4. Soziale Aktion als Kleingruppe
Prolog
Wir glauben, dass keiner von uns wirklich die Fähigkeit, die Gnade, den Mut oder die Vorstellungskraft hat, genau so zu sein wie Jesus. Das ist ein vergebliches Unterfangen. Aber eines, das (…) allemal wert ist, unternommen zu werden. Michael Frost, Alan Hirsch
Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können. Johann Wolfgang von Goethe 1
Ich fahre eine Corvette. C5. Cabrio. 355 PS. Blau. Knappe 300 Spitze. Ein tolles Auto.
Ich fahre also Corvette, dieses eine Mal, mit einem Freund – er hat sie geliehen. Doch weil es regnet, bleibt das Verdeck zu und die Reifen bringen die Kraft nicht recht auf die rutschige Straße. Außerdem weiß der Besitzer des Autos nichts von unserer kleinen Probefahrt, weshalb ich ein schlechtes Gewissen habe. Die Sache macht also nur mäßig Spaß und ich drehe bald schon wieder um. Als ich in unsere Straße einbiege, sehe ich eine lange Reihe umgekippter Mülltonnen und am Ende dieser Reihe drei Jugendliche. Einer trägt einen Kasten Bier, die zwei anderen treten gerade die Tonne meines Nachbarn um. Dann biegen sie auf den großen Parkplatz vor unserem Haus ein.
Das mache ich auch. Mit der Corvette. Langsam rolle ich neben den schlurfenden Kids her. Gern würde ich nun lässig die Fensterscheibe runterfahren, aber ich finde diesen blöden Schalter leider nicht. Also halte ich an und krabble umständlich aus dem tiefen Wagen.
„Hey Jungs, die Mülltonnen stellt ihr sicher wieder auf, oder?“
Als sein Blick auf den Sportwagen fällt, rutscht dem Bierkistenträger das Herz in die Baggy Pants. „Äh, na klar. Machen wir. Hey Leute“ – die anderen zwei sind schon paar Schritte weiter –, „kommt her, wir räumen die Tonnen wieder ein!“
Und eilig machen sie sich ans Werk.
Das wiederum hat mächtig Spaß gemacht.
Eine Sorte von Auto zu fahren, das in einschlägigen Kreisen auf einen Besitzer schließen lässt, mit dem man sich vielleicht lieber nicht anlegt2, veranlasst drei Kids, ihre Gesinnung von trotziger Rebellion auf duckmäuserischen Gehorsam zu wechseln.
Ich bin sicher: Hätten sie geahnt, dass der Typ in dem Auto der Jugendpastor der örtlichen Gemeinde ist – sie hätten die nächste Tonne vor meinen Augen umgetreten.
Äußerlich stärker zu wirken, als man es innen tatsächlich ist, führt nicht selten zu schnellen Erfolgen und macht auch noch Laune.
Bei Überprüfung
würde das Innere allerdings nicht halten,
was das Äußere verspricht.
Hm …
Das Haus, in dem ich heute lebe, steht auf einem Hanggrundstück. Will man ebene Rasenflächen schaffen, braucht man Stützmauern.
Eine dieser Mauern ist baufällig, als wir einziehen. Ein großer Riss durchzieht das Sichtmauerwerk. Den Grund dafür stelle ich fest, als ich sie abreiße: Das Fundament ist nur ein Fundamentchen. Gut für mich, denn so hat es meinem Vorschlaghammer wenig entgegen zu setzen.
Doch nun muss eine neue Mauer her. Das Angebot eines Bauunternehmers ist mir zu teuer. Also: selber machen! Warum aber sollte mir besser gelingen, was mein Vorgänger verpfuscht hat? Ich bin nicht Chuck Norris, noch nicht mal ein Maurer. Ich entscheide mich schließlich für eine Gabionen-Lösung. Gabionen sind große käfigartige Drahtkörbe, die mit Steinen gefüllt und aufeinander gestapelt werden. Vorteil: Die Mauer steht auch ohne Fundament wie eine Eins. Nachteil: In eine Mauer meiner Ausmaße passen Tonnen von Material. Wo die Mauer am höchsten ist, ist sie einen Meter dick! Ich brauche Monate, all die Steine von der Straße heraufzuschleppen und die Drahtkörbe zu füllen.
Doch als sie fertig ist, bin ich stolz. Diese Mauer wird niemals Risse bekommen. Diese Mauer wird hier in 200 Jahren noch stehen. Natürlich wird sie das!
Echte Stabilität kommt von innerer Stärke. Um sie zu erreichen, ist mehr Zeit und Schweiß nötig,
aber am Ende
hält das Innere,
was das Äußere verspricht.
Dieses Buch will dir helfen, innerlich stark zu werden. Dieses Buch möchte dich anleiten, hinter deiner äußeren Fassade ein stabiles Leben zu bauen – quasi Steine zu schleppen. Klingt irgendwie nach Arbeit? Ist es auch.
Leichter und oft auch Spaß bringender ist es, in dein äußeres Erscheinungsbild zu investieren – Corvette zu fahren, obwohl du gar keine besitzt. Das tun die meisten von uns fast automatisch. Ich selbst zumindest bin ein Mensch, der von Haus aus dazu tendiert, mehr Zeit, Kraft und Geld auf das Äußere als auf das Innere zu verwenden. Ausbildung, Job, Aussehen, Besitz, Fitness, Image – solche Sachen vernachlässigen wir selten. Sachen, die übrigens keinesfalls unwichtig sind. Doch zu oft kümmern wir uns nicht in gleicher Intensität um die Dinge, die zu unserem inneren Menschen gehören. Dinge wie Charakter, Reife, Persönlichkeit und Glauben.
Das geht oft sehr lange gut. Aber irgendwann fragt einer nach. Irgendwann merkt einer, dass der Sportwagen nur geliehen ist. Irgendwann wird der Druck des Erdreiches am Hanggrundstück zu hoch und die schlecht gebaute Stützmauer bekommt Risse. Sie kann nicht halten, was sie verspricht.
Wenn der folgende Gedanke ab und zu dein eigener ist, dann ist dieses Buch für dich geschrieben.
„Was, wenn ich innen drin nicht halten kann, was ich äußerlich verspreche?“
Ich kenne diesen Gedanken.
Man sagt, der Mensch verliere zum Zeitpunkt des Todes 21 Gramm.3 21 Gramm – das Gewicht der Seele. Meine Güte, ich muss sagen, das ist wenig! Wir sind seelische Leichtgewichte. Doch man kann kein großartiges Leben auf eine zu leichte Seele bauen.
Meine Mauer da draußen im Garten – ich sehe sie von dem Ort, an dem ich gerade schreibe – wird vor allem deshalb in 300