Der Omega und das Tier. Jay Boss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jay Boss
Издательство: Bookwire
Серия: Burg der Wölfe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969693254
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sich. Ein Schrei hallte durch die Wälder. Weit entfernt und doch drang er bis zu Logan hinauf.

      Das war die Stimme des Goldenen, oder? Logan sah hinunter, zu der Stelle im Wald, wo die Vögel aufstoben. Zwischen den Baumkronen glitzerte es. Wasser. Das musste da sein, wo die Brücke sich über den kleinen Bach spannte.

      Nicht mein Problem, dachte er. Ist der Kleine halt schon wieder in Gefahr. Bis ich da unten bin, ist er dreimal geschändet worden.

      Er zögerte. Katzenaugen unter wilden Locken erfüllten seine Erinnerung. Die Angst im Blick des Goldenen bohrte sich wie ein Dolch in seine Brust. Was, wenn es wieder die Sutherlands waren? So, wie die in letzter Zeit durch die Wälder krochen, wäre es kein Wunder, ihnen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu begegnen.

      Der Schrei war verstummt. Die Vögel kreisten über die Brücke, dann senkten sie sich nieder, verschwanden zwischen den Blättern.

      Logans Magen krampfte sich zusammen. Er packte die Kante des Felsens und ließ sich hinab. Angst rumorte in seinem Bauch. Nein, schalt er sich. Wut. Hass. Hass auf die Sutherlands, die er gleich abschlachten würde.

      6. Cian

      Er versuchte zu fliehen, aber schon in der Böschung überwältigten sie ihn. Harte Hände packten seine Schulter, schleuderten ihn herum, rissen ihn zu Boden. Sein Gesicht knallte in den Schlamm. Er fuhr auf, trat aus, doch ihre Klauen packten seine Beine. Dornen schlitzten seine Haut. Heißer Schmerz schoss in die Glieder. Gehetzte Mienen, verzerrt vor Gier, hingen über ihm, wurden immer mehr.

      »Umdrehen!«, kommandierte jemand und Cian wurde herumgeschleudert.

      Knie und Brust landeten in weichem Morast, die Arme wurden ihm auf dem Rücken verdreht. Fauliger Schlick drang in seine Nasenlöcher. Er schaffte es, den Kopf so weit zu wenden, dass er nicht erstickte. Er spuckte Schlamm und versuchte, den widerlichen Geschmack loszuwerden. Stoff raschelte. Kalte Luft drang an seine Beine. An seinen Hintern.

      »Nein!«, brüllte er entsetzt. »Nein, tut das nicht!«

      Stille breitete sich aus. Im Schweigen seiner Angreifer konnte er sein eigenes Keuchen hören, und das Kreischen der Vögel, irgendwo über ihm. So hoch, herrlich weit weg vom Boden.

      »Heilige Hinterpfoten«, murmelte einer der Alphas und klang beinahe andächtig. »Das ist mit Abstand der schönste Arsch, den ich je gesehen habe.«

      Raue Pranken berührten Cians linke Backe, streichelten darüber, als wollten sie ihre Echtheit prüfen. Dann packten sie zu, dass Cian aufschrie.

      »Nein!«, brüllte er. »Bitte! Ich bin jemandem versprochen! Er wird mich nicht mehr wollen, wenn ihr meine Unschuld raubt!«

      Wieder Schweigen. Die Luft war schwer vom Gestank der Paarungsbereitschaft.

      »Deine Unschuld?« Ein anderer Alpha. Klang wie ein erkälteter Ziegenbock. »Du bist noch unschuldig, kleines Häschen?«

      Panik krallte sich in Cians Körper, zog alles zusammen. Nein. Bitte. Bitte nicht. Jaxson. »Bitte, ihr dürft mich nicht schänden. Ich flehe euch an.«

      »Unschuldige Omegas sind mir die liebsten«, schnarrte eine andere Stimme. »Schön eng.«

      »Ja, aber nachher bluten sie. Der hier wird nicht lange durchhalten.« Eine ziemlich hohe Stimme für einen Alpha.

      »Ich kriege ihn zuerst.« Klang wie ein Befehl. Das war der Ziegenbock.

      »Vergiss es.« Endlich löste sich der Druck auf Cians Backe. Der Scheißkerl hatte zugepackt als wären seine Finger Krallen. »Ich steche das kleine Fass hier an. Zur Seite, MacDonnell.«

      Leises Knurren. Der Ziegenbock hob die Stimme. »Das Fass gehört mir. Ihr Sutherlands müsst nicht den ganzen Spaß haben.«

      »Ich bin der Anführer dieses Haufens.« Krallenhand wurde noch lauter. »Also besteige ich dieses Häschen als Erster.«

      »Du bist ein ganz gewöhnlicher Krieger«, meckerte der Bock. »Ich bin der Cousin des Rudel-Chiefs der MacDonnell!«

      »Die MacDonnells sind ein mieses Zwergenrudel«, grollte Krallenhand.

      »Warum braucht ihr dann unsere Hilfe gegen die MacKays?« Der Bock lachte. »Überlass mir diesen Omega oder ihr könnt die Burg allein stürmen.«

      »Wir brauchen euch nicht!« Eine andere Stimme. »Wir haben genug Rudel versammelt, um die MacKays dreimal abzuschlachten.«

      Cian sah nichts als den Schlamm vor seine Nase, verschwommen durch seine Tränen. Wimmerte, weil seine Gelenke unter den harten Griffen schmerzten. Roch seine eigene Angst durch den Moder. Spürte den kalten Wind an seinen Weichteilen. Und doch nahm sein Gehirn jedes einzelne Wort auf, das seine Angreifer sagten.

      »Die MacKays haben euch schon zweimal den Arsch versohlt, Sutherlands«, höhnte ein weiterer Alpha. »Ihr braucht uns.«

      Stille. Schien, als würde Krallenhand zögern. »Na und? Davor haben wir ihre Burg gestürmt und ihren Omegas gezeigt, was echte Alphas sind. Und dem Sohn des Rudel-Chiefs auch.« Lachen.

      »Ja, und jetzt braucht ihr uns. Hör auf zu labern und geh zur Seite.«

      »Schwachsinn.« Krallenhand klang nicht mehr so sicher. Nicht so kämpferisch wie zuvor. Mehr wie ein murrendes Kind, das nicht ins Bett wollte.

      Entsetzen lähmte Cians Körper. Selbst seine Gedanken froren ein. Er spürte an ihren Stimmen, was hinter ihm geschah. Krallenhand würde aufgeben. Der Bock würde ihn besteigen und Jaxson würde ihn fallenlassen wie einen verfaulten Apfel.

      »Geh endlich zur Seite«, drängte der Ziegenbock. »Mein Schlauch ist nicht mehr geleert worden, seit wir in dem schäbigen Dorf in Buiseid waren.«

      Schmatzende Schritte. Ging Krallenhand wirklich?

      »Ja, ja, MacDonnell. Aber wenn du mit ihm fertig bist, bin ich dran, klar?«

      Panik fuhr in Cians Bauch.

      »Du hässlicher Sutherland!«, rief er und es war, als würde sein Wolf ihm die nächsten Worte zuflüstern. »Du elender Feigling! Kuschst vor einem Jämmerling wie dem MacDonnell? Erbärmlicher Hund! Ihr Sutherlands seid solche Schwächlinge! Es ist kein Wunder, dass mein Rudel euch den Arsch versohlt hat!«

      »Ist er etwa ein MacKay?«, fragte jemand.

      »Hast du seinen Kilt nicht gesehen, du Torfkopf?«, fragte ein anderer.

      »Halt dein Maul, dreckiger MacKay«, grollte Krallenhand. »Ich stopf dein Maul mit meiner Rute und piss dir in die Kehle, wenn du so weitermachst.«

      »Wenn du das versuchst, beiß ich sie dir ab«, würgte Cian hervor und schockierte sich selbst damit.

      »Ich schlag dir die Zähne aus, dann hast du nichts zum Beißen.«

      »Ein MacKay beißt auch ohne Zähne zu«, schnappte Cian. »Für deinen schlaffen Wurmpimmel reicht das.«

      »Sutherland!«, meckerte der Bock. »Geh endlich zur Seite.«

      »Er gehört mir!«, brüllte Krallenhand. »Fass ihn an und du verreckst!«

      Ein tiefes Grollen überdeckte das Gluckern des Bachs. Der Bock klang endlich wie ein Wolf. »Letzte Warnung, Sutherland. Das Häschen besteige ich.«

      »Hol ihn dir.«

      Nichts als Knurren war mehr zu hören. Aus zwei Kehlen, zwischen zwei Paar Reißzähnen hindurch. Cian schaffte es, den Kopf so weit zu wenden, dass er etwas erkennen konnte. Sie hatten sich verwandelt.

      Zwei Wölfe standen sich gegenüber, einer dunkel- einer hellgrau. Neben einem lag ein Sutherland-Tartan, neben dem anderen einer in den Farben der MacDonnells. Cian hatte alle Muster lernen müssen, damals, in einem anderen Leben. Selbst die, die es nicht mehr gab. Das Nackenfell der beiden Wölfe sträubte sich. Geifer lief aus ihren Lefzen, tropfte auf den Schlamm der Böschung. Cian roch den scharfen Duft der Mordlust.