Ich nahm zwei Araber, welche mir bei gar hohen Steinen die Hände reichten, und mich so hinauf zogen. Wer im Geringsten den Schwindel zu fürchten hat, der unternehme diese Partie ja nicht, er wäre rettungslos verloren. Man denke sich, eine Höhe von fünfhundert Fuß ohne Geländer und ohne bequeme Treppe zu erglimmen. Nur an einer einzigen Kante der Pyramide sind die ungeheuern Steine so viel von einander gearbeitet, daß sie wohl eine Art Treppe bilden, aber natürlich eine der beschwerlichsten, die es geben kann, indem viele dieser einzelnen Blöcke über vier Schuh hoch sind, ohne daß man an ihnen ein Plätzchen fände, den Fuß einzusetzen, um sich hinauf zu schwingen. Da stiegen denn immer die zwei Araber zuerst hinauf, reichten mir die Hände und zogen mich auf diese Art von einem solchen Block auf den andern. Über die kleineren kletterte ich lieber allein. Nach drei Viertelstunden gelangte ich auf die höchste Spitze der Pyramide.
Träumend und sinnend stand ich lange da, und konnte es kaum fassen, daß auch ich unter die kleine Zahl gehöre, die so glücklich sind, den höchsten und unzerstörbarsten Bau menschlicher Kunst und menschlichen Fleißes anzustaunen und bewundern zu können. Im ersten Augenblicke war ich kaum fähig einen Blick von dieser schwindelnden Höhe herab in die Tiefe und in die Ferne zu werfen, ich betrachtete nur die Pyramide und mußte mich ordentlich mit dem Gedanken vertraut machen, daß kein Traum mich daher gezaubert habe. Nach und nach erst kam ich zu mir selbst und betrachtete die weit unter mir ausgebreitete Landschaft. Von diesem Punkte aus konnte ich das Riesenwerk besser ermessen und ward mehr von seiner Größe hingerissen, als von unten, denn hier that es der Höhe keinen Eintrag, daß der untere Theil der Pyramide versandet war. Ich sah den Nil tief unten fließen, ich sah einige Beduinen stehen, die die Neugierde herbeigezogen hatte und von meiner Höhe betrachtet, wahrhaftigen Zwergen glichen. Ich sah im Hinaufsteigen die ungeheuern Felsblöcke im Einzelnen und in ihrem Umfange, und da begreift man wohl, daß diese Denkmäler mit Recht zu den sieben Wundern der Welt gezählt werden.
Schon auf dem Kastell war die Aussicht schön, hier oben aber, wo der Blick durch nichts als den Horizont und das Mokkatam-Gebirge begränzt ist, war sie noch viel großartiger. Weithin konnte ich den Strom mit seinen vielen, vielen Armen und Kanälen verfolgen, bis sich der Horizont zu ihm herabneigte und das Bild von dieser Seite schloß; und die Unzahl von Gärten, die die große, ausgebreitete Stadt mit ihren nächsten Umgebungen umfing, die große Wüste mit ihren Flächen und Sandhügeln, die langgedehnte Felsenkette des Mokkatam — Alles lag vor mir ausgebreitet, und lange saß ich da, schaute um mich und dachte an all' meine Lieben daheim, mit denen ich so gerne die seligen Gefühle geheilt hätte, die mich hier erfaßten.
Doch nun war es Zeit, nicht bloß hinabzuschauen, sondern auch hinabzugehen. Die Meisten finden das Abwärtssteigen beschwerlicher als das Hinaufklettern. Bei mir war es umgekehrt. Am Schwindel leide ich nicht, und so stieg ich mit dem Gesichte nach vorn gewendet, auf folgende Art sehr schnell und ohne Hilfe der Araber hinab. Auf den kleinen Stufen sprang ich von der einen zur andern; kam ein drei oder vier Schuh hoher Fels, so setzte ich mich nieder und ließ mich hinabgleiten, und dieß alles machte ich so schnell und behende, daß ich lange vor meinem Diener hinabkam. Selbst die Araber bezeigten ihre Freude über meine Gewandtheit und Furchtlosigkeit auf dieser gefahrvollen Passage.
Nach einer kleinen Rast und einem eingenommenen Frühmahle ging es in das Innere. Da muß man über einen Haufen von Sand und Steinen steigen, dann geht es abwärts zum Eingange, der ziemlich schmal und so niedrig ist, daß man oft gebückt gehen muß. Den Gang, der hineinführt, hätte ich ohne die Hülfe der Araber nicht betreten können. Er ist so abschüssig und führt über polirte Steine, daß ich sammt der Hülfe meiner Führer mehr hinabglitt, als ging. Das erste Gemach, das man betritt, heißt das Zimmer der Königin, es hat ganz die Größe und Höhe eines gewöhnlichen Zimmers. Von diesem führt ein noch viel schlechterer Weg in das Zimmer des Königs. Die Araber setzten die Füße in eingehauene Löcher ein, und klammerten sich mit der einen Hand an ausgehauene Stellen, während sie mit der andern mich nach sich zogen. Auch hier waren die Steine so glatt, daß man mehr darüber glitt als gehen konnte. Das Gemach des Königs ist größer und gleicht einem kleinen Saale. An einer Seite steht ein kleiner leerer Sarkophag ohne Deckel. Die Wände, sowohl der Gemächer, als auch der Gänge, sind mit den größten und schönsten polirten Granit- oder Marmorplatten ausgetäfelt. In die andern Gänge oder vielmehr Löcher, welche noch zu besuchen gewesen wären, kam ich nicht. Für Gelehrte und Alterthumsforscher mag es wohl von großem Interesse seyn, jeden Winkel und jede Ecke zu durchsuchen; aber für eine Frau wie ich, die bloß eine grenzenlose Neigung zum Reisen hieherbrachte, und die Kunst- und Naturschönheiten nur nach ihren einfachen Gefühlen zu betrachten vermag, genügte es, die Cheops-Pyramide von außen erstiegen und von innen nur so überhaupt gesehen zu haben. Diese Pyramide soll die höchste und größte seyn. Sie steht auf einem 150 Fuß hohen Felsen, von dem man aber nichts sieht, weil er tief unter Sand liegt; ihre Höhe soll über 500 Fuß betragen. Sie steht schon dreitausend Jahre und wurde von Cheops gegründet. Hunderttausend Menschen sollen 26 Jahre lang an ihr gearbeitet haben, und gewiß ist sie eines der interessantesten Werke, hinsichtlich der großen und vielen Felsenmassen, welche so kunstvoll in einander gefügt und für die Ewigkeit geschaffen zu sein scheinen. Sie sehen so fest und wohlerhalten aus, daß noch viele Reisende der kommenden Generationen hieher wandern und die schon längst angefangenen Untersuchungen fortsetzen können.
Die Sphinx, eine unendlich kolossale Statue, welche unweit der großen Pyramide liegt, ist so versandet, daß man nur den Kopf und einen kleinen Theil der Brust sehen kann. Der Kopf allein ist 22 Fuß lang.
Nachdem ich überall herumgegangen war und Alles besehen hatte, trat ich meine Rückkehr an, besuchte abermal Herrn K., stärkte mich mit einem guten Imbiß und traf Abends glücklich wieder in Kairo ein. Als ich da meine kleine Börse aus der Tasche langen wollte, war sie verschwunden. Zum Glück hatte ich nur einen Kollonat mitgenommen. Man kann sich keinen Begriff machen von der Fertigkeit und Geschicklichkeit, welche die Beduinen und Araber im Stehlen besitzen.
Ich gab immer auf meine Sachen genau Acht, und dessen ungeachtet entwendeten sie mir Mancherlei. Auch die Börse müssen sie mir bei dieser Partie gestohlen haben. Ihr Verlust war mir sehr unangenehm, weil sich das Schlüsselchen zu meinem Koffer darin befand. Zum Glück traf ich aber auf einen geschickten arabischen Schlosser, der das Schlößchen öffnete und einen neuen Schlüssel dazu verfertigte. Bei dieser Gelegenheit sah ich abermal, wie vorsichtig man in allen Dingen mit diesen Leuten seyn müsse, um nicht betrogen zu werden. Der Schlüssel sperrte gut auf und zu, und ich bezahlte ihn, doch gleich darauf bemerkte ich, daß er in der Mitte nur ganz schwach zusammen genietet sei und bald entzwei brechen würde. Da sah ich noch das Werkzeug des Arabers auf dem Boden liegen; ich bemächtigte mich desselben, und bedeutete dem Manne, ich würde es nicht eher ausfolgen, als bis er mir einen andern Schlüssel gemacht habe. Vergebens versicherte er mir, daß er ohne Werkzeug nicht arbeiten könne, allein er gab mir das Geld nicht zurück, und ich verweigerte das Werkzeug; nur auf diese Art kam ich zu einem neuen und guten Schlüssel.
Ich besuchte mehrere christliche Kirchen, worunter die griechische abermals die schönste war. Ich sah auf dieser Wanderung Gassen, daß kaum Platz für einen Reiter war; ja der Weg zur Armenischen Kirche führt durch so schmale Gäßchen und Pförtchen, daß wir unsere Esel zurücklassen mußten, und kaum so viel Raum fanden, daß ein Mensch dem andern ausweichen konnte.
Dagegen mag wohl wieder in der ganzen Welt kein größerer Platz zu finden seyn, als der Esbekieplatz hier in Kairo. Jener zu Padua ist vielleicht der einzige, der ihm an Größe ziemlich nahe kommen mag. Doch gleicht dieser Platz einem wahren Chaos. Elende Häuser, halb verfallene Hütten umgehen ihn, während man hin und wieder ein Stückchen von einer Allee oder einem angefangenen Kanalbau entdeckt. Die Mitte ist voll Unebenheiten und mit Baumaterialien, als: Steinen, Holz, Ziegel, Balken u.s.w. bedeckt. Das größte und schönste Haus auf diesem Platze ist deßhalb merkwürdig, weil es Napoleon während seines Aufenthaltes in Kairo bewohnte. Es wird jetzt zu einem prächtigen Gasthof umgestaltet.
Herr Konsul Ch. war so gütig, mir eine Einladungskarte in das Theater zu senden. Das Theater gleicht einem gewöhnlichen Hause, und enthält