»Sein eigenes Fehlverhalten?« Logan blieb stehen.
»Er ist ein unbeherrschter Dummkopf«, schnappte Cian. »War ein unbeherrschter Dummkopf. All seine Kameraden waren so.« Seine Stimme wurde leiser. Sein Gesicht blasser. »Sind sie tot?«
»Ja.« Logan betrachtete den Jungen. Er konnte keine Anzeichen für Magie erkennen. Nur einen schlanken Körper, der zitterte und nach Angst stank. Und trotzdem so schön war, dass es beinahe schmerzte. Logan wandte den Blick ab und betrachtete sein Schwert. »Cian. Woher kennst du meinen Namen?«
»Ich weiß es nicht.« Cian hob das Kinn. »Oder doch, ich weiß es: Er ist mir in einem Traum zugeflogen. Aber das glaubst du mir nicht, richtig?«
»Nein.« Logans Schenkel erinnerten sich an einen Traum. Einen, in dem sie zwischen den Beinen des Goldenen gesteckt hatte. In dem Cian seinen Namen gerufen hatte. Heiser und lüstern, während er sich an Logan gerieben hatte wie ein läufiger Köter. »Es sei denn, es war ein Traum, in dem du unter mir gelegen hast.«
»Natürlich nicht.« Cians Wangen waren flammend rot. »Warum behauptest du so etwas? Es war ein vollkommen anderer Traum.«
Natürlich hatte diese Erscheinung keine lüsternen Träume von einer Hackfresse wie ihm. Logan sah ihn lauernd an. »Was für ein Traum war es denn dann?«
»Du warst ein edelmütiger Held.« Cian hob das Kinn noch höher. »Und du hast gute Taten vollbracht. Zum Beispiel hast du mich zurück zum Kloster gebracht. Wer weiß, vielleicht war das ja ein prophetischer Traum.«
»War es nicht.« Logan ließ das Schwert sinken. Er würde es eh nicht schaffen, den Goldenen abzustechen. Nicht, wenn der so hilflos aussah wie ein Blatt im Sturm. »Du bist zu erbärmlich für einen Hexer. Wärst du einer, hättest du mich längst verflucht.«
Cian zog die Schultern hoch und sah zu Boden. »Wenn ich es könnte, würde ich es tun.«
»Was?«
»Nichts!« Cian schrak zusammen. »Nein, gar nichts. Danke für deine Hilfe.«
»Piss dich nicht wieder ein«, knurrte Logan. »Und ich habe dich nicht gerettet. Ich habe Sutherlands getötet. Also die, die du mir übrig gelassen hast.«
»Ich habe niemanden getötet.« Cian schaute entsetzt.
»Ach ja? Die Leichen da hinten im Bach würden etwas anderes behaupten.«
»Die haben sich gegenseitig umgebracht! Ich hatte nichts damit zu tun!«
»Du hast sie aufgestachelt.« Logan wurde kalt, wenn er daran dachte. Cian hatte so hilflos ausgesehen, so verängstigt. Ein dummes, zärtliches Gefühl klopfte an den Kerker in seinem Inneren und er tötete es. »Du hast mit ihnen gespielt wie mit Puppen. Und sie dazu gebracht, sich gegenseitig zu zerfleischen.«
»Das habe ich nicht!« Entsetzt schaute Cian ihn an. »Ich meine, ich wollte, dass sie kämpfen, damit s-sie keine Zeit haben, mich zu schänden. Ich wollte nicht, dass sie sterben.«
»Du lügst.«
Schuld tauchte das Gesicht des Jungen in Schatten. Seine Stimme war so heiser wie die eines uralten Säufers. »Sie sollten abgelenkt sein. Ich wusste, dass du da bist. Ich weiß nicht, warum. Aber ich wusste, dass du sie töten kannst, wenn ich sie ablenke.«
Kälte kroch durch den Wald, brachte den Geruch von blutigem Wasser mit sich. Logans Inneres gefror. Er betrachtete den Jungen vor sich und wollte einen Schritt zurück machen. Ja, wenn er nicht das Tier gewesen wäre, dann wäre er gerannt. Geflüchtet vor diesem zitternden Bündel, dessen Haut nach Morast und Kotze stank. Dessen Augen so nass und groß waren, dass Logan am liebsten die Hand auf seine Wange gelegt hätte, um ihn zu trösten. Als ob Cian MacKay von ihm angefasst werden wollte.
Er hatte es gespürt. Als er durch das Gebüsch geschlichen war. Als er gelauert hatte, nach einem Weg gesucht, wie er diese Sutherlands und ihre Gefährten töten konnte. Oder wenigstens möglichst viele mit ins Grab nehmen, bevor sie ihn niedermetzelten. Da hatte der Kleine ihn angeblickt. Das Erkennen in den grünen Augen war in Logans Körper gefahren wie ein Pfeil.
Er sieht dich, hatte eine ängstliche Stimme in seinem Kopf geflüstert. Und der Junge, der von zwei Alphas zu Boden gedrückt wurde, schwach und vollkommen wehrlos war, hatte ihm mehr Angst gemacht als alle Sutherlands zusammen.
»Du kommst mit mir«, krächzte Logan. Er machte einen Schritt vor und packte Cians Arm. »Du kommst mit mir und wenn ich irgendwelche Anzeichen von Hexerei an dir entdecke, schlitze ich deinen weißen Hals auf.«
»Nein!« Cians Schrei schreckte unzählige Amseln auf. »Nein, bitte! Ich muss zurück ins Kloster!«
»Ich bring dich zurück«, knurrte Logan. »Und behalte dich im Auge, den ganzen Weg über.«
»Lass mich los, du grober Ochse!«
Logan überhörte die Proteste und schleifte ihn weiter. »Du wolltest doch, dass ich dich zurückbringe. Jetzt hast du deinen Willen. Gern geschehen.«
»Ich wollte nicht entführt werden!«
Logan fuhr herum. »Und ich hasse Magie!«
Cians Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bin nicht magisch. Ich habe keine Ahnung, was hier geschieht. Warum ich deinen Namen kenne. Oder warum ich deine Anwesenheit spüre. I-ich will heim.«
Er war wirklich noch ein Junge. So wie Logan, als er sein Rudel verloren hatte. Und genau wie er würde er erwachsen werden müssen oder die Welt würde ihn verschlingen.
Logan warf ihn sich über die Schulter und marschierte zur Böschung. Dort schleuderte er ihn in den Schlamm. »Bleib da.«
Cian sah zu ihm auf. Sah sich um. Seine Wangen färbten sich grün, als er die Leichen entdeckte. »Ich wusste nicht, wie sie riechen«, würgte er hervor. »Stinken alle Toten so?«
»Ja.« Auch das wusste Logan. Er hatte es schon gewusst, bevor die Welt ihn gezwungen hatte, zum Mann zu werden. »Sei froh, dass die meisten von ihnen im Wasser liegen. Und bleib hier. Sonst fange ich dich ein und versohle dir den Arsch.«
Der Goldene gehorchte. Zitternd. Wieder wollte sich ein mildes Gefühl in Logans Brust regen, aber er kämpfte es nieder. Zwang sich, nicht zu sehen, wie hilflos der Kleine war. Wie sehr er jemand brauchte, der ihn beschützte. Denn das stimmte nicht. Schon zwei Mal hatte jemand versucht, den Kleinen zu vergewaltigen. Und immer war der Junge ungeschändet geblieben und seine Angreifer tot. Logan glaubte nicht an Zufälle.
Er durchsuchte die Kleider der Sutherlands und ihrer Kumpane. MacDonnells, wenn er sich nicht irrte. Sah nach einem neuen Bündnis aus. Er fand Vorräte, gefüllte Wasser- und Weinschläuche, einen brauchbaren Dolch und ein Seil.
»Was hast du vor?«, fragte der Junge, als Logan damit auf ihn zukam. Sein Mund öffnete sich und er erinnerte Logan an ein verwundetes Reh. »Was willst du damit?«
»Hände auf den Rücken«, befahl Logan.
»Nein!«
»Cian«, sagte Logan und ärgerte sich darüber, wie seine Stimme klang. Als wollte er ein verschrecktes Pferd beruhigen. »Ich bringe dich zum Kloster und ich fasse dich nicht an. Du hast mein Wort.«
»Das Wort eines Mörders.« Der Junge versuchte, böse zu klingen, schaffte es aber kaum, seine Stimme ruhig zu halten. Ja, er tat Logan leid. Und genau deshalb musste er wachsam bleiben. Mit dem Goldenen stimmte etwas ganz und gar nicht.
»Ja«, sagte Logan. »Ich kann kaum behaupten, dass ich kein Mörder wäre. Aber mein Wort ist so gut wie das jedes anderen.«
Der Omega sah zu ihm auf. Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch seine Haare,