Ich weiß, dass mich meine Vergangenheit und meine Tendenz zu Schwermut nicht gerade liebenswert machen. Ich arbeite an Widergutmachung, langsam.
Ich tauche unter die Bar zu den Lowboy-Kühltruhen, in denen die Flaschen mit Weißwein und Sekt aufbewahrt werden. Ich suche eine Sekunde, dann finde ich die richtige Flasche. Der Rest ist Muskelgedächtnis, die Folie abziehen und das Metallgestell aufbiegen. Ich lasse den Korken mit so wenig Tamtam wie möglich knallen und beäuge meinen Bruder Gunnar, während ich den Schampus in die Sektgläser gieße, die ich auf der Theke bereitgestellt habe.
Gunnar steht neben mir an der Bar und schüttet Wodka und etwas Zimtlikör in einen Cocktailshaker. Eine ganze Schlange hübscher Mädchen wartet auf die Shots, die er mixt. Ich räuspere mich und werfe ihm einen Blick zu.
Gib den Mädels nicht noch mehr Wodka, sagt der Blick. Im Ernst.
Er grinst und zwinkert mir zu, dann ruft er den Mädels zu, sie sollen sich rückwärts über die Marmoroberfläche der Bar beugen, damit er ihnen ihre Shots geben kann. Natürlich tun sie das, kichernd.
Ich kann meine Augen nicht stark genug verdrehen. Ich stelle die Sektgläser auf das Tablett, das Maia vorbeigebracht hat. Sie nimmt es mit einem fake Lächeln entgegen und trägt es zur Braut davon.
Sie mag Jenna auch nicht. Asher ist der Einzige des Personals, zu dem Jenna nett ist. Der Rest von uns wird für unter ihrer Würde erachtet.
Ich schaue quer durch die Bar zu dem Tisch, an dem Jenna von ihrer ganzen reichen, versnobten Clique umringt ist. Ich beobachte, wie Maia den Sekt an Jennas Tisch bringt, wo die hübsche Eiskönigin Jenna gerade eine Geschichte erzählt.
Ich sehe, dass Jenna ihr leeres Glas gedankenlos zu Maia schiebt. Die Musik hier drin ist zu laut, um hören zu können, was Jenna sagt, aber ein Blick auf ihre geröteten Wangen und ihre übertriebene Mimik, während sie mit den Leuten spricht, die um sie versammelt sind…
Yeah, sie ist betrunken. Nicht nur betrunken, sondern auch fordernd. Sie leert das Sektglas mit zwei Schlucken und streckt das Glas dann Maia hin, damit sie ihr nachschenkt.
Abermals stellt sie keinen Augenkontakt her. Jenna ist zu beschäftigt damit, ihre Geschichte laut zu erzählen. Alle am Tisch lachen gleichzeitig los und sie scheint sich pudelwohl zu fühlen, während sie in deren Schmeicheleien badet.
Maia nimmt das Sektglas und läuft zu einem anderen Tisch, um nachzusehen, ob die Leute dort irgendetwas brauchen.
Ich knirsche mit den Zähnen. Man würde meinen, dass Maia nur irgendein unbekanntes Gesicht sei, eine Bedienung in irgendeinem Restaurant… aber in Wahrheit sind Asher und Jenna zusammen, seit dieser Laden aufgemacht hat. Maia war unsere zweite Angestellte.
Einfach gesagt, sie kennen einander.
Wir hätten für diese Party Catering-Personal anheuern sollen, denke ich. Auf diese Weise hätten alle bei der Party mitfeiern können. Und das Personal hätte einen Bogen um Jennas Tisch machen können…
Ich wende mich ab und beiße mir auf die Zunge. Als Maia zurückkommt, sage ich ihr, dass sie Jenna nicht mehr bedienen muss. Ich werde das übernehmen.
Die Lage zwischen Asher und mir war während der letzten paar Wochen mehr als ein wenig anspannt, seit ich ihm erzählt habe, wie ich empfinde. Obwohl wir seit fast zwanzig Jahren beste Freunde sind, wurde es verdammt unangenehm, sobald die Worte meinen Mund verlassen hatten.
Jetzt sind wir hier. Asher schmiert Jennas Eltern drüben bei der Tür zur Terrasse Honig ums Maul, wobei er so golden aussieht wie ich dunkel bin. In seinem karierten Hemd und Khakis verkörpert er genau den Mann, von dem du dir wünschst, dass ihn deine Prinzessin-Tochter heiratet.
Ich schwöre bei Gott, ich kann seine Zähne sogar durch den verdammten Raum jedes Mal funkeln sehen, wenn er lacht. Asher ist fast ein gottverdammter Disney Prinz, mein komplettes Gegenteil.
Mir fällt wieder ein, dass ich diese Party für ihn schmeißen soll und behalte meine Gedanken über Jenna für mich.
„Hey“, sagt eine Stimme. Ich wende mich von Asher ab und entdecke seine kleine Schwester Emma, die sich auf einen Hocker an der Bar schiebt.
Emma ist vierundzwanzig, hat rabenschwarze Haare, die sie auf edle Weise hochgesteckt hat, und sie trägt ein hellrosa Bodycon-Kleid, als sei es ihr Job.
Ich bin allerdings nicht so dumm, so zu tun, als wüsste ich es. Während der letzten sechs Jahre war ich sorgsam darauf bedacht, sie nicht zu bemerken. Sie ist die reiche Prinzessin, der es an nichts fehlt. Ich mag ja eine Menge Dinge sein, aber ich bin definitiv nicht ihre Kragenweite und sie nicht meine. Es gibt zahllose Gründe, warum ein Kerl wie ich jemanden wie sie nicht einmal anschauen sollte.
Zum einen ist Emma viel jünger als ich. Zum anderen ist sie das, was man als lebhaft beschreiben würde. Als der Einzelgänger, der hinter der Bar steht und grübelt, stehe ich definitiv nicht auf ihre muntere Art.
Dann ist da noch nie Tatsache, dass sie Jura studiert, wohingegen ich die High School abgebrochen habe. In dieser Hinsicht trennen uns Welten.
Außerdem, wenn Asher herausfände, dass ich auch nur einen unanständigen Gedanken über seine kleine Schwester hege, würde er einen verdammten Schlaganfall erleiden. Und dann würde er mich umbringen.
Das wäre eine traurige Art zu sterben.
Ich funkle Emma finster an. „Solltest du dich nicht unters Volk mischen? Du weißt schon, deine hochnäsige Familie repräsentieren in Anbetracht dessen, dass sie sich nicht dazu herabgelassen haben, ihr Gesicht hier zu zeigen?“
Emma grinst mich an, ihre grünen Augen glitzern vor Freude. Das ist genau das, was ich mit lebhaft meine. Ich weigere mich, meine Augen tiefer wandern zu lassen, um ihre Titten abzuchecken… aber ich bin mir sicher, sie sind spitze.
„Meine Eltern sind absolut entsetzt, dass Asher eine Freundin gefunden hat, die keine soziale Außenseiterin ist. Sie kochen geradezu, dass er ohne irgendwelche Hilfe von ihnen so eine gute Partie gemacht hat. Also, nein, ich repräsentiere sie nicht.“ Sie beugt sich näher zu mir und beißt sich anzüglich auf die Lippe. „Was hast du da hinten, das kein Wein ist?“
Schau nicht auf ihre Titten. Schau nicht auf ihre Titten, bläue ich mir ein. Dann schaue ich trotzdem auf ihre Titten, klein, aber perfekt, von ihrem Kleid nach oben gepusht.
Ich löse meine Augen von ihr, sowie mir bewusst wird, was ich da tue. Verdammte Scheiße. Das Letzte, das ich brauche, ist, dass Emma mich für einen beschissenen Perversen hält.
Ich stelle Augenkontakt mit ihr her und zögere. Es gibt jede Menge Flirtsprüche, die mir in den Sinn kommen, aber ich ignoriere sie.
„Welche Sorte Alkohol möchtest du?“, frage ich, drehe mich um und nehme einen metallenen Cocktailshaker in die Hand.
„Mmm…“, sagt sie, während sie eine Locke ihres dunklen Haares um einen Finger wickelt. „Wodka? Ich möchte etwas, das nicht nach Alkohol schmeckt.“
Ich mache ein missbilligendes Geräusch. Emma legt den Kopf schief.
„Du hast gefragt, was ich will!“, protestiert sie. „Ich will etwas Süßes.“
Ich schüttle den Kopf, schnappe mir den Wodka und schütte ihn in den Cocktailshaker. „Magst du Limonade?“
„Wer mag die nicht?“, fragt sie.
Ich gieße frischgepressten Zitronensaft und etwas selbstgemachten Sirup in den Behälter, füge eine Handvoll Eiswürfel hinzu und dann schüttle ich. Ich gieße alles in ein Cocktailglas und toppe das Ganze mit einem Spritzer frischen Himbeerpüree. Anschließend stecke ich einen Strohhalm in das Glas, ziehe etwas von der Mischung in den Strohhalm und diesen heraus, um