Asher betrachtet mich mit ungeduldiger Miene. „Du bist hier und du bist zickig. Hurra für uns.“
„Leck mich“, sage ich mit knirschenden Zähnen. Jetzt bin ich so richtig beschämt und es ist definitiv ihre Schuld. „Ihr beide könnt zur Hölle fahren.“
„Emma –“, sagt Asher und verdreht die Augen.
Das reicht. Ashers Augenverdrehen ist der Tropfen, der das Fass für mich zum Überlaufen bringt. In diesem Moment hasse ich sie beide.
„Ich gehe nach Hause. Wenigstens weiß mich Evie als Mitbewohnerin… und als Erwachsene zu schätzen“, zische ich. Ich marschiere um die Bar, wobei ich das Gefühl habe, als hätten sie mich dazu gebracht, mich so kindisch zu benehmen. Ich ramme meine Bücher in meine Tasche, kochend vor Zorn.
Ich bin wütend auf Asher, ja. Er muss mich Erwachsen werden lassen.
Aber noch mehr als das bin ich wütend auf J. Ich habe das Gefühl, als hätte er mir nur in die Augen gesehen und diese Dinge gesagt, um mir wehzutun. Das macht ihn zu einem Arschloch, ganz egal, wie man es dreht und wendet.
„Emma, sei doch nicht so“, sagt Jameson, als ich meine Tasche schultere. Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu.
„Verpiss dich“, sage ich und stürme zur Tür.
Ich lasse sie hinter der Bar zurück, wo sie stehen und ihre Köpfe schütteln. Nachdem ich die Tür aufgestoßen habe, trete ich hinaus in das helle Nachmittagslicht. Ich bin stinksauer auf beide, zittere sogar ein bisschen.
Asher kann sich diesen Mist von wegen, ich sei seine kleine Schwester, dahin stecken, wo die Sonne nicht scheint. Und Jameson?
Jameson wirkt so männlich und erwachsen, außer wenn es um Asher geht. Er muss Erwachsen werden und sich Eier wachsen lassen. Ganz gleich, wie attraktiv Jameson auch sein mag, ich habe keine Zeit für jemanden, der mich nicht will.
Daran muss ich mich einfach immer wieder erinnern… für immer.
Eine Grimasse schneidend mache ich mich auf den Weg nach Hause.
1
Jameson
Im Hinterzimmer des Cure dabei erwischt zu werden, wie ich die Zukünftige meines besten Freundes auf der Afterparty ihres Hochzeitsprobedinners küsse… lasst mich einfach sagen, das war nicht Teil meines Plans.
Die Nacht beginnt mit dem Knallen von Sektkorken, die hinter der Bar durch die Gegend fliegen. Die Lichter sind ganz nach unten gedreht und eine Playlist von Purity Ring Remixes dringt laut aus den Lautsprechern. Die Türen nach draußen sind weit geöffnet, um die salzige Luft und das Rauschen der Ozeanwellen, die in der Ferne an den Redemption Beach krachen, hereinzulassen.
Leute trinken auf das glückliche Paar. Das ist etwas verfrüht, wenn man mich fragt, aber niemand hat das getan. Also halte ich einfach meine Klappe und arbeite hinter der Bar. Hinter der Bar bin ich immer noch der Barkeeper, der Herr meines kleinen Reiches.
Im Restaurantbereich müsste ich mit Hedgefondmanagern und CEOs und Instagrammodels verkehren. Der Sorte Leute, die auf teure Privatcolleges gegangen sind und sich darüber unterhalten, wo sie den Sommer verbringen. Nicht meine Welt.
Sie sind alle wegen Asher und seiner vermögenden Verlobten Jenna hier. Und ich bin auch hier, ich und die anderen Hart Brüder. Wir springen für Ashers Familie ein, denn sie interessieren sich nicht wirklich für ihn und wir schon.
Der heutige Abend ist nur für Asher. Das muss ich mir einfach immer wieder in Erinnerung rufen.
Wirklich, es ist okay, mich in der Gegenwart von Youtube-Starlets und Tennisprofis aufzuhalten, denn die meisten von ihnen halten mich ohnehin nur für die Aushilfe. Sie wissen wahrscheinlich nicht einmal, dass diese Bar Asher und mir gemeinsam gehört.
Was für mich mehr als in Ordnung ist.
Nicht zum ersten Mal heute Abend wünsche ich mir, ich wäre am Strand und würde mit einem Surfbrett unter dem Arm auf das Wasser zu rennen. Tatsächlich sehne ich mich danach, in diesem Moment überall zu sein, nur nicht hier.
Aber das bin ich nicht. Ich bin hier. Ich muss mich nützlich machen, Bestellungen entgegennehmen und Drinks mixen. Ansonsten werde ich zu einem schmollenden, wütenden Mann-Kind. Niemand will das, vor allem nicht heute Abend.
Ich stehe hinter der Bar, ein Geschirrtuch über meine Schulter geworfen und starre mit leicht säuerlicher Miene hinunter auf die Schar der Hochzeitsgäste. Ich überlege, ob ich für die Gruppe Wassergläser an der Bar aufreihen sollte oder nicht. Die Party ist definitiv ein Erfolg, was bedeutet, dass mittlerweile fast jeder leicht betrunken ist.
Ich habe sogar auf die teuren Bourbons zurückgegriffen, etwas, das ich bei den anderen Barkeepern missbillige. Aber heute Abend ist eine Party, eine Feier im gewissen Sinne. Auch wenn mir nicht gefällt, was die Leute feiern, muss ich trotzdem hier sein.
Maia, eine süße Asiatin, die einen spitzen Sazerac macht, lässt ihr Tablett auf die Theke fallen. Sie zieht ihr hautenges schwarzes Cocktailkleid ein Stück nach unten.
„Jameson! Öffne bitte eine von den Flaschen mit Rosé Schampus“, bittet sie, wobei ihr britischer Uperclass-Akzent sogar das Wort Schampus kultiviert klingen lässt.
Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch. „Warum?“
„Die Braut möchte ‚etwas Pinkes mit Bläschen‘“, antwortet sie achselzuckend. „Ich bin eine Kellnerin. Sie gibt mir eine Bestellung, ich komme und bitte darum. Du schenkst die Getränke ein. So funktioniert es normalerweise.“
Sie wirft mir einen Blick zu, als wüsste sie genau, was ich gerade gedacht habe, und dass sie es nicht gutheißt.
„Mmmpf“, erwidere ich missmutig. Sekt Rosé steht heute Abend eigentlich nicht auf der Karte, aber ich tue, was verlangt wird. Es ist immerhin für Asher.
„Hättest du was dagegen, mir einige Sektgläser runterzuholen, wenn du schon dabei bist, Boss?“, fragt sie und schenkt mir ein liebenswürdiges Lächeln. „Du bist eine Million Meilen größer als ich.“
„Ich bin eins neunzig“, korrigiere ich sie. „Du bist einfach nur wirklich klein.“
Sie streckt mir die Zunge raus und ich gluckse. Ich ziehe eine Lage der Gläser, die sie will, aus dem Regal an der Wand und stelle sie auf die Theke.
Ich drehe mich zu der hochaufragenden, neon-beleuchteten Wand mit verschiedenen Alkoholsorten. Sie sind alle nach Art gruppiert: Whiskys und Bourbons zusammen, Wodkas und Gins und Aquavits, Rums und Tequilas und Mezcals, Piscos und Brandies und einige Dutzend Weinflaschen.
Wir befinden uns im Cure, der Bar, die mir zusammen mit meinem besten Freund Asher und meinen zwei Brüdern, Gunnar und Forest, gehört. Momentan ist das Cure wegen Ashers Hochzeitsfeier für die Öffentlichkeit geschlossen. Ungefähr vierzig beschwipste Hochzeitsgäste sind am Vorabend der Hochzeit alle hier versammelt.
Es ergibt Sinn, soweit es um Veranstaltungsorte geht.
Das Cure war immerhin Ashers Idee. Er wird der Erste von uns vieren sein, der heiratet. Ich sollte mich für ihn freuen, doch das tue ich nicht. Ich hasse seine Verlobte Jenna und ich denke, er könnte jemand viel Besseren als sie finden.
Aber ich schlucke meine Worte hinunter. Die Zeit, all meine Gedanken und Meinungen über Jenna und die Hochzeit auszudrücken, war gekommen und gegangen. Ich sagte meinen Teil. Asher nannte mich einen Arsch.
Und das bin ich, ohne jeden Zweifel. Ein Versager, ein Menschenhasser, ein antisozialer Grübler, für den es ein völliger Schuss ins Blaue war, diese Bar zu eröffnen. Diese Bar, das Großziehen meiner kleinen Brüder und meine Freundschaft mit Asher sind wirklich die einzigen guten Dinge, die ich jemals getan habe.
Gott weiß, wenn es eine kosmische Gleichung meines ganzen Lebens gäbe, gäbe