Die Kost war ebenfalls sehr erquicklich. Die Schwägerin der guten Pauline sandte täglich das Mittagsessen, da kam dann an einem Tage ein Fingerhut voll saffrangelb gefärbter Pilav, und den andern ein halbes Kopfstückchen von einem Fische. Fünf Tage in der Woche sollte ich fasten, und an den beiden andern hätte ich nichts zu essen bekommen. Ich kündigte also die Kost gleich auf und kochte mir täglich selbst ein gutes deutsches Gericht. Des Morgens ließ ich mir Milch bringen, um ebenfalls nach deutscher Art Milch-Kaffee zu trinken. Leider aber müssen unsere Milchpantscherinnen schon bis Syrien gedrungen seyn, denn hier bekam ich eben so wenig ächte Ziegenmilch, wie in Wien unverfälschte Kuhmilch.
Meine Bettstätte war eine alte Kiste, meine Unterhaltung und Beschäftigung — Nichtsthun. Ich hatte kein Buch zum Lesen, keinen Tisch zum Schreiben, und erhielt ich wirklich einmal Etwas zum Lesen oder versuchte ich zu schreiben, so kam der ganze Schwarm der holden Jugend und sah in mein Buch, oder auf meine Feder; da hieß es dann wohl:
Geduld, Geduld! wenn's Herz auch bricht,
Mit Gott im Himmel had're nicht.
Hadern — nun das hätte so nichts genützt, allein den Ärger konnt' ich nicht ganz unterdrücken.
Meine Freunde werden mir vergeben, daß ich meine Leiden so genau beschreibe, allein es geschieht nur, um alle Jene abzuschrecken, die etwa Lust zu solch' einer Reise hätten, und nicht reich, vornehm oder doch recht abgehärtet sind, denn ohne den Besitz wenigstens einer dieser Eigenschaften möge Jeder lieber zu Hause bleiben.
Weil ich nicht vornehm oder reich war, empfing mich der Herr Konsul das erste Mal gar nicht, obwohl gerade vor mir der Kapitän eines Dampfschiffes seine Aufwartung abstattete. Als ich nach einigen Tagen wieder kam, ihm meine Noch klagte, und sehr deutlich zu verstehen gab, wie glücklich ich mich schätzen würde, wenn sich meiner Jemand annähme, und die Gefälligkeit hätte, mir gegen Bezahlung eine anständige Wohnung zu verschaffen, bis ich eine Gelegenheit nach Alexandrien fände; da war der Herr Konsul so gütig, zu all meinem Elend nur den Kopf zu schütteln und die trostreichen Worte zu sagen: ,,Ich bedaure, es ist wirklich traurig." Der gute Herr muß sein Gefühl beim Übersiedeln vergessen haben, sonst hätte er mich unmöglich mit ein Paar so herzlosen Floskeln abfertigen können, um so mehr, da ich ihm ausdrücklich sagte, daß ich hinlänglich mit Geld versehen sei, um die Kosten zu tragen, daß es aber oft Lagen gäbe, wo man nebst Geld auch noch anderer Hülfe bedürfe. Kurz er erkundigte sich während meiner langen Anwesenheit in Beirut kein einziges Mal nach mir.
Während meines Aufenthaltes machte ich einen Ausflug nach der Grotte, in welcher der heil. Georg den Drachen erlegt haben soll; sie liegt rechts, unweit der Quarantaine-Anstalt. Der Ritt dahin ist wegen der schönen Ansichten sehr lohnend, an der Grotte selbst ist nichts Sehenswerthes.
Abends ging ich öfter zu einer arabischen Familie, setzte mich auf die Terrasse des Thurmes, und erfreute mich an dem herrlichen Sonnenuntergange.
In Beirut lag sehr viel Militär, ebenfalls lauter Arnauten. Sie hatten ihre Zelte vor der Stadt aufgeschlagen, die dadurch ganz das Ansehen eines Feldlagers erhielt. In vielen Städten sind keine Kasernen, und da die Soldaten in Privathäuser nicht einquartirt werden, so müssen sie auf dem Felde unter Zelten bivouaquiren.
Der Bazar ist sehr groß und ausgedehnt. Ich hatte einmal das Unglück, mich in diesen vielen Gassen zu verirren, und brauchte längere Zeit, mich wieder heraus zu finden; dabei sah ich die Menge der Handelsartikel und die Unzahl der Kramladen; an Beiden ist nichts Merkwürdiges. Zugleich überzeugte ich mich hier abermals, daß an dem Gerede der Menschen die Hälfte unwahr ist. Man hatte mich nämlich gewarnt, nicht allein auf der Gasse, noch viel weniger aber auf den Bazar zu gehen. Ich versuchte Beides, nicht etwa einmal, sondern während meines Aufenthaltes täglich ein- auch zweimal, und nie begegnete mir das Geringste.
Zehn ewig lange Tage saß ich schon in Beirut und noch fand sich keine Gelegenheit nach Alexandrien. Da kam Ende Iuni der geschätzte Maler Sattler, dessen Bekanntschaft ich in Konftantinopel gemacht, hier an, er suchte mich auf und machte mir den Vorschlag, mit ihm, dem GrafenBerchtold und einem Franzosen Derousseau nach Damaskus zu reisen, statt hier zu sitzen. Dieser Vorschlag war mir höchst willkommen. Ich sehnte mich nach Erlösung aus meinem Hühnerstalle. Meine Anstalten waren gleich getroffen, ich nahm nichts mit, als etwas Wäsche und einen Polster, welches auf mein Pferd gepackt wurde.
VII. Reise von Beirut nach Damaskus, Balbeck und dem Libanon.
1. Juli 1842.
Um 1 Uhr Nachmittags waren wir alle vor dem Gasthofe des Herrn Battista versammelt, und eine Stunde später saßen wir zu Pferde und eilten den Thoren der Stadt zu. Anfangs ritten wir in dem tiefen Sandmeere, das diese Stadt umgibt, bald aber gelangten wir in das schöne Thal, welches sich malerisch am Fuße des Antilibanon ausdehnt, und zogen dann auf schönen, von Pinien-Wäldern und Maulbeer-Pflanzungen beschatteten Wegen, dem Vorgebirge zu.
Doch nun ging es immer steiler und gefährlicher den großartigen Antilibanon hinan, auf treppenförmigen, oft kaum Fuß breiten, häufig durch Bächelchen und Spaltungen durchbrochenen Steigen. Es währte lange, bis ich die Furcht so ganz besiegte, um schwelgend in den Reizen dieser erhabenen, für uns Europäer so ganz ungewöhnlichen Gegenden, mich einzig und allein der Vorsicht des Pferdes zu überlassen, das sicher und fest den Fuß zwischen die über einander geworfenen Felsblöcke setzte, ohne auch nur ein einziges Mal zu straucheln, so vorsichtig und an die schlechten Wege gewohnt sind diese Thiere. Viel hatten wir über den Franzosen zu lachen, der es nicht über sich gewinnen konnte, bei besonders gefährlichen Stellen auf dem Pferde zu bleiben. Er stieg jedes Mal ab, wurde aber doch endlich des ewigen Auf- und Absteigens müde und überwand seine Furcht, besonders als er sah, daß wir uns so zuversichtlich auf die Pferde verließen und uns nur mit der Ansicht des Gebirges beschäftigten. Nie wird es möglich seyn, die unvergleichlichen Formen dieses Gebirges würdig zu beschreiben. Die riesig übereinander geschichteten Felsenkolosse schimmern in den schönsten Farben, und freundlich liegen zwischen ihnen die frischen anmuthigen Thäler und die bald einzeln auf Hügeln stehenden, bald aus dichten Oliven- und Maulbeerpflanzungen hervorblickenden Dörfer.
Die Sonne senkte sich zum Meere und warf durch die klare, reine Luft ihre letzten Strahlen auf die höchsten Zacken der mächtigen Berge. Alles vereinte sich zu einem Gemälde, das man einmal gesehen, nie vergißt.
Besonders merkwürdig ist das Farbenspiel der Felsenmassen; es umfaßt nicht nur alle Hauptfarben, sondern auch alle Abstufungen derselben, ja sogar ein Gemisch davon, wie z. B. Violett, Blaugrün u.s.f.. Manche Felsen waren mit einem Roth belegt, wie Zinnober; an einigen Stellen fanden wir kleine Schichten von reinem Schwefel, und so gab es immer etwas Schönes, etwas Fremdartiges zu