Wie mangelhaft und primitiv diese Darstellung bei aller Genialität des Gedankens ist, werden wir im weiteren Verlaufe der Untersuchung sehen. Hier ist jedenfalls hervorzuheben, daß Quesnay an der Schwelle der wissenschaftlichen Nationalökonomie nicht den geringsten Zweifel an der Möglichkeit der Darstellung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und seiner Reproduktion hegte. Allein schon bei Adam Smith beginnt zugleich mit der tieferen Analyse der Kapitalverhältnisse auch die Verwirrung in den klaren und großen Zügen der physiokratischen Vorstellung. Smith warf die ganze Grundlage der wissenschaftlichen Darstellung des kapitalistischen Gesamtprozesses um, indem er jene falsche Preisanalyse aufgestellt hat, die seit ihm die bürgerliche Ökonomie lange Zeit beherrschte, nämlich die Theorie, wonach der Wert der Waren zwar die Menge der auf sie verausgabten Arbeit darstelle, zugleich aber der Preis sich nur aus den drei Komponenten Arbeitslohn, Kapitalprofit und Grundrente zusammensetze. Da dies offenbar sich auch auf die Gesamtheit der Waren, auf das nationale Produkt beziehen muß, so bekommen wir die verblüffende Entdeckung, daß der Wert der kapitalistisch hergestellten Waren in seiner Gesamtheit zwar alle bezahlten Löhne und Kapitalprofite nebst Rente, d.h. den gesamten Mehrwert repräsentiert, also auch ersetzen kann, daß aber dabei dem auf die Herstellung dieser Waren verwendeten konstanten Kapital gar kein Wertteil der Warenmasse entspricht. v + m, das ist nach Smith die Wertformel des kapitalistischen Gesamtprodukts. "Diese drei Teile", sagt Smith, seine Ansicht an dem Beispiel des Korns erläuternd (Arbeitslohn, Profit und Grundrente), "scheinen entweder unmittelbar oder in letzter Linie den ganzen Getreidepreis auszumachen. Man könnte vielleicht noch einen vierten Teil für notwendig halten, um die Abnutzung des Arbeitsviehs und der Wirtschaftsutensilien auszugleichen. Aber es muß beachtet werden, daß der Preis aller Wirtschaftsutensilien sich wieder aus denselben drei Teilen zusammensetzt; so wird der Preis eines Arbeitspferdes z.B. gebildet durch: 1 die Rente des Bodens, welcher es ernährt hat, 2. die auf seine Zucht verwendete Arbeit und 3. den Kapitalgewinn des Pächters, welcher sowohl die Bodenrente als die Arbeitslöhne vorgestreckt hat. Wenn also auch der Getreidepreis den Wert des Pferdes sowohl als dessen Ernährung enthält, so löst er sich doch mittelbar oder unmittelbar in die genannten drei Bestandteile: Bodenrente, Arbeit und Kapitalgewinn, auf." 5 Indem uns Smith, wie Marx sagt, auf diese Weise von Pontius zu Pilatus herumschickt, löst er das konstante Kapital immer wieder in v + m auf. Freilich hatte Smith gelegentliche Zweifel und Rückfälle in die entgegengesetzte Meinung. Im zweiten Buch sagt er: "Es ist im ersten Buche dargelegt worden, daß der Preis der meisten Waren in drei Teile zerfällt, von denen einer den Arbeitslohn, ein anderer den Kapitalgewinn und ein dritter die Bodenrente bezahlt, welche auf die Erzeugung der Ware und ihr Zumarktebringen verwendet wurden ... Da dies bei jeder einzelnen Ware besonders genommen der Fall ist, so muß dasselbe, wie ebenfalls bereits bemerkt, für sämtliche den ganzen Jahresertrag von Boden und Arbeit eines jeden Landes darstellende Waren im ganzen genommen ebenfalls gelten. Der gesamte Preis oder Tauschwert dieses Jahresertrages muß sich in dieselben drei Teile auflösen und unter die verschiedenen Einwohner des Landes entweder als Lohn ihrer Arbeit oder als Gewinn ihres Kapitals oder als Rente ihres Bodens verteilen." Hier stutzt nun Smith und erklärt unmittelbar weiter:
"Obgleich aber der Gesamtwert des genannten Jahresertrages derart unter die verschiedenen Landesbewohner sich verteilt und ein Einkommen für sie darstellt, müssen wir doch bei letzterem ebenso wie bei der Rente eines Privatgutes zwischen Brutto- und Nettorente unterscheiden."
"Die Bruttorente eines Privatgutes besteht aus dem, was der Pächter bezahlt, und die Nettorente aus dem, was dem Grundbesitzer nach Abzug der Verwaltungs-, Reparatur- und anderer Kosten übrigbleibt, oder aus dem, was er ohne Schädigung seines Gutes seinem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zuwenden, für Tafel, Haushalt, Zieraten an Wohnung und Hausgerät, Privatgenüsse und Zerstreuungen ausgeben kann. Sein wirklicher Reichtum steht im Verhältnis nicht zu seiner Brutto-, sondern zu seiner Nettorente."
"Das Bruttoeinkommen aller Bewohner eines großen Landes umfaßt den gesamten Jahresertrag ihres Bodens und ihrer Arbeit und ihr Nettoeinkommen das, was hiervon nach Abzug der Unterhaltungskosten zuerst ihres festliegenden und dann ihres umlaufenden Kapitals übrigbleibt, oder das, was sie ohne Beeinträchtigung ihres Kapitals ihrem für unmittelbaren Verbrauch vorbehaltenen Vermögen zuwenden, auf ihren Unterhalt, ihre Annehmlichkeiten und Genüsse ausgeben können. Ihr wirklicher Reichtum steht ebenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Brutto-, sondern zu ihrem Nettoeinkommen."6
Aber Smith führt hier einen dem konstanten Kapital entsprechenden Wertteil des Gesamtprodukts nur ein, um ihn im nächsten Augenblick wieder durch Auflösung in Löhne, Profite und Renten hinauszuführen. Und schließlich bleibt es bei seiner Erklärung:
" ... Ebenso wie Maschinen, Gewerbsgeräte usw., die das festliegende Kapital des einzelnen oder der Gemeinschaft ausmachen, weder einen Teil des Brutto- noch des Nettoeinkommens darstellen, ebenso bildet Geld, vermittels dessen das gesamte Gesellschaftseinkommen regelmäßig unter alle Gesellschaftsmitglieder verteilt wird, an sich keinen Bestandteil dieses Einkommens."7
Das konstante Kapital (das Smith fixes - in der schwerfälligen Loewenthalschen Übersetzung: festliegendes - nennt) wird also mit dem Geld auf eine Stufe gestellt und geht überhaupt in das Gesamtprodukt der Gesellschaft (ihr "Bruttoeinkommen") nicht ein, es existiert nicht als Wertteil des Gesamtprodukts!
Da selbst der König sein Recht verliert, wo nichts da ist, so kann offenbar aus der Zirkulation, aus dem gegenseitigen Austausch des so zusammengesetzten Gesamtprodukts auch nur die Realisierung der Löhne (v) und des Mehrwerts (m) erreicht, keineswegs aber das konstante Kapital ersetzt werden, und der Fortgang der Reproduktion erweist sich als unmöglich. Zwar wußte Smith ganz genau, und es fiel ihm nicht ein zu leugnen daß jeder einzelne Kapitalist außer einem Lohnfonds, d.h. variablem Kapital. zum Betrieb auch noch konstanten Kapitals bedarf. Allein für die Gesamtheit der kapitalistischen Produktion verschwand bei der obigen Preisanalyse der Waren das konstante Kapital auf rätselhafte Weise spurlos, und damit war das Problem der Reproduktion des Gesamtkapitals von Grund aus verfahren. Es ist klar, daß, wenn die elementarste Voraussetzung des Problems: die Darstellung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Schiffbruch gelitten hatte, daran auch die ganze Analyse scheitern mußte. Die irrtümliche Theorie von Ad. Smith übernahmen Ricardo, Say, Sismondi und andere, und sie stolperten alle bei der Betrachtung des Reproduktionsproblems über diese elementare Schwierigkeit: die Darstellung des Gesamtkapitals.
Eine andere Schwierigkeit vermengte sich mit der obigen gleich zu Beginn der wissenschaftlichen Analyse. Was ist Gesamtkapital der Gesellschaft? Bei dem einzelnen