So spielt die kapitalistische Reproduktion wie die Produktion fortwährend zwischen der Produktionsstätte und dem Warenmarkt, zwischen dem Privatkontor und Fabrikraum, zu denen "Unbefugten der Zutritt streng verboten" und wo des Einzelkapitalisten souveräner Wille höchstes Gesetz ist, und dem Warenmarkt, dem niemand Gesetze vorschreibt und wo kein Wille und keine Vernunft sich geltend machen. Aber gerade in der Willkür und Anarchie, die auf dem Warenmarkt herrschen, macht sich dem Einzelkapitalisten seine Abhängigkeit von der Gesellschaft, von der Gesamtheit der produzierenden und konsumierenden Einzelglieder fühlbar. Zur Erweiterung seiner Reproduktion braucht er zuschüssige Produktionsmittel und Arbeitskräfte nebst Lebensmitteln für diese, aber das Vorhandensein solcher hängt von Momenten, Umständen, Vorgängen ab, die hinter seinem Rücken, ganz unabhängig von ihm sich vollziehen. Um seine vergrößerte Produktenmasse realisieren zu können, braucht er einen erweiterten Absatzmarkt, aber die tatsächliche Erweiterung der Nachfrage im allgemeinen wie insbesondere nach seiner Warengattung ist eine Sache, der gegenüber er völlig machtlos ist.
Die aufgezählten Bedingungen, die alle den immanenten Widerspruch zwischen privater Produktion und Konsumtion und gesellschaftlichem Zusammenhang beider zum Ausdruck bringen, sind keine neuen Momente, die erst bei der Reproduktion auftreten. Es sind die allgemeinen Widersprüche der kapitalistischen Produktion. Sie bieten sich jedoch als besondere Schwierigkeiten des Reproduktionsprozesses dar, und zwar aus folgenden Gründen: Unter dem Gesichtswinkel der Reproduktion, namentlich der erweiterten Reproduktion, erscheint die kapitalistische Produktionsweise nicht bloß in ihren allgemeinen Grundcharakteren, sondern auch in einem bestimmten Bewegungsrhythmus als ein Prozeß in seinem Fortgang, wobei das spezifische Ineinandergreifen der einzelnen Zahnräder seiner Produktionsperioden zum Vorschein kommt. Unter diesem Gesichtswinkel lautet also die Frage nicht in ihrer Allgemeinheit: Wie vermag jeder Einzelkapitalist die Produktionsmittel und Arbeitskräfte vorzufinden, die er braucht, und die Waren auf dem Markt abzusetzen, die er hat produzieren lassen, obwohl es gar keine gesellschaftliche Kontrolle und Planmäßigkeit gibt, die Produktion und Nachfrage miteinander in Einklang bringen würde. Die Antwort auf diese Frage lautet: Einerseits sorgen der Drang der Einzelkapitale nach Mehrwert und die Konkurrenz unter ihnen wie auch die automatischen Wirkungen der kapitalistischen Ausbeutung und der kapitalistischen Konkurrenz dafür, daß sowohl jegliche Waren, also auch Produktionsmittel hergestellt werden wie daß eine wachsende Klasse proletarisierter Arbeiter im allgemeinen zur Verfügung des Kapitals stehen. Andererseits äußert sich die Planlosigkeit dieser Zusammenhänge darin, daß das Klappen von Nachfrage und Angebot auf allen Gebieten nur durch ständige Abweichungen von ihrer Übereinstimmung, durch Preisschwankungen stündlich und durch Konjunkturschwankungen und Krisen periodisch, durchgesetzt wird.
Unter dem Gesichtswinkel der Reproduktion lautet die Frage anders: Wie ist es möglich, daß die planlos vor sich gehende Versorgung des Marktes mit Produktionsmitteln und Arbeitskräften wie die planlos und unberechenbar sich verändernden Absatzbedingungen dem Einzelkapitalisten die jeweilig seinen Akkumulationsbedürfnissen entsprechenden, also in einem bestimmten Quantitätsverhältnis wachsenden Mengen und Gattungen Produktionsmittel, Arbeitskräfte und Absatzmöglichkeiten sichern? Fassen wir die Sache präziser. Der Kapitalist produziere nach der uns bekannten Formel in folgendem Verhältnis: 40 c + 10 v + 10 m, wobei das konstante Kapital viermal so groß wie das variable, die Ausbeutungsrate 100 Prozent sei. Die Warenmasse wird alsdann einen Wert von 60 darstellen. Nehmen wir an, der Kapitalist sei in der Lage, die Hälfte seines Mehrwertes zu kapitalisieren, und schlage sie zum alten Kapital nach derselben Zusammensetzung des Kapitals. Die nächste Produktionsperiode würde dann in der Formel zum Ausdruck kommen 44 c + 11 v + 11 m = 66. Nehmen wir an, daß der Kapitalist auch weiter in der Lage ist, die Hälfte seines Mehrwertes zu kapitalisieren und so jedes Jahr. Damit er dies bewerkstelligen kann, ist erforderlich, daß er nicht bloß überhaupt, sondern in der bestimmten Progression Produktionsmittel, Arbeitskräfte und Absatzgebiet vorfindet, die seinem Akkumulationsfortschritt entsprechen.
Zweites Kapitel.
Die Analyse des Reproduktionsprozesses bei Quesnay und bei Adam Smith
Bis jetzt haben wir die Reproduktion vom Standpunkt des Einzelkapitalisten betrachtet, der typischer Vertreter, Agent der Reproduktion ist, die ja durch lauter einzelne privatkapitalistische Unternehmungen ins Werk gesetzt wird. Diese Betrachtung hat uns schon genug Schwierigkeiten des Problems gezeigt. Die Schwierigkeiten wachsen aber und verwickeln sich außerordentlich, sobald wir uns von der Betrachtung des Einzelkapitalisten zur Gesamtheit der Kapitalisten wenden.
Schon ein oberflächlicher Blick zeigt, daß die kapitalistische Reproduktion als gesellschaftliches Ganzes nicht einfach als die mechanische Summe der einzelnen privatkapitalistischen Reproduktionen aufgefaßt werden darf. Wir haben z.B. gesehen, daß eine der Grundvoraussetzungen für die erweiterte Reproduktion des Einzelkapitalisten eine entsprechende Erweiterung seiner Absatzmöglichkeit auf dem Warenmarkt ist. Nun mag diese Erweiterung dem einzelnen Kapitalisten nicht durch absolute Ausdehnung der Absatzschranken im ganzen, sondern durch Konkurrenzkampf auf Kosten anderer Einzelkapitalisten gelingen, so daß dem einen zugute kommt, was ein anderer oder mehrere andere vom Markt verdrängte Kapitalisten als Verlust buchen. Dieser Vorgang wird dem einen Kapitalisten an erweiterter Reproduktion einbringen, was er anderen als Defizit in der Reproduktion aufzwingt. Der eine Kapitalist wird erweiterte Reproduktion, andere werden nicht einmal die einfache bewerkstelligen können, und die kapitalistische Gesellschaft im ganzen wird nur eine lokale Verschiebung. nicht aber eine quantitative Veränderung in der Reproduktion verzeichnen. Ebenso kann die erweiterte Reproduktion des einen Kapitalisten mit Produktionsmitteln und Arbeitskräften ins Werk gesetzt werden, die durch den Bankrott, also gänzliches oder teilweises Aufgeben der Reproduktion bei anderen Kapitalisten, freigesetzt worden sind.
Diese alltäglichen Vorgänge beweisen, daß die Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals etwas anderes ist als die ins unermeßliche gesteigerte Reproduktion des Einzelkapitalisten, daß sich die Reproduktionsvorgänge der einzelnen Kapitale vielmehr unaufhörlich kreuzen und in ihrer Wirkung jeden Moment gegenseitig in größerem oder geringerem Grade aufheben können. Bevor wir also den Mechanismus und die Gesetze der kapitalistischen Gesamtreproduktion untersuchen, ist es notwendig, die Frage zu stellen, was wir uns denn unter der Reproduktion des Gesamtkapitals vorstellen sollen und ob es überhaupt möglich ist, aus dem Wust der zahllosen Bewegungen der Einzelkapitale, die sich alle Augenblicke nach unkontrollierbaren und unberechenbaren Regeln verändern und teils parallel nebeneinander verlaufen, sich teils kreuzen und aufheben, so etwas wie eine Gesamtreproduktion zu konstruieren. Gibt es denn überhaupt ein Gesamtkapital der Gesellschaft, und was stellt dieser Begriff allenfalls in der realen Wirklichkeit dar? Das ist die erste Frage, die sich die wissenschaftliche Erforschung der Reproduktionsgesetze stellen muß. Der Vater der Physiokratenschule, Quesnay, der mit der klassischen Unerschrockenheit und Einfachheit in der ersten Morgenröte der Nationalökonomie wie der bürgerlichen Wirtschaftsordnung an das Problem herantrat, nahm die Existenz des Gesamtkapitals als einer realen agierenden Größe ohne weiteres als selbstverständlich an. Sein berühmtes und von niemand bis Marx enträtseltes "Tableau économique" stellt in wenigen Zahlen die Reproduktionsbewegung des Gesamtkapitals dar, bei der Quesnay zugleich berücksichtigt, daß sie unter der Form des Warenaustausches, d.h. zugleich als Zirkulationsprozeß aufgefaßt werden muß. "Quesnays Tableau économique zeigt in wenigen großen Zügen, wie ein dem Werte nach bestimmtes Jahresergebnis der nationalen Produktion sich so durch die Zirkulation verteilt, daß ... dessen einfache Reproduktion vorgehn kann ... Die zahllosen individuellen Zirkulationsakte sind sofort zusammengefaßt in ihrer charakteristisch-gesellschaftlichen Massenbewegung - der Zirkulation zwischen großen, funktionell bestimmten ökonomischen Gesellschaftsklassen."3
Bei Quesnay besteht die Gesellschaft aus drei Klassen: der produktiven, d.h. aus Landwirten; der sterilen, die alle außerhalb der Landwirtschaft Tätigen umfaßt: Industrie, Handel, liberale