2. Juli 1842.
Die Morgensonne fand uns zum Aufbruche bereit, und bald erreichten wir eine Anhöhe, von der wir eine entzückende Aussicht genossen. Vor uns stiegen die hohen, stellenweise mit Schnee bedeckten Rücken des Antilibanon und des Libanon empor, und hinten senkte sich das Gebirge, bedeckt von Weinpflanzungen, Oliven und Pinienwäldern, hinab zu dem Gestade des Meeres. Wir standen so hoch, daß die Wolken, die über dem Meere und der Stadt Beirut schwebten, tief unter uns lagen, und uns den Anblick von Beirut entzogen.
Weinpflanzungen sind auf diesen Gebirgen sehr häufig, doch ranken sich die Reben weder an Bäumen hin, wie in Italien, noch sind sie an Stöcken befestigt, wie bei uns in Österreich, sondern beinahe wild wachsend erheben sie sich etwas vom Stamme und senken sich dann wieder zur Erde. Der Wein dieser Gebirge ist vortrefflich, etwas süß, sehr feurig und von goldgelber Farbe.
Wir zogen immer noch aufwärts, wenig belästigt von Hitze, doch einen gefährlichen, wirklich schaudererregenden Weg über Felsen und Klippen an furchtbaren Abgründen vorüber.
Unsere ledernen Flaschen waren hier für uns nutzlos, denn an Wasser hatten wir keinen Mangel; aus jeder Felsenspalte quoll eine reine, kristallhelle Wasserfluth hervor, in der sich wunderbar die in den schönsten Farben schimmernden Steinmassen spiegelten.
Nach einem fünfstündigen, äußerst beschwerlichen Ritte gelangten wir endlich auf den Rücken des Antilibanon, wo wir einen Chan fanden, und uns eine Stunde Ruhe gönnten. Dieser Punkt bietet einen schönen Anblick. Die beiden-höchsten Bergrücken des Libanon und Antilibanon bilden hier ein Thal, bei drei Stunden lang und fünf bis sechs Stunden breit. Unser Weg zog sich über den Bergrücken hinab, und mehrere Stunden in dieser malerisch gelegenen Ebene fort, bis zu dem Dorfe Maschdalanscher, in dessen Nähe unsere Zelte aufgeschlagen wurden.
Selten wohl mag eine Europäerin in diese Gegenden kommen, ich mußte daher den Eingeborenen ein ungewöhnlicher Anblick sein. Deshalb kamen auch an jedem Orte, wo wir anhielten, viele Weiber und Kinder zu mir, betrachteten mich von allen Seiten, betasteten meine Kleider, setzten meinen Strohhut auf, und sprachen oder deuteten beständig mit mir. Hatten sie zufällig etwas Eßbares, wie Gurken, Früchte oder sonst etwas bei sich, so ermangelten sie nie, mir selbes mit der größten Gutmütigkeit anzubieten, und immer machte es ihnen Freude, wenn ich etwas davon nahm. An dem heutigen Abende versammelten sich ebenfalls mehrere um mich, wobei ich Gelegenheit hatte, mir die Tracht dieses Gebirgsvolkes genauer zu besehen, welche, den Kopfputz ausgenommen, dieselbe ist, wie in Palästina und überhaupt in ganz Syrien; die Weiber tragen blaue Hemden, die Männer weiße Hemden, weite Beinkleider und eine Binde, manchmal auch noch einen Spencer; die Wohlhabenden sogar Kaftane und Turbane. Der Kopfputz der Weiber ist höchst originell, aber er kleidet nicht besonders. Sie tragen nämlich vorne über der Stirne ein mehr als schuhlanges, blechernes Horn, schlagen darüber ein weißes Tuch, das rückwärts zusammengeheftet wird, und in Falten hinabhängt. So kleiden sich jedoch nur die Wohlhabenden, deren man wenig genug sieht. Die Ärmeren haben ein bedeutend kleineres Horn und meistens sehr schmutzige Tücher darüber geschlagen. Bei der Feldarbeit legen sie es gewöhnlich ab, weil es sie im Tragen der Lasten auf dem Kopfe hindern würde. Die reichen Gebirgsbewohner, Männer und Weiber, kleiden sich orientalisch, jedoch behalten die Weiber das Horn bei, welches dann von Silber ist.
Das Dorf Maschdalanscher besteht aus Lehmhütten, die mit Stroh gedeckt sind. Ich sah viele Ziegen, auch Hornvieh und ziemlich viel Vorrath von Getreide, welches aufgethürmt vor den Hütten lag.
Man sagte uns, die Reise durch die Gebirge der Drusen und Maroniten sei höchst unsicher, und rieth uns daher, eine Eskorte mit zu nehmen; da wir aber beinahe alle Stunden Karavanen begegneten, fanden wir eine solche Vorsicht ganz unnöthig, und gelangten auch glücklich ohne den geringsten Unfall nach Damask.
3. Juli 1842.
Diesen Morgen hatten wir durch zwei Stunden einen höchst angenehmen und ziemlich guten Weg, bis wir an eine Felsschlucht gelangten, die uns kaum den Eingang zu gestatten schien. Immer enger und enger traten die Felsenmassen zusammen, und wir zogen auf schmalen Pfaden an einem ausgetrockneten Strombette über Steingerölle fort. Kaum fanden wir oft Raum genug, den uns entgegen kommenden Karavanen auszuweichen. Dachten wir einen solchen Engpaß mit Mühe überstanden zu haben und ins Freie zu gelangen, gleich wurden wir wieder in eine noch traurigere und ödere Schlucht verschlagen. So ging es einige Stunden fort, bis die Felsmassen zu Sandbergen wurden, und jede Vegetation gänzlich verschwand. Da erklimmten wir die letzte Höhe, und Damask, die „vielgepriesene Stadt des Orients", lag vor uns.
Überraschend ist ihr Anblick allerdings, wenn man, heraus tretend aus den unwirthbaren Felsen und Sandgebirgen, zu seinen Füßen ein üppig großes Thal ausgebreitet sieht, das durch sein frisches Grün den seltsamsten Gegensatz zu seiner öden Umgebung bildet, und in der Mitte dieses Thales, eingefaßt von Gärten und zahllosen Bäumen, die lang gedehnte Stadt mit den freundlichen Moscheen und den schlanken, hoch empor ragenden Minarets; doch so entzückend schön, um mit manchem Reisenden ausrufen zu können: „Dieß ist der schönste Punkt auf Erden!" fand ich ihn bei weitem nicht.
Die Ebene, in der Damask liegt, zieht sich am Fuße des Antilibanon fort bis zu dem Berge Scheikh, und ist auf drey Seiten von Gebirgen, aber von den ödesten, die man sich vorstellen kann, von lauter Sandgebirgen umgeben. Auf der vierten Seite verläuft sich die Ebene in die Sandwüste. So reich dieß Thal an Wasser ist, da von allen Bergen Quellen herabströmen, deren man aber von unserm Standpunkte aus keine einzige sah, so hat sie doch keinen Strom. Das Wasser kommt und verschwindet unter dem Sande, nur zunächst der Stadt und in derselben entfaltet es seinen Reichthum.
Noch hatten wir von dem Hügel, wo wir Damask zuerst erblickten, eine gute Stunde bis an die Pflanzungen. Diese bestehen aus großen Gärten von Mischmisch-, Nuß-, Granatäpfel-, Orangen- und Citronenbäumen, mit Lehmwänden eingesäumt, von breiten, langen Straßen durchzogen und von rauschenden Quellen erfrischt. Lange ritten wir in dem Schatten dieser fruchtspendenden Wälder, bis wir durch ein großes Thor die Stadt betraten. Unsere begeisterte Erwartung von der vielbesungenen Götterstadt wurde bei jedem Schritte bedeutend herabgestimmt.
Die Häuser sind durchgängig aus Lehm und Erde, und unzählige garstige Erker von Holz, so wie auch dergleichen Gitter vor den Fenstern, geben dem Ganzen ein widerliches, beengendes Ansehen. Damask ist durch die Thore, die bald nach Sonnenuntergang geschlossen werden, in viele Stadttheile geschieden. Durch viele solche Thore, so wie auch durch den längsten Theil des Bazars mußten wir wandern, um an das Franziskaner-Kloster zu gelangen.
Wir hatten an dem heutigen Tage einen Weg von eilf Stunden bei einer Hitze von 35-36 Grad R. zurück gelegt und durch den glühend heißen Wind, der noch dazu feinen Sand mit sich führte, unendlich viel gelitten. Unsere Gesichter waren so verbrannt, daß wir uns füglich für Abkömmlinge von Beduinen hätten ausgeben können. Diesen einzigen Tag fühlten wir auch unsere Augen ein Bischen angegriffen.
Obwohl wir sehr ermüdet im Kloster ankamen, so hatten wir doch nichts Eiligeres zu thun, als den Staub abzuschütteln, die brennenden Augen zu waschen, und zum französischen und englischen Konsul zu eilen, so begierig waren wir, die viel gerühmten Schönheiten des Innern dieser Lehmhütten zu sehen.
Durch eine niedere Thür traten wir in einen Gang, aus diesem in einen großen Hof und da war es, als ob wir wie mit einem Zauberschlage auf den Schauplatz eines jener phantasiereichen Märchen der ,,taufend und Einen Nacht" versetzt würden: alle Pracht des Morgenlandes lag vor unseren trunkenen Blicken. In der Mitte des mit großen Steinplatten belegten Hofes war ein großes Wasserbassin mit einem Springbrunnen angebracht, das eine angenehme Kühle verbreitete. Orangen- und Citronenbäume neigten ihre goldenen Früchte zur kristallreinen Flut, und an den Seiten liefen Blumenbeete mit wohlduftenden Rosetten, Balsaminen, Rosen, Oleander u.s.w. bis zu den Stufen, welche in den Empfangssaal führten. Alles schien aufgeboten, dieses große, hochgewölbte, dem Hofe zu halb offene Gemach glänzend und herrlich auszuschmücken, schwellende Divans mit den reichsten Stoffen überzogen, liefen rings an den Wänden, die reich und kunstvoll mit Spiegeln, geschnitzten und gemahlten Arabesken mit Mosaik-Arbeiten