Ich ersuchte Herrn P., mir vor allem Andern einen Diener zu verschaffen, der entweder italienisch oder französisch spreche, und mir dann eine Eintheilung von dem zu machen, was ich in Kairo zu besehen hätte. Herr P. erfüllte meine Wünsche mit der größten Bereitwilligkeit, und nach Verlauf einer Stunde war schon der Dragoman gefunden, und zwei Esel standen vor dem Hause, bereit, mich und meinen Diener in der ganzen Stadt herum zu tragen.
Das Gewühl, die Lebhaftigkeit und Geschäftigkeit in den Straßen Kairo's ist unerhört, ja, was doch gewiß sehr viel sagen will, die belebtesten Städte Italiens halten keinen Vergleich damit aus.
Dazu sind viele Straßen so enge, daß, wenn sich beladene Kameele begegnen, die einen immer in ein Seitengäßchen geführt werden müssen, um die andern vorbei zu lassen. In diesen engen Gassen begegnet man stets einem Schwall von Menschen, daß man wirklich bei jedem Schritt in großer Angst schwebt, und gar nicht begreifen kann, wie man da durchzudringen vermag. Aus diesem Menschenknäuel ragen Reiter zu Pferde und Esel allenthalben heraus, und Letztere erscheinen abermals als Pygmäen gegen die hohen, stolzen Kameele, die selbst unter ihrer schweren Bürde die stolze Haltung nicht verlieren. Die Menschen schlüpfen oft unter den Köpfen dieser Thiere durch, und die Reiter drängen sich knapp an die Häuser, und durch dieses Gewirre windet sich wunderbar die Masse der vielen Fußgeher, die Wasserträger, die Verkäufer, die vielen Blinden, welche ihren Weg mit einem Stock suchen, und einen Korb mit Obst, Brot und andern Lebensmitteln zum Verkaufe auf dem Kopfe tragen; die zahllosen Kinder, die theils in den Gassen umher laufen, theils an den Häusern sitzen und spielen, und endlich die egyptischen Damen, welche hier ebenfalls alle Besuche zu Esel abmachen, und mit ihren Kindern und Negerinnen im Zuge daher kommen. Hierzu denke man sich noch das Ausrufen der Verkäufer, das Geschrei der Treiber und der Ausweichenden, das Geheul der ängstlich fliehenden Weiber und Kinder, das Gezanke, das sich oft dazwischen erhebt, und die ohnehin außerordentliche Lebhaftigkeit und laute Geschwätzigkeit dieses Volkes, und man kann sich einen Begriff davon machen, wie einem Fremden dabei zu Muthe ist. Bei jedem Schritte war ich in Todesangst, und wenn ich des Abends nach Hause kam, fühlte ich mich ordentlich unwohl; da ich aber sah, daß doch nie ein Unfall geschah, gewöhnte ich mich endlich auch daran und folgte meinem Führer unbesorgt durch das ärgste Gewühl.
Die Straßen, oder besser gesagt, die Gassen Kairo's werden täglich einige Mal mit Wasser begossen; auch sind überall Brunnen und große Gefässe mit Wasser zum Gebrauche für die Vorübergehenden angebracht. Die breiten Gassen sind mit Strohmatten überdeckt, um die Sonnenstrahlen aufzuhalten.
Die Tracht der Vornehmen ist die orientalische, nur haben die reichen Frauen den Kopf und das Gesicht in ein weißes, leichtes Musselin-Tuch gehüllt; den Körper umgibt eine Art Mantille von schwarzem Seidenstoffe. Dieß verschafft ihnen ein sonderbares Aussehen. Wenn sie so daher ritten, der Wind sich in dem Kleide fing und es auseinander theilte, da sahen sie gerade aus wie — Fledermäuse mit ausgespannten Flügeln.
Von den Franken tragen sich viele orientalisch, — die Fellahs gehen beynahe nackt, und ihre Weiber haben nichts als das blaue Hemd an.
Die Vornehmen und Reichen sieht man wie im ganzen Morgenlande, immer nur zu Pferde; doch gefielen mir die egyptischen Pferde nicht so gut wie die syrischen, sie kamen mir nicht so schlank und fein gebaut vor.
Die Einwohner, deren Zahl bei 200,000 betragen soll, bestehen aus Arabern, Mameluken, Türken, Berbern, Negern, Beduinen, Christen, Griechen, Juden u.s.f. Alle — Dank sei es dem mächtigen Arme Mehemed Ali's! wohnen friedlich unter einander.
Häuser zählt Kairo 25,000; sie sind aber eben so garstig und unregelmäßig wie die Gassen. Meist aus Lehm, ungebrannten Ziegeln oder Steinen erbaut, sie haben enge, kleine Einlaßpförtchen und unregelmäßig angebrachte Fenster, die mit hölzernen, dem Auge undurchdringlichen Gittern versehen sind. Im Innern aber herrscht wie zu Damask, Pracht und Luxus, nur nicht in so hohem Grade; auch fehlt der Reichthum an frischem Wasser.
Am häßlichsten ist das Judenviertel, die Häuser sind schmutzig, die Gassen so schmal, daß sich gerade nur eine Person an der andern vorbei drängen kann.
Die ganze Stadt ist mit Mauern und Thürmen umgeben, von einem Kastelle beschützt, und in viele Quartiere getheilt, die durch Thore, welche nach Sonnenuntergang geschlossen werden, von einander abgesondert sind. Auf den Höhen um Kairo liegen einige Schlösser aus der Zeit der Sarazenen.
Als ich kreuz und quer in der Stadt herum ritt, hielt mein Führer plötzlich an, kaufte eine Menge Brot und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ich dachte in eine Menagerie geführt zu werden, in welcher er dieses Brot den Thieren Vorwerfen würde.
Wir traten in einen Hof, um welchen zu ebener Erde Fenster liefen, die durch eiserne Stäbe fest verwahrt waren. Als wir zum ersten kamen, warf mein Diener ein Stück Brot hinein; wer stellt sich aber mein Entsetzen vor, als statt eines Löwen oder Tiegers ein alter, abgemagerter, ganz nackter Mensch hervorstürzte, das Brot gierig aufraffte und mit dem größten Heißhunger verzehrte. Ich befand mich im Narrenhause! — In der Mitte dieser dunkeln, unreinen Löcher ist ein Stein befestigt, von welchem zwei eiserne Ketten auslaufen, an denen einer oder zwei dieser Unglücklichen mittelst eines eisernen Halsringes angeschmiedet sind. Da starren sie heraus, das Gesicht gräßlich verzehrt, Haare und Bart struppig und verwildert, der Körper abgemagert, das Mark des Lebens vertrocknet. In diesen unreinen, stinkenden Ställen bleiben sie, bis sich Gott ihrer erbarmt und sie durch den Tod dieser schmachvollen Ketten, die den Armen an solch ein schauderhaftes Leben fesseln, entledigt. Geheilt wurde noch keiner. Diese Behandlung ist wohl nur geschaffen, einen halbverrückten Menschen vollends wahnsinnig zu machen. Und die Europäer loben Mehemed Ali! Ihr armen Wahnsinnigen, — ihr armen Fellah's, stimmt ihr auch mit ein in dieses Lob? —
Von diesem Schreckensorte weg, führte mich mein Dragoman zu dem Brunnen Josephs, der außerordentlich tief in Felsen gehauen ist. Über zweihundert und siebzig Stufen war ich hinab gestiegen, und doch erst zur halben Tiefe des Riesenwerkes gekommen. In die zweite Hälfte sah ich hinab. Es wurde mir ordentlich schwindlich dabei.
Der neue Pallast Mehemed Ali's ist ziemlich hübsch, die Einrichtung größtentheils europäisch. Die Zimmer, man kann sagen die Säle, sind ungemein hoch und zierlich ausgemalt oder mit Seidenstoffen, Tapeten u.s.w. bekleidet. Große Wandspiegel vervielfältigen die Gegenstände, herrliche Divans sind an den Wänden angebracht, und wunderschöneTische, einige von Marmor, andere von eingelegter Arbeit oder mit Prachtgemälden verziert, stehen in den Zimmern, in deren einem ich sogar ein Billard fand. Der Speisesaal gleicht ganz einem europäischen. In der Mitte steht ein großer Tisch, an der einen Wand zwei Kredenz-Kästen, an der andern schöne Sesseln. In einem der Zimmer hing ein Oelgemälde, das Bildniß seines Sohnes, des Ibrahim Pascha [Es ist ein Werk des jungen Wiener Künstlers Leander Rust, der im Jahre 1832 Egypten besucht hat].
Dieser Pallast ist von einem kleinen Garten umgeben, der sich aber weder durch besondere Gewächse, noch durch schöne Anlagen auszeichnet. Die Aussicht von einigen Zim» mern sowohl als auch vom Garten aus, ist wunderschön.
Gegenüber dem Pallaste wird eine große Moschee gebaut, welche sich Mehemed Ali als Grabesstätte errichten läßt. Vermuthlich muß er noch auf manches Lebensjahr rechnen, denn noch viel und lange muß gearbeitet werden, um diesen schönen Bau zu vollenden. Die Säulen und Wände der Moschee sind mit dem schönsten, gelblich weißen Marmor bekleidet.
Die genannten Bauten, nämlich der Joseph's-Brunnen, der Pallast sammt Garten und die Moschee, nebst einem Kastelle stehen auf einem hohen Fels, zu welchem von Kairo aus nur eine einzige breite Straße führt. Hier übersieht man ein dreifaches Meer, nämlich: von Häusern, vom ausgebreiteten Nile und von Sand, auf welchem die hohen Pyramiden in der Ferne wie einzelne Nadeln stehen. Das Gebirge Mokattam schließt den Hintergrund, und eine Menge der herrlichsten Gärten und Dattelhaine umgeben die Stadt. Mit einem Blicke übersieht man die grellsten Gegensätze. Die üppigste Natur umschließt die Stadt gleich einem Kranze, darüber hinaus sieht man die einförmige Wüste. Die Farbe des Nils ist gerade so, wie jene des Sandes, welcher seine Ufer bildet, und die Abstufung daher unmerklich.
Auf dem Rückwege begegnete ich vielen Fellahs, die ganze Körbe voll Datteln trugen; ich ließ gleich