl die 22-01, die 07-12 und die 33-07!«
Er nimmt die Münze für die Musikbox, die Fred ihm hingelegt hat, und tippt die Zahlen einer erfolgreichen musikalischen Dreierwette ein. Der Kneipenphilosoph setzt noch einen drauf, die Therapie geht weiter: »Heart of Gold« von Neil Young, »Dust in the Wind« von Kansas und »Black Magic Woman« von Santana … Anton wirft ihm einen Seitenblick zu, hebt den Daumen, um ihm zu zeigen, dass er die Botschaft verstanden hat, und bestellt dann einen dritten Bushmills, sicher, dass damit seine Sorge einen Dämpfer bekommen wird.
Kapitel 3
assezmedisaisjeamoimemeengravissantpeniblementleflanc dunemontagneescarpeequiselevaitdepuislesrivesdunfleuve paisibleassezmerepetaijeenhumantlhaleinerésineusedunbos quetdesapinsparticulierementodorantedanslafraicheurdu crepusculeassezmedisjedenouveauenmasseyantsuruntertre moussuquisurplombaitlefleuvelesyeuxfixessurlesvagues sombresetparesseusesquedominaientlestigesvertclairdes joncsassezassezremueassezerreilesttempsderentrerensoime medeseprendrelateteadeuxmainsetdordonnerasoncoeurde neplusbattre
4. November 2006, Nancy, Hotel, Zimmer 107
Ein widerlicher Geschmack nach Schlamm im Mund. Hände schwer auf ihren Schultern, die sie unter das braune, undurchdringliche, dickflüssige Wasser drücken. Ihr aufgelöstes Haar bildet einen dunklen Schleier über ihrem Kopf und verwehrt ihr den Blick auf die Oberfläche. Ihre Lunge ringt mit dem Tod, glühend. Ein Schluck Luft. Nur einer. Sie stirbt. Sie kämpft. Ihre Beine wirbeln das schmuddelige Wasser auf, panisch. Vergeblich. Ein letztes Aufbäumen ihres erstickten Körpers befreit sie schließlich. Sie kommt hoch, taucht auf und schnappt gierig nach Luft. Schlägt die schwarzen Augen auf.
In der Mitte einer traurigen Decke aus beigefarbenen Platten hängt eine gefälschte Inox-Designerleuchte, die kaum größer als die ausgeschaltete Glühlampe ist, die sie umhüllt, und ihr sehr nah und drückend erscheint. Die Luft ist muffig, stickig und abgestanden, ranzig wie schlechter Mundgeruch. Das Atmen fällt schwer. Abgestandener Alkohol, kalter Tabak, Sex.
Auf dem Tisch, der unter das einzige Fenster des Zimmers geschoben ist, langweilen sich zwei halb geleerte Gläser, in denen Zigarettenkippen und aus Pappe gerollte Filter von Joints schwimmen, ein überquellender Aschenbecher und drei Flaschen, die zwar nicht ganz leer sind, aber guten Zuspruch gefunden haben. Ein schlecht komponiertes, unausgewogenes und versifftes Stillleben.
Das enge Zimmer ist überheizt und feucht. Das weiße Licht einer Parkplatzlaterne dringt durch die Lamellen der herabgesenkten Jalousien und zerreißt das Halbdunkel.
Ein Körper liegt auf ihr. Er zerquetscht ihre Brust und ihren Brustkorb mit all seiner abgestumpften Trägheit. Sie muss ihn loswerden, sie erstickt. Sie befreit sich, indem sie ihn zur Seite schiebt, und verharrt fasziniert in einem prekären Gleichgewicht zwischen Kontemplation und Ekel.
Es gelingt ihr nicht, den Kerl wiederzuerkennen, mit dem sie erst vor ein paar Stunden in dieses Zimmer und dann in dieses Bett gekommen ist. Oder vielleicht gestern. Er ist ihr nicht entwischt. Sie hat ihn kaltgemacht.
Sein Gesicht, aufgebläht, angeschwollen, mit starren und verdrehten Augen, hat nichts Menschliches mehr. Eine echte Karnevalsvisage, grotesk. Eine grinsende und lüsterne Maske, die eine für ihren Mund zu dicke lila Zunge ausstreckt und sie geil, schmierig und sabbernd anstarrt. Die um seinen Nacken geschlungene Krawatte verschwindet fast in den Falten seines Fleisches, sodass sein Hals wie eine leicht vorgeneigte Sanduhr aussieht.
Alex’ Blick wandert nach unten und bleibt am Bauch des Typen hängen. Sie stößt einen langen bewundernden Pfeifton aus, als sie das immer noch gespannte, riesige, deplatzierte, irreale, schändliche Geschlecht entdeckt.
Sie erinnert sich nun an die höllische Erektion, mit der er angegeben hatte, und wie er in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist mit seiner Wettkampfkeule, die von stark vorspringenden und fast platzenden Adern bedeckt war. Eine Anomalie, ein verstopftes Monster, eine Art Riesenwurm aus den Abgründen, den sie ungläubig anstarrt. Sie ist erstaunt über diesen aberwitzigen Irrtum der Natur, buchstäblich gefangen in seiner Betrachtung.
Und sie fragt sich, durch welches Wunder sich dieses abstoßende Ding in einem Hotel befinden kann, in diesem Bett, so weit weg von den unergründlichen Tiefen der Meere … Dann erschüttert sie ein heftiger Brechreiz: Sie realisiert, dass dieses Ding auch in sie eingedrungen ist! Sie kotzt auf die Laken, ein heißer und scharfer Strahl, und wird sich plötzlich der Situation bewusst.
Raus hier, und zwar schnell.
Sie lässt sich aus dem Bett rollen und sammelt auf allen vieren ihre Klamotten ein, die überall im Zimmer verstreut sind. Der Teppich stinkt und scheint an ihren Knien zu kleben. Sie stellt sich vor, dass er mit allen möglichen Flüssigkeiten getränkt ist, die von den Gästen verschüttet und abgesondert wurden, die in diesem Scheißzimmer aufeinander gefolgt sind, voller Schuppen, belebt von Milbenkolonien, die sich davon ernähren.
Neuerliche Übelkeit. Sie zieht sich an und schlüpft in ihre Doc-Martens-Schuhe, ohne die unbewegliche Gestalt aus den Augen zu lassen, die sich schamlos auf dem Bett zur Schau stellt. Sie schnappt sich ihren Rucksack, stopft die Haare in die Kapuze ihrer Sweatjacke, die sie über die Stirn zieht, öffnet geduckt die Zimmertür und schließt sie wieder hinter sich, bevor sie sich mithilfe der Türklinke aufrichtet.
Ein neuerlicher Schwindelanfall. Alles beginnt zu schwanken. Sie lehnt sich an die Wand, schließt die Augen und atmet vorsichtig, um zurückzudrängen, was wie der Beginn von Unterzuckerung wirkt. Der THC-Effekt. Das ist wirklich nicht der Moment, auf diesem vergammelten Flur zusammenzubrechen, mit der Leiche hinter der Tür. Andere Typen werden sich um die Abwesenheit von dem da Gedanken machen.
Bloß weg, abmarschieren, sich an den geometrischen Mustern des Teppichs ausrichten, um den Weg zu finden. Doch das ist keine gute Idee. Das zwingt sie, zu schielen, den Kopf zu verdrehen. Daher schließt sie die Augen und geht weiter, indem sie mit dem Körper an der Wand entlanggleitet, mit einer vorwärtstastenden Hand, wie eine Blinde.
Niemand, kein Gast, kein Rezeptionist in diesem Selbstbedienungs-Low-End-Hotel, in dem eine Kreditkarte als Tag-und-Nacht-Portier dient. In der Eingangshalle mit einem einzigen braunen Skailedersessel, in der sich weder Rezeption noch Empfang befinden, werfen ihr zwei Chips- und Schokoriegelautomaten mit ihrem weißen Neonlicht verführerische Blicke zu. Sie hätte gern ein bisschen Zucker, um ihr System in Schwung zu bringen, da sie seit zwei Tagen nichts Ordentliches gegessen hat. An der Stelle ihres Magens klafft ein Loch, außerdem hat sie Gummibeine und ein Gehirn, das wie Wackelpudding in ihrem Schädel schwappt.
Ein Gefühl von Seekrankheit … nur ohne See.
Alles, worauf es ankommt, ist, hier zu verschwinden, bevor die anderen aufkreuzen. Also drückt sie den Schließmechanismus der Tür auf und findet sich draußen wieder, benommen, gebeutelt von der eisigen Luft und dem Verkehrslärm auf der Kreuzung, dem grellen Licht der Scheinwerfer.
Überall