Flusenflug. Peter Maria Löw. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Maria Löw
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783955102395
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dass ich gezielt Dinge unternahm, die meinem sonstigen Lebensablauf diametral entgegenstanden.

      Im August 1995 sollte also mein erstes Sabbatical beginnen. Zunächst vertrödelte ich meine Zeit noch etwas orientierungslos, ich ging auf Gletschern Skifahren, besuchte alle möglichen Freunde, die ich lange nicht gesehen hatte, las mehrere erbauliche Bücher und brachte meinen Körper durch vermehrten Sport wieder einigermaßen in Form. Dann absolvierte ich noch eine Wehrübung bei der Bundeswehr, sprang dort ein wenig mit dem Fallschirm, nahm an einer Militärübung in Frankreich teil und kehrte nach zwei Monaten im Oktober 1995 fit und gut gelaunt zurück.

      Doch es drängte mich zu mehr. Irgendetwas Ausgefallenes wollte ich noch anhängen. Da ich einen Pilotenschein aus der Zeit meines Rechtsreferendariats in den USA besaß, dachte ich, es wäre vielleicht eine schöne Sache, nach Australien zu gehen, mir ein Flugzeug zu mieten und dort ein wenig herumzufliegen. Man könnte ja vielleicht auch noch ein Boot chartern und das Great Barrier Reef erkunden, ein toller Plan, der zu einem Sabbatical gut passen würde. So rief ich also meinen Freund Ralf Schläpfer an. Er war der Einzige, dem ich zutraute, mich auf einer solch unkonventionellen Tour, und das auch noch kurzfristig, zu begleiten. Ich kannte Ralf bereits aus meiner Zeit bei INSEAD. Wir beide waren im gleichen Jahrgang und hatten auch sonst viele gemeinsame Interessen. Ralf war ebenfalls Offizier, nur in der Schweizer Armee, und er erläuterte mir gerne, welche Verteidigungsstrategien er und die Schweizer Armee hätten, wenn die Deutschen sie einmal angreifen würden. Schläpferli, wie ich ihn immer nannte, hatte ebenfalls ein Jurastudium absolviert, hatte ebenfalls als Jurist promoviert und das Ganze ebenso mit einem MBA bei INSEAD abgeschlossen. Ähnlich wie ich war er dann zu einer Unternehmensberatung gegangen, allerdings einer mit Sitz in der Schweiz. Dort war Schläpferli zu dieser Zeit immer noch und irgendwie wurmte es ihn offenbar zu sehen, dass ich mit meinen unternehmerischen Aktivitäten tatsächlich erfolgreich gewesen war. Und so bekam ich von ihm doch häufiger die ewig gleiche Geschichte zu hören.

      Jedenfalls war meine Einschätzung richtig. Ralf sagte sofort zu und wir landeten irgendwann Ende Oktober 1995 in Sydney. Dort war es gerade Sommeranfang, das Wetter also für deutsche Verhältnisse sehr schön.

      Die erste Herausforderung stellte sich für uns schon am Mietwagenstand. Denn wir wollten zunächst einmal den Südosten Australiens per Auto erkunden. Aus München, Berlin, Zürich oder anderen europäischen Städten kannten wir das Problem, dass es bei schönem Wetter immer sehr schwierig war, ein Cabrio zu mieten. So hatte Ralf bereits bei Abflug eines reservieren lassen. Etwas überrascht waren wir nun, als uns der Angestellte mitteilte, dass wir gleich unter zehn Cabrios wählen konnten. Alle seien verfügbar. Entweder hatten sie unendlich viele Cabrios oder irgendetwas stimmte nicht. Letzterer Fall erwies sich als richtig, als wir abends, auf Kangaroo Island angekommen, feststellen mussten, dass wir nicht auf dem Weg zu einer gesunden Bräune waren, sondern eher wie in kochendes Wasser geworfene Hummer aussahen. Wir hatten uns einen ziemlich schweren Sonnenbrand eingefangen. Jetzt erst wurde uns klar, warum kein Mensch im Sommer in Sydney und Umgebung ein Cabrio mietet, die UV-Strahlung ist einfach zu hoch. Ein Cabrio in Sydney ist eher ein Winterfahrzeug. So fuhren wir also die nächsten Tage und Wochen in unserem Cabrio bei geschlossenem Verdeck, labten unsere Wunden und versuchten, mit Kapuzenpullover und Sonnenschutzcreme Stärke 50++ einigermaßen über die Runden zu kommen.

      Nachdem wir irgendwann dann über Canberra wieder nach Sydney zurückgecruist waren, sollte Phase zwei unserer Reise beginnen. Wir begaben uns, frohgemut wie wir waren, zum nächsten Flughafen außerhalb von Sydney, um dort ein Flugzeug anzumieten. Auch Schläpferli besaß eigentlich eine Fluglizenz. Was er aber nicht hatte, war ein gültiges Medical, also ein medizinisches Zeugnis, das ihn für flugtauglich erklärte. Dieses war nämlich blöderweise eine Woche vorher abgelaufen. Ein neues Medical zu erhalten stellte sich als schier unmöglich heraus, denn er hatte eine US-amerikanische Lizenz und hätte ein hochkompliziertes Konversionsverfahren durchlaufen müssen. Ich dagegen besaß ein Medical mit längerem Gültigkeitsdatum. Dies beruhte jedoch nur auf der Tatsache, dass sich der attestierende Arzt versehentlich beim Ablaufdatum um zwei Jahre verschrieben hatte. Ich hatte also ein materiell ungültiges Medical, das jedoch formal mit dem eingetragenen Datum richtig aussah. Das musste reichen. Und so gelang es mir, das Flugzeug zu mieten und noch besser, ich war der einzige formelle »pilot in command«, hatte also schon von Gesetzes wegen als Einziger das Sagen. Ralf schäumte ein bisschen. Unter meinem Kommando mitzufliegen war offenbar nicht seine Traumvorstellung. Aber so sind halt nun einmal die harten Regeln der Luftfahrt.

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      Wir flogen mit unserer Cessna 182 fröhlich Richtung Norden an der Küste entlang. Immer wenn wir etwas Interessantes entdeckten, landeten wir am nächsten kleinen Flughafen und sahen uns um. Wir steuerten einsame Inseln an und übernachteten dort, flogen in die Berge, über das Great Barrier Reef und wieder zurück. Dass dabei natürlich auch das ein oder andere Missgeschick auftreten konnte, war eigentlich klar, wurde jedoch von Ralf immer wieder genutzt, um meine Pilotenqualifikation in Frage zu stellen. So war ich beispielsweise einmal bereits im Landeanflug auf einen wunderschönen Flugplatz einer tropischen Insel, als urplötzlich eine farbenfrohe Beleuchtung des Flugplatzes eingeschaltet und aus Geschütztürmen Kanonenrohre bedrohlich auf unser Flugzeug gerichtetet wurden. Ich beschloss in letzter Sekunde, unsere Landung abzubrechen und unsere Maschine doch nicht neben einer ganze Reihe von Flugzeugen, die sich als Militärdüsenjets erwiesen, zum Stehen zu bringen. Tatsächlich handelte es sich um ein Restricted Area und einen Militärflughafen, dessen unbefugte Benutzung im schlimmsten Fall mit einem Abschuss belohnt worden wäre.

      Ein andermal beabsichtigte ich, über eine, wie es aussah, ziemlich weit ausladende Halbinsel in einem Shortcut hinwegzufliegen. Mir war schon klar, dass die Berge, die man im Hintergrund sehen konnte, eine beträchtliche Höhe hatten. Ich hatte aber ein sehr breites Tal ausgemacht, in das ich hineinfliegen wollte, um dann auf der anderen Seite irgendwie schon wieder herauszukommen. So würde ich mir ein mühseliges Umfliegen der Halbinsel ersparen. Schläpferli war natürlich wieder einmal etwas nörglerisch und warnte vor allen möglichen Gefahren. Es war sehr schönes Wetter und so entschloss ich mich als »pilot in command«, einfach einmal reinzufliegen. Nun, das schöne, sehr breite Tal wurde nach zehn Minuten Flugzeit dann immer enger und enger, die Berghänge vor allen Dingen immer höher, und unsere kleine Maschine hatte irgendwann schon etwas Schwierigkeiten, in dieser Höhe und der dünnen Luft noch zu steigen. Das Ende des Tales kam bald in bedrohliche Nähe. Auch mir erschien es jetzt ein wenig unsicher, ob unsere Maschine