In den Thälern des Libanon war die Pest ziemlich herrschend, wir waren dadurch öfters genöthigt, kleine Umwege zu machen, um die von ihr heimgesuchten Dörfer zu vermeiden, und mußten auch gewöhnlich unser Nachtquartier etwas entfernt von demselben im Freien aufschlagen.
Auf dem ganzen langen Wege von Balbeck bis an die Cedern des Libanon trafen wir auch keine andere menschliche Wohnung, als dießseits des Berges auf eine kleine Sennhütte. Höchstens drei Viertelstunden von ihr entfernt, erreichten wir kleine Schneefelder. Mehrere der Diener stiegen von den Pferden und warfen sich mit Schneeballen, eine winterliche Scene, die mich an mein theures Vaterland erinnerte. Obwohl wir über Schnee wandelten, so war die Temperatur doch so gelinde, daß Niemand von unserer Gesellschaft sich des Mantels bediente. Wir begriffen gar nicht, wie es möglich sei, in dieser Temperatur auf Schnee zu treffen. Das Thermometer zeigte 9 Grad Wärme.
Endlich nach einem fünfstündigen, gefährlichen und mühevollen Ritte vom Fuße des Vorgebirges, erreichten wir die höchste Spitze des Libanon. Hier erst übersieht man die Großartigkeit und die merkwürdige Bildung dieses Gebirges.
Überall erheben sich schroffe Felswände, an denen gleich Bienenzellen einzelne Dörfer oder Klöster hängen, gestützt auf natürliche Felsterrassen; dazwischen spalten sich tiefe Thäler, die grün und freundlich gegen die kahlen Felswände abstechen. Weiter hin ziehen sich Hochebenen, auf deren Matten hin und wieder einige Kühe oder Ziegen weideten, und in weiter Ferne glänzt ein mächtiger blaugrüner Streifen, gleich einem breiten Gürtel um die Landschaft gewunden — es ist das mittelländische Meer. In den weit sich verflachenden Küsten sieht man einige Ortschaften auftauchen, die bedeutendste darunter ist Tripoli. Rechts zu unsern Füßen lag der Hain der Cedern.
Lange standen wir auf diesem Punkte und konnten uns nicht genug wenden und drehen, um von diesem unermeßlichen Doppelbilde nichts zu übersehen. Jenseits das wilde Gebirg mit all seinen Thälern, Schluchten und Felsen, — dießseits die ungeheure Ebene Cölesyriens, an deren Saume die Ruinen des Sonnentempels uns nur durch ihr Erglänzen im Sonnenschein sichtbar waren. Dann stiegen wir hinsb und hinauf und wieder hinab, durch Schluchten und über Hügel, einen gräßlichen Weg, zu einem kleinen Haine, zu den berühmten Cedern des Libanon.
Auf dieser Seite tritt wieder die eigentliche zackige reine Felsenbildung hervor, deren Riesenstruktur diesem Gebirge den eigenthümlichen erhabenen Reiz verleiht.
Der berühmte Cedernhain liegt ungefähr fünf Viertelstunden von der Spitze des Libanon entfernt; er mag etwa fünf bis sechshundert Bäume zählen, darunter, aber einige zwanzig von sehr hohem Alter; fünf, die wirklich merkwürdig groß und schön sind, sollen noch aus Salamons Zeiten herstammen. Einer derselben hat über 35 Schuh im Umfange, theilt sich jedoch ungefähr fünf Schuh über der Erde in, vier Theile und bildet vier tüchtige Stämme.
Wir ruhten unter diesen ältesten bekannten Denkmälern des Pflanzenreiches über eine Stunde. Die untergehende Sonne mahnte zur Eile, da unsere Nachtstation noch anderthalb Stunden entfernt und das Reiten auf diesen fürchterlichen Wegen bei dunkler Nacht nicht rathsam war.
Hier theilte sich unsere Gesellschaft. Graf Zichy zog mit seiner Begleitung gegen Hama, wir übrigen gegen Tripoli. Nach einem herzlichen Abschiede ging die eine Karavane rechts, die andere links.
Nachdem wir kaum eine halbe Stunde unsern Weg verfolgt hatten, entfaltete sich links zu unsern Füßen eines der wundervollsten Thäler, die ich noch je sah; — hohe, ungeheure Felsenwände von den verschiedenartigsten und abenteuerlichsten Formen und Gestalten umfaßten diesen Zauberort von allen Seiten, im Vordergrund erhob sich ein gigantischer Fels, der oben abgeplattet, ein wunderschönes Dorf trug, aus dessen Mitte die Kirche schützend auf ihre Lieben sah. Plötzlich schallten Glockentöne durch die ruhige reine Luft zu uns herauf, — es war das erste Geläute, das ich in Syrien hörte. Welchen Eindruck dieser heimathliche rührende Klang auf mich machte, vermag ich nicht zu schildern. Überall verbietet die türkische Regierung das Geläute, nur hier auf den Bergen, unter den freien Maroniten, ist Alles frei. Glockentöne sind für Christen eine einfache, rührende Musik, die innig vereint mit den Gebräuchen unserer Religion, nie unbeachtet verhallen wird. Und hier, so weit von meinem Vaterlande, kamen sie mir vor wie Fäden des Bandes, das geheimnißvoll und unerklärt die Christen der ganzen Welt verbindet. Ich fühlte mich näher meinem heimischen Herde, meinen Lieben, die vielleicht im selben Augenblicke auf solche Töne hörten, und dabei der fernen Pilgerin gedachten. —
Einer der entsetzlichsten Wege führte uns in dieses Thal. Wir mußten einen bedeutenden Umweg um das liebliche Dorf Bscharai machen, denn es war verpestet und mithin für uns verschlossen. Auf der andern Seite des Dorfes schlugen wir an einem Flüßchen unser Nachtquartier auf. Die heutige Nacht litten wir sehr von Kälte und Feuchtigkeit.
Die Einwohner von Bscharai besuchten uns, um Backschisch zu fordern, und nur mit vieler Mühe, beinahe mit dem Stocke mußten wir sie zurückweisen, um der verhängnißvollen Berührung zu entgehen.
Die Bettelei ist im Oriente überall so gebräuchlich, daß wenn man nur Jemanden sieht, er auch schon die Hand nach einer Gabe ausstreckt. In jenen Gegenden, wo die Armuth von allen Seiten hervorblickt, ist das nicht so befremdend; wohl aber in diesen Thälern, wo die Natur alles beut, was der Mensch bedarf; wo ich die Leute gut gekleidet fand, wo ihre Häuser von Stein geräumig und nett aussehen; wo das Getreide, die Weinrebe, der Feigen- und Maulbeerbaum, ja sogar die treffliche Kartoffelpflanze, die in ganz Syrien wegen der Hitze und des steinigten Bodens nicht gedeiht, in Überfülle wachsen. Jedes Stückchen Erde ist so schön und zweckmäßig benützt und sorgfältig kultivirt, daß man sich unter Deutschlands fleißige Bauern versetzt wähnt, — und dennoch bettelt und stiehlt dieß freie Volk hier so gut, wie die Beduinen und Araber. Wir mußten auf alles genau Acht haben. Mir stahl man meine Reitgerte beinahe vor den Augen, und einem der Herren ward das Sacktuch aus der Tasche gezogen.
Der heutige Marsch war sehr anstrengend, wir ritten eilf Stunden meistens auf gräuligen Wegen. Die Nacht gewährte uns wenig Erholung, denn unsere Mäntel schützten uns zu wenig vor dem Froste.
8. Juli 1842.
Heute verließen wir um 6 Uhr Morgens unser kaltes, hartes Lager, und zogen wohlgemuth über zwei Stunden in diesem wildromantischen Thale fort, das fast bei jeder Wendung, bei jedem Schritte ein neues, wundervolles Bild darbietet. Oberhalb des Dorfes stürmt aus den mächtigen Gebirgen ein schäumender Bach, stürzt sich über die zackigen Felsenwände, bewässert das Thal, und verrinnt dann unbemerkt in den Krümmungen der Schluchten. Diesem gleich strömen von mehreren Felswänden, nur im verjüngten Maßstabe, Sturzbäche herab. Oben auf den Spitzen sieht man Kastelle und Thürme, Alles halb verfallen, aber mit Erstaunen gewahrt man bei näherer Prüfung, daß alle diese Ruinen nur Trugbilder sind, nachgeäfft von den wunderbaren Felsenkolossen, die hoch aufgeschichtet, die sonderbarsten Gestalten vorstellen. In der Tiefe reiht sich an der einen Seite oft Grotte an Grotte, manche mit halbverborgenem Eingange, manche mit riesenhaftem Portale, ober welchem sich wilde Felswände erheben; auf der andern Seite zieht sich stufenweise das herrlichste Erdreich, über Felsriffe bis in die Höhen, die dann grünend und liebreich einen gar schönen Anblick gewähren. Wäre ich ein Maler gewesen, von diesen Gegenden hätte man mich so bald nicht weggebracht.
Unterhalb des größern Wasserfalles führt eine schmale, steinerne Brücke, ohne Geländer, über eine tiefe Schlucht, durch welche der Strom dahin braust, an's jenseitige Ufer. Diese überschritten gelangt man in eine belebte Gegend, in der sich Häuser und Gärten an einander reihen. Nur standen diesmal viele Häuser verlassen, die Bewohner hatten sich auf die nahen Felder geflüchtet, und daselbst Laubhütten erbaut, um der Pest zu entgehen. Die Maroniten, die eigentlichen Bewohner dieses Gebirges sind starke Leute mit einem kräftigen Willen, die sich nicht leicht unter fremdes Joch beugen, sondern auf Leben und Tod ihre, von Natur aus befestigten Bergklüfte vertheidigen. Ihre Religion kommt der chrtstlichen am nächsten. Ihre Priester dürfen Heirathen. Die