Neunmalweise. Christoph Schmitter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Schmitter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783862567355
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Planeten lief ein Mann, der die Zerrissenheit unserer LebensWelt deutlich vor Augen hatte und dennoch an Beziehungen glaubte.

      Jesus.

      Viele Male werden wir in diesem Buch den Blick von unserer LebensWelt auf diesen Menschen richten und danach fragen, ob in seinem Leben Antworten auf unsere Fragen stecken und ob es Muster gibt, die man bei ihm erkennen und auf das eigene Leben übertragen könnte.

      So auch bei dieser sehr grundlegenden Frage, der Frage nach dem Sinn überhaupt. Ein Zeitgenosse stellt sie ihm – ich erwähnte es bereits. Meister, welches ist das wichtigste Gebot im Gesetz? – was in den Begrifflichkeiten eines frommen Juden zur damaligen Zeit nichts anderes als die Frage nach dem ist, was diesem Leben wirklich Sinn verleiht. Jesu Antwort:

      Der Sinn des Lebens liegt in Beziehung. Am Tag deines Todes wird nur eines von Bedeutung sein: Ob du geliebt hast.

      Gott.

      Die anderen.

      Wie dich selbst.

      Die Worte dieses Mannes (und seine Taten!) haben Menschen bis heute veranlasst, das Leben und die Welt unter neuen Vorzeichen zu sehen. Die ersten Christen nahmen ernst, was Jesus über die Liebe sagte, und begannen, in Gott selbst den Ursprung vollendeter Liebe zu erkennen. Sie sagten, dass Gott in sich selbst Beziehung sei. Er sei einer, sagten sie … und doch drei, sagten sie … und doch nur einer – und waren sich dabei des Paradoxons dieser Aussagen sehr wohl bewusst.

      Vater. Sohn. Heiliger Geist.

      Der Ursprung des Universums ist Beziehung.

      Dreieinigkeit.

      Und nun entdeckten die ersten Christen dieses Geheimnis des Lebens in den uralten Schriften des Judentums wieder. Wie im Buch Genesis der Mensch als Gottes Abbild den Garten Eden betritt und diese göttliche Einheit widerspiegelt: Er ist eins mit Gott und der Welt und seinesgleichen. Wie die Beziehung zu Gott zerbricht und als Folge die Beziehung untereinander vor die Hunde geht. Und wie seither ein tiefer Riss die Weltgeschichte durchzieht, den jeder von uns täglich spürt.

      Sie fanden im Alten Testament die dramatische Geschichte eines Gottes vor, der gewillt ist, Beziehung wiederherzustellen. Mit einem einzelnen Menschen zunächst: Abraham – und dann einem Volk, das aus diesem Menschen hervorgeht: Israel. Humane Gesetze sollen das Zusammenleben der Menschen regeln, ein Opferkult den Kontakt zu Gott ermöglichen.

      Und immer schwingt der Traum in dieser mehr schlecht als recht funktionierenden Gemeinschaft von Menschen mit, dass es eines Tages wieder so sein wird wie am Anfang. Dass eines Tages die Welt in Ordnung kommen wird. Völlig! Dass sich eines Tages Gott und Mensch wieder im Garten treffen werden. Dass eines Tages einer kommen wird mit dem Himmel im Gepäck.

      Der Retter. Der Messias.

      Die Juden nannten diesen Traum Schalom und erinnern sich noch heute bei jeder Begrüßung an diesen Traum, auch wenn ihn heute sicher die meisten für zu-schönum-wahr-zu-sein halten.

      Die Christen allerdings erkannten: Diese Zukunftsvision ist angebrochen! Der Messias war da. Er hatte von Schalom geredet, vom „Himmelreich“. Und dass es nah sei, hat er gesagt.

      Und er hat Schalom gelebt. Mit jeder Faser seines Seins hat er Menschen geliebt. Gott geliebt. Und beide miteinander in Verbindung gebracht. Mehr noch: er war es selbst!

      Gott. Einer von uns.

      Jesus war Gott, sagten sie. „Wir haben Gott erlebt, dabei, Beziehungen wieder aufzurichten.“

      Schaut man sich das Leben Jesu an, entdeckt man in der Tat, dass sich sein Wirken vor allem um Beziehungen dreht. Zum einen lebt er in einem ständigen und so intensiven Kontakt mit Gott, dass viele, die ihn reden hören, sagen, seine Worte seien Gottes Worte. Wenn er handle, handle Gott, sagen sie. Und in der Tat ist das, was im Umkreis Jesu geschieht, einigermaßen verblüffend. Menschen werden gesund, Menschen werden satt, Menschen werden lebendig – es ist wie im Himmel.

      Zum anderen investiert er die meiste Zeit des Tages in die Formung einer kleinen Gemeinschaft gewöhnlicher Menschen. Er liebt das WG-Leben. Mark und Jesus hätten sich wohl ein paar wunderbare Insider-Geschichten zu erzählen. Er hält es aus irgendeinem Grund für sinnvoll, zwölf jungen Männern zu zeigen, wie man das macht: den Mitmenschen lieben wie sich selbst.

      Und zum dritten ist er ständig unterwegs zu denen, die ihn nicht kennen und Schalom doch so dringend brauchen. Er hat eine Mission. Er sucht die von Gott getrennten, die Ungeliebten und vom lieblosen Leben Zermürbten.

      Er hat den Himmel im Gepäck.

      In den drei Jahren seines Lebens, die wir heute durch die Evangelien überblicken, geht es immer und immer wieder um Beziehung.

      Das sind die Dimensionen, in denen er lebt, atmet und schwitzt:

      Die Beziehung nach oben – zu Gott.

      Die Beziehung nach innen – zu seinen Jüngern.

      Die Beziehung nach außen – zu allen anderen.

      Man muss sagen, er vernachlässigt dafür beherzt ein paar Dinge, die Männern in seinem Alter für gewöhnlich wichtig sind.

      Er baut kein Haus.

      Er pflanzt keinen Baum.

      Er zeugt keinen Sohn.

      Hey, mir hat man gesagt, diese Dinge seien bedeutsam! Über den Baum können wir meinetwegen reden, aber …

      Jesu Leben hingegen predigt: Fokussiere dich auf Beziehungen! Und dann geht er sogar noch einen bedeutsamen und lebensgefährlichen Schritt weiter …

      Nur mal angenommen, sein Lebenskonzept scheint dir irgendwie sinnvoll. Möglicherweise betrachtest du die Lehre des christlichen Glaubens noch aus einer gewissen Distanz – aber wie Jesus zu leben verstand, fasziniert dich. Es scheint dir tatsächlich der bessere Weg zu sein, zu vergeben statt zurückzuschlagen. Es scheint dir der bessere Weg zu sein, Brücken zu bauen statt Mauern aufzurichten. Es scheint dir der bessere Weg zu sein, an andere zu denken statt nur an sich selbst. Selbstlosigkeit, Freundlichkeit, Geduld, Hilfsbereitschaft, Gnade, Friedfertigkeit – all das scheint dir wirklich der einzige Weg zu einer besseren Welt zu sein. Dann stellen sich immer noch zwei Fragen:

      Was mache ich, wenn ich nicht Jesus heiße?

      Und was ist mit dem Tod?

      Denn zweifellos hat Jesus die Sache mit den Beziehungen vorbildlich hinbekommen. Aber wenn ich das nachmachen soll, muss ich sagen, dass ich wenig Hoffnung habe, dass es mir auch nur halb so gut gelingen wird. Tolles Vorbild! Wirklich. Aber ich werde das nicht schaffen.

      Und selbst wenn. Eines traurigen Tages werden alle noch so starken Bänder zwischen mir und anderen zerreißen. Je besser sie waren, desto größer wird der Schmerz sein. Widerlegt der todsichere Ausgang aller Geschichten auf dem Friedhof nicht letztlich die Behauptung, wir könnten wirklich für Beziehungen geschaffen sein?

      Deshalb geht Jesus noch einen Schritt weiter.

      Er stirbt.

      An einem Kreuz.

      Man könnte in diesem Schrei das tragische Schicksal eines Mannes erkennen, der bis zum Ende reinste Ideale und einen unerschütterlichen Glauben an einen großen