Liebe mich nicht-Hasse mich nicht Duett. Jessa James. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jessa James
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783985229390
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      Prolog

      1997, Redemption Beach High School

      Ich laufe den überdachten Zementweg zwischen den Klassenräumen entlang, wobei ich die Abnutzungsspuren auf meinen uralten schwarzen Converse betrachte und meinem Freund Asher zuhöre, der wie ein Wasserfall plappert.

      „Die Sache mit meinen Eltern ist die, dass sie eine Menge Geld haben, aber auch solche Geizkrägen sind!“, regt sich Asher auf. „Sie lassen mich nicht einmal auf diesen Debattier-Ausflug gehen, weil sie meinen, das wäre keine sinnvolle Investition.“

      Er verdreht die Augen. Ich nicke nur. Ich habe diese Geschichte schonmal gehört, verspüre jedoch nicht das Bedürfnis, ihn zu stoppen oder es ihm zu sagen. Außerdem sind wir nur noch wenige Minuten von Ms. Harpers Mathematikklassenraum entfernt.

      Asher beschwert sich ständig über seine Eltern, was Sinn macht, nehme ich mal an. Ich meine, es ist schwer zu ertragen, sich das dauernd anzuhören, da meine Eltern mich und meine zwei kleinen Brüder vor Jahren einfach haben sitzen lassen. Jetzt leben wir bei meiner Grandma Jane. Sie ist nett und meint es gut, aber sie ist auch wirklich alt.

      Vor drei Jahren versuchte ich, zum ersten Mal bei Asher zu übernachten. Asher und ich waren erst elf, praktisch noch Babys.

      Ashers Eltern warfen einen Blick auf mich und beschlossen, dass ich ein schlechter Einfluss wäre. Ganz gleich, wie sehr Asher mit ihnen stritt und sie anflehte, sie änderten ihre Meinung nicht. Sie sagten die Übernachtung ab und bemühten sich, uns so oft sie konnten davon abzuhalten, miteinander abzuhängen.

      Es fällt mir sehr schwer, sie dafür nicht zu hassen.

      Ich blicke zu Asher. Mit seinem sorgfältig gebügelten blauen Hemd und Chinos ist er so ziemlich das komplette Gegenteil von mir. Ich trage ausgebeulte Jeans und ein löchriges Nirvana T-Shirt.

      Wir sehen auch unterschiedlich aus. Asher hat blonde Haare, die er nach hinten gegelt hat. Ich habe dunkle Haare, die ich in Spitzen nach oben frisiert habe. Ich sah schon immer wie ein Rebell aus, Asher hingegen wie ein Chorknabe.

      So sind wir, ehrlich gesagt, auch Freunde geworden. Asher war der Neue auf der Schule und ein erstklassiges Opfer für die Spielplatz-Bullies. Ich sah düster und gefährlich aus. Das reichte bei den meisten Kids auf der Schule schon. Sie wollten sich nicht mit mir anlegen.

      Ich mischte mich ein und bewahrte ihn davor, mit dem Kopf in die Kloschüssel getaucht zu werden. Seitdem sind wir Freunde.

      Asher rempelt mich mit dem Ellbogen in die Seite. „Meinst du nicht?“

      „Ähh… yeah. Absolut“, sage ich, obwohl ich keinen blassen Schimmer habe, wovon er spricht. Ich bin gedanklichen einen Moment abgedriftet, weit weg.

      „Ich sage dir, Zoe Waters hat über die Sommerferien mega Möpse bekommen“, sagt Asher.

      Ich rolle mit den Augen. Das Einzige, das Zoe Waters getan hat, ist, anzufangen, einen BH zu tragen. Ansonsten ist sie genauso flachbrüstig wie der Rest unserer neunten Klasse. Glaub mir, ich habe nachgeschaut.

      Wir erreichen das nächste Gebäude. Dessen durchsichtige Glastür kann der Tatsache, dass das hässliche braune Backsteingebäude praktisch jegliches Sonnenlicht verschluckt, kaum entgegenwirken. Ich schwinge die Tür auf und halte sie für Asher. Asher läuft hindurch und bleibt genau im Türrahmen stehen.

      „Uff“, sage ich, als ich gegen ihn laufe. „Pass doch auf, Mann.“

      Doch Asher gestikuliert nur den langen Flur hinab, der zu beiden Seiten mit Spinden und Klassenzimmertüren gesäumt ist. Vom anderen Ende laufen Mr. Smith und Ms. Song, der Direktor und die Schulpsychologin, direkt auf uns zu.

      Ich sehe mich um und frage mich, wer wohl in Schwierigkeiten steckt. Ich werde nervös, obwohl ich nicht glaube, dass ich kürzlich irgendetwas getan habe, weswegen ich mir Sorgen machen müsste.

      „Hey, wir machen uns besser vom Acker“, flüstere ich Asher zu. „Komm schon. Ms. Harper wird uns bestimmt als abwesend eintragen.“

      Wir laufen den Gang hinab, doch Mr. Smith entdeckt uns. Er ist ein hagerer, älterer Mann in schwarzen Hosen sowie einem rosa und grau gestreiften Hemd und betrachtet mich mit ernstem Gesicht. Ms. Song ist eine winzige, hübsche Blondine. Sie verschränkt die Hände ineinander, als wir näher kommen.

      Das kann kein gutes Zeichen sein.

      Ich riskiere einen Blick zu Asher und sehe, dass er die gleiche Miene zur Schau stellt wie ich. Er versucht, herauszufinden, wer von uns beiden beim Direktor in Ungnade gefallen ist.

      „Mr. Hart?“, sagt Ms. Song, deren Stimme piepsig ist und einem Chipmunk ähnelt. „Können Sie bitte mit mir kommen? Ich möchte mit Ihnen sprechen.“

      Mir rutscht der Magen in die Kniekehlen. Was habe ich dieses Mal falsch gemacht? Ich zerbreche mir den Kopf, aber mir fällt beim besten Willen nichts ein.

      Asher schaut zu mir, hin und her gerissen. Er wischt sich vermutlich mental gerade den Schweiß von der Stirn, denn es hätte jeder von uns beiden sein können, der in Schwierigkeiten steckte.

      „Ich schätze, ich sollte in den Unterricht gehen“, sagt Asher.

      „Yeah. Ich komme nach.“ Ich verlagere den Rucksack auf meiner Schulter, während Asher seitlich an Mr. Smith und Ms. Song vorbeihuscht.

      „Dann wollen wir mal“, sagt Ms. Song. Ich meine, eine Spur von Traurigkeit in ihrer Stimme zu hören, aber ich bin mir nicht sicher. „Kommen Sie bitte in mein Büro.“

      Sie dreht sich um und führt den Weg an, wobei ihre Absätze bei jedem Schritt über den Fliesenboden klackern. Ich versuche, mir darüber klarzuwerden, worum es hierbei gehen könnte. Ich bin schon viele Male ins Büro des Direktors geschleift worden, aber noch nie in Ms. Songs Büro.

      Als wir ihr Büro erreichen, das kaum größer als ein Wandschrank ist, bedeutet sie mir, mich auf einen der orangenen Plastikstühle vor ihrem Schreibtisch zu setzen.

      Mr. Smith schließt die Tür hinter uns und klopft mir anschließend doch tatsächlich auf die Schulter, was mich zusammenzucken lässt. Ich schaue erschrocken zu ihm hoch.

      „Wir haben schlimme Nachrichten für dich, Sohn“, sagt er und blickt traurig drein. „Deine Großmutter ist dahingeschieden. Sie weilt nicht länger unter uns.“

      Mein Mund klappt auf. Ich fühle mich… seltsam. Hauptsächlich denke ich: von allen Dingen, die er hätte sagen können, habe ich damit nicht gerechnet.

      „Sie meinen… sie ist tot?“, bringe ich irgendwie hervor.

      Mr. Smith wirft Ms. Song einen Blick zu, dann nickt er. „Ich fürchte, so ist es, ja. Einer eurer Nachbarn hat sie gefunden. Sieht nach einem Herzinfarkt aus.“

      Ich sacke leicht zusammen. „Was… was bedeutet das für uns? Mich und meine kleinen Brüder, meine ich. Warum… ich meine… wohin werde ich nach der Schule gehen?“

      Meine Stimme bricht beim letzten Wort. Das Einzige, das ich vor Augen habe, ist, dass ich durch die Tür zu Grandma Janes Haus laufen werde und sie nicht dort sein wird.

      Fuck.

      „Nun, wir haben das Kinder- und Jugendamt kontaktiert“, sagt Ms. Song, die zu mir kommt, um mir ihre Hand auf die Schulter zu legen.

      „Was? Warum?“, frage ich benommen.

      „Sie werden einen guten Platz für dich finden, wo du heute Nacht bleiben kannst. Und dann werden sie dir helfen, herauszufinden, wie die nächsten Schritte aussehen werden“, erklärt Mr. Smith.

      Ich schaue zu ihm, während meine Augen feucht zu werden beginnen. „Sind das die Pflegefamilien-Leute?“

      Ich weiß alles über Pflegefamilien. Damals, als meine Mom uns verließ und bis meine Grandma kam, waren wir drei einige Wochen bei Pflegefamilien untergebracht. Jeder von uns in einer anderen Familie.

      „Ja,