Mehrwerterzeugung zerfällt das vom Kapitalisten vorgeschossene Kapital. ohne daß er es weiß und entgegen den Flausen, die er sich und der Welt über stehendes und umlaufendes Kapital vormacht, in einen Teil, der seine Auslagen für Produktionsmittel: Arbeitsräume, Roh- und Hilfsstoffe, Instrumente, darstellt, und einen anderen Teil, der in Arbeitslöhnen verausgabt wird. Den ersteren, der seine Wertgröße durch Gebrauch im Arbeitsprozeß unverändert auf das Produkt überträgt, nennt Marx den konstanten, den letzteren, der durch Aneignung unbezahlter Lohnarbeit zum Wertzuwachs, zur Erzeugung von Mehrwert führt, den variablen Kapitalteil. Von diesem Standpunkt entspricht die Wertzusammensetzung jeder kapitalistisch hergestellten Ware normalerweise der Formel c + v + m, wobei c den ausgelegten konstanten Kapitalwert, d.h. den auf die Ware übertragenen Wertteil der gebrauchten toten Produktionsmittel darstellt, v den ausgelegten variablen, d.h. in Löhnen verausgabten Kapitalteil bedeutet, endlich m den Mehrwert, d.h. den aus dem unbezahlten Teil der Lohnarbeit herrührenden Wertzuwachs repräsentiert. Alle drei Wertteile stecken zusammen in der konkreten Gestalt der hergestellten Ware - jedes einzelnen Exemplars wie der gesamten Warenmasse als Einheit betrachtet, ob es sich um Baumwollgewebe oder Ballettdarbietungen, gußeiserne Röhren oder liberale Zeitungen handelt. Die Herstellung der Waren ist nicht Zweck für den kapitalistischen Produzenten, sondern bloß Mittel zur Aneignung des Mehrwerts. Solange aber der Mehrwert in der Warengestalt steckt, ist er für den Kapitalisten unbrauchbar. Er muß, nachdem er hergestellt, realisiert, in seine reine Wertgestalt, d.h. in Geld, verwandelt werden. Damit dies geschieht und der Mehrwert in Geldgestalt vom Kapitalisten angeeignet wird, müssen auch seine gesamten Kapitalauslagen die Warenform abstreifen und in Geldform zu ihm zurückkehren. Erst wenn dies gelungen. wenn die gesamte Warenmasse also nach ihrem Wert gegen Geld veräußert ist, ist der Zweck der Produktion erreicht. Die Formel c + v + m bezieht sich dann genau so, wie früher auf die Wertzusammensetzung der Waren, jetzt auf die quantitative Zusammensetzung des aus dem Warenverkauf gelösten Geldes: Ein Teil davon (c) erstattet dem Kapitalisten seine Auslagen an verbrauchten Produktionsmitteln, ein anderer (v) seine Auslagen an Arbeitslöhnen. der letzte (m) bildet den erwarteten Überschuß, den "Reingewinn" des Kapitalisten in bar.
2 Diese Verwandlung des Kapitals aus ursprünglicher Gestalt, die den Ausgangspunkt jeder kapitalistischen Produktion darstellt, in tote und lebendige Produktionsmittel (d.h. Rohstoffe, Instrumente und Arbeitskraft), aus diesen durch lebendigen Arbeitsprozeß in Waren und endlich aus Waren durch den Austauschprozeß wieder in Geld, und zwar in mehr Geld als im Anfangsstadium, dieser Umschlag des Kapitals ist jedoch nicht nur zur Produktion und Aneignung von Mehrwert nötig. Zweck und treibendes Motiv der kapitalistischen Produktion ist nicht Mehrwert schlechthin, in beliebiger Menge, in einmaliger Aneignung, sondern Mehrwert schrankenlos, in unaufhörlichem Wachstum. in einer immer größeren Menge. Dies kann aber immer wieder nur durch dasselbe Zaubermittel: durch kapitalistische Produktion, d.h. durch Aneignung unbezahlter Lohnarbeit im Prozeß der Warenherstellung und durch Realisierung der so hergestellten Waren, erreicht werden. Produktion immer von neuem, Reproduktion als regelmäßige Erscheinung erhält damit in der kapitalistischen Gesellschaft ein ganz neues Motiv, das unter jeder anderen Produktionsform unbekannt ist. Unter jeder historisch bekannten Wirtschaftsweise sonst sind das bestimmende Moment der Reproduktion - die unaufhörlichen Konsumtionsbedürfnisse der Gesellschaft, mögen dies demokratisch bestimmte Konsumtionsbedürfnisse der Gesamtheit der Arbeitenden in einer agrarkommunistischen Markgenossenschaft sein oder despotisch bestimmte Bedürfnisse einer antagonistischen Klassengesellschaft, einer Sklavenwirtschaft, eines Fronhofs u.dgl. Bei der kapitalistischen Produktionsweise existiert für den einzelnen Privatproduzenten - und nur solche kommen hier in Betracht - die Rücksicht auf Konsumtionsbedürfnisse der Gesellschaft als Motiv zur Produktion gar nicht. Für ihn existiert nur die zahlungsfähige Nachfrage, und diese auch nur als ein unumgängliches Mittel zur Realisierung des Mehrwerts. Die Herstellung von Produkten für den Konsum, die das zahlungsfähige Bedürfnis der Gesellschaft befriedigen, ist deshalb zwar ein Gebot der Notwendigkeit für den Einzelkapitalisten, aber ebensosehr ein Umweg vom Standpunkte des eigentlichen Beweggrunds: der Aneignung des Mehrwerts. Und dieses Motiv ist es auch, das dazu treibt, immer wieder die Reproduktion aufzunehmen. Die Mehrwertproduktion ist es, die in der kapitalistischen Gesellschaft die Reproduktion der Lebensbedürfnisse im ganzen zum Perpetuum mobile macht. Die Reproduktion ihrerseits, deren Ausgangspunkt kapitalistisch immer wieder das Kapital, und zwar in seiner reinen Wertform, in Geldform, bildet, kann offenbar nur dann in Angriff genommen werden, wenn die Produkte der vorhergegangenen Periode, die Waren, in ihre Geldform verwandelt, realisiert worden sind. Als erste Bedingung der Reproduktion erscheint also für den kapitalistischen Produzenten die gelungene Realisierung der in der vorhergegangenen Produktionsperiode hergestellten Waren.
Jetzt gelangen wir zu einem zweiten wichtigen Umstand. Die Bestimmung des Umfangs der Reproduktion liegt - bei der privaten Wirtschaftsweise - im Belieben und Gutdünken des Einzelkapitalisten. Sein treibendes Motiv ist aber Mehrwertaneignung, und zwar möglichst rasch progressierende Mehrwertaneignung. Eine Beschleunigung in der Mehrwertaneignung ist jedoch nur möglich durch Erweiterung der kapitalistischen Produktion, die den Mehrwert schafft. Der Großbetrieb hat bei der Mehrwerterzeugung in jeder Hinsicht Vorteile gegenüber dem Kleinbetrieb. Die kapitalistische Produktionsweise erzeugt also nicht bloß ein ständiges Motiv zur Reproduktion überhaupt, sondern auch ein Motiv zur ständigen Erweiterung der Reproduktion, zur Wiederaufnahme der Produktion in größerem Umfang als bisher.
Nicht genug. Die kapitalistische Produktionsweise schafft nicht bloß im Mehrwerthunger des Kapitalisten die treibende Kraft zur rastlosen Erweiterung der Reproduktion, sondern sie verwandelt diese Erweiterung geradezu in ein Zwangsgesetz, in eine wirtschaftliche Existenzbedingung für den Einzelkapitalisten. Unter der Herrschaft der Konkurrenz besteht die wichtigste Waffe des Einzelkapitalisten im Kampf um den Platz auf dem Absatzmarkt in der Billigkeit der Waren. Alle dauernden Methoden zur Herabsetzung der Herstellungskosten der Waren - die nicht durch Herabdrückung der Löhne oder Verlängerung der Arbeitszeit eine Extrasteigerung des Mehrwerts erzielen und selbst auf mancherlei Hindernisse stoßen können - laufen aber auf eine Erweiterung der Produktion hinaus. Ob es sich um Ersparnisse an Baulichkeiten und Werkzeugen handelt oder um Anwendung leistungsfähigerer Produktionsmittel oder um weitgehende Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen oder um rapide Ausnutzung einer günstigen Marktkonjunktur zur Anschaffung billiger Rohstoffe - in allen Fällen hat der Großbetrieb Vorteile vor dem Klein- und Mittelbetrieb.
Diese Vorteile wachsen in sehr weiten Grenzen zusammen mit der Ausdehnung des Betriebes. Die Konkurrenz selbst zwingt deshalb jede Vergrößerung eines Teils der kapitalistischen Betriebe den anderen als Existenzbedingung auf. So ergibt sich eine unaufhörliche Tendenz zur Ausdehnung der Reproduktion, die sich unaufhörlich mechanisch, wellenartig über die ganze Oberfläche der Privatproduktion verbreitet.
Für den Einzelkapitalisten äußert sich die Erweiterung der Reproduktion darin, daß er einen Teil des angeeigneten Mehrwerts zum Kapital schlägt, akkumuliert. Akkumulation, Verwandlung des Mehrwerts in tätiges Kapital, ist der kapitalistische Ausdruck der erweiterten Reproduktion.
Die erweiterte Reproduktion ist keine Erfindung des Kapitals. Sie bildet vielmehr seit jeher die Regel in jeder historischen Gesellschaftsform, die wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt aufweist. Die einfache Reproduktion - die bloße ständige Wiederholung des Produktionsprozesses im früheren Umfang - ist zwar möglich und kann auf langen Zeitstrecken der gesellschaftlichen Entwicklung beobachtet werden. So z.B. in den uraltertümlichen agrarkommunistischen Dorfgemeinden, in denen der Zuwachs der Bevölkerung nicht durch eine allmähliche Erweiterung der Produktion, sondern durch periodische Ausscheidung des Nachwuchses und Gründung von ebenso winzigen, sich selbst genügenden Filialgemeinden berücksichtigt wird. Ebenso bieten die alten kleinen Handwerksbetriebe in Indien oder China das Beispiel einer von Generation auf Generation vererbten traditionellen Wiederholung der Produktion in denselben Formen und demselben Umfang. Doch ist in allen solchen Fällen die einfache Reproduktion Grundlage und sicheres Zeichen des allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Stillstands. Alle entscheidenden Produktionsfortschritte und Kulturdenkmäler, wie die großen Wasserwerke des Orients, die ägyptischen Pyramiden, die römischen Heerstraßen, die griechischen Künste und Wissenschaften, die Entwicklung des Handwerks und der Städte im Mittelalter, wären unmöglich ohne erweiterte Reproduktion, denn nur eine stufenweise