Werde auch immer daran denken, wenn ich mit ihm zu den Antillen fahre … Uhlenkort-Welle, Glückauf!«
»Danke dir, Klaus, auf Wiedersehen! Wäre möglich, daß wir uns bald wiedersehen.«
Tredrup wollte fragen, da schritt Uhlenkort schon die Stufen hinunter.
Noch brannte die Sonne auf das Atoll. Ein Pfiff gellte über die Lagune, rief die Besatzung zur Mahlzeit. In dem Höhleneingang erschien die Gestalt Christies.
Ihr Notruf, in den Tagen stets um die Mittagszeit gerufen, blieb erfolglos. Andere Stunden, bei Tag, bei Nacht, soweit es anging, hatte sie benutzt, erfolglos. Die Sendeenergie zu schwach? Nicht anders konnte sie es sich erklären. Die vierte Nachmittagsstunde. Ein letzter Versuch. Sie blickte auf die Armbanduhr. Halb vier. Zu früh! Sie wandte sich zu dem schmalen Pfad, der zum Rand der Klippen führte, schritt ihn empor.
Ihr Blick flog über die weite wüste Wasserfläche. Kein Schiff, so weit ihr Auge schaute. Hier, abseits von allem Verkehr … nur ein Schiff, das der Sturm verschlagen, konnte hier vorüberkommen. Und wenn es käme? Und wenn es glückte, sich ihm durch Winken bemerkbar zu machen? Es bestand keine Möglichkeit, die Insel zu betreten. Nach allen Seiten reckten sich die Korallenriffe steil, unbesteigbar in die Höhe.
Aber die Seeräuber? Wie kamen die an Land, in die Lagune? Mit eigenen Augen hatte sie das U-Boot der Räuber mitten aus der Lagune auftauchen sehen, wieder Niedertauchen zu neuer Fahrt. Irgendwo in dem Korallenkranz des Atolls mußte eine unterseeische Durchfahrt sein.
Aber wo?
Wo war diese? Wie oft hatte sie zur Nachtzeit in der Lagune gebadet, war als geübte Taucherin unter Wasser an den Wänden entlanggeglitten.
Nie hatte sie den unterirdischen Paß gefunden. Und hätte sie ihn erfunden, was hätte es ihr geholfen? Draußen um den Kranz eine wilde Brandung, dahinter die unermeßliche Ode des Ozeans. Sie schritt zurück, mutlos, niedergedrückt. Kaum noch ertrugen ihre Nerven dieses qualvolle Warten. Einmal mußte sie hier wegkommen, weggeführt werden von dem, der sie raubte. Woandershin, wo die Gelegenheit zur Flucht vielleicht günstiger wäre.
Sie kam zur Hängematte, legte sich hinein, das kleine Mikrofon im Taschentuch. Sprach mutlos, hoffnungslos den ewigen Notruf. Und dann! Ihr Körper schnellte empor.
»Hier Uhlenkort«, die Antwort. Atemlos sank sie zurück, suchte nach Worten. Eine fremde Stimme rief ihr Antwort. Die Laute klangen verwirrt. Kaum, daß sie den Sinn verstand. »Weitersprechen! Peilen.
Gut Freund hier.«
Sie preßte die Hand aufs Herz. Der unverhoffte Erfolg verwirrte, betäubte sie.
»Weitersprechen!« Immer wieder klang die Weisung an ihr Ohr.
»Weitersprechen, damit ich peilen kann.« Sie raffte sich zusammen.
Alles, was sie in langer Beobachtung festgestellt, sprachen ihre Lippen in das Mikrofon. Sie sprach, sprach weiter, immer wieder ermutigt durch die Antwort von da drüben: »Gut! Gut! Weitersprechen.« Sie merkte es nicht, daß ihre Stimme lauter und lauter wurde, daß sie, in der Erregung alles vergessend, die Worte, die sie sprechen wollte, schrie.
Merkte es nicht, daß der Offizier der Besatzung am anderen Ufer der Lagune aufmerksam wurde durch den Schall, der sich dort an den Wänden brach … Daß er um das Wasser herum schritt … auf sie zu. Der weiche Sand dämpfte seine Schritte. Die Hand, die Taschentuch und Mikrofon hielt, plötzlich wurde sie ihr vom Mund gerissen.
»Was tun Sie, Miss Harlessen? Ah! Ein Mikrofon? Sie sprechen?! Ein Funksender in Ihrer Hand!«
Zwei Hände umklammerten ihre Arme, rissen sie aus der Matte.
»Zurück zur Höhle! Sofort!«
Mit bebenden Gliedern stand sie vor ihm. Eine Waffe! Hätte sie nur eine Waffe! Der Offizier deutete zur Höhle.
»Gehen Sie sofort nach oben!«
Einen Augenblick stand Christie, schaute ihn an. Seit dem Tage, an dem das U-Boot mit seiner Besatzung abgefahren war, hatte dieser Mann sie verfolgt, mit Blicken, mit Worten. Sie hatte darüber gelacht.
Jetzt? Sollte sie die Gelegenheit ergreifen? Sich ihm gefügig zeigen, ihn auf ihre Seite bringen?
Sie sah ihn an, wie seine lüsternen Blicke über sie glitten, sah die Wünsche in seinen Augen. Sie wandte sich ab und ging nach oben, blickte vom Eingang der Höhle noch einmal zurück. Sah, wie jener am Fuß der Palme suchte, den Kontakt fand, zu ihr hinaufwinkte, drohte.
Sie warf sich auf ihr Bett, suchte vergeblich ihre Erregung zu meistern.
Nach drei Tagen Ungewißheit vernahm sie Schritte auf dem steinigen Pfad zur Höhle. Der Offizier! Ihr Wächter! Sie sprang auf.
»Fein ausgeklügelt, mein Fräulein. Bewundere Ihren Scharfsinn, Ihre Klugheit. Nehme an, daß es nicht zum ersten Mal war. Die Siesta in der Mittagsglut in der Hängematte, schon längst hatte ich Verdacht. Jetzt weiß ich’s. Das Spiel trieben Sie schon seit vielen Tagen. Trieben es vergeblich, mein teures Fräulein. Keiner hörte Sie. Kein Retter wird kommen, Sie befreien …«
Seine Augen weideten sich an Christies Bestürzung. Röte und Blässe wechselten auf ihren Zügen.
»Miss Harlessen!« Er trat auf sie zu, ganz nahe. Seine Stimme sank zum Flüstern herab. »Nur der eine Weg, Miss Harlessen, der Weg an meiner Seite im Flugzeug führt in die Freiheit. Zum letzten Male heute sag’ ich es Ihnen. Seien Sie mein … folgen Sie mir! In einem unserer Reserveflugzeuge bringe ich Sie fort von hier. Zu einem Ort, wo niemand Sie … uns findet. Auch er nicht, der hinter allem steckt, der Sie hierher bringen ließ. Wollen Sie?«
Er war dicht an sie herangetreten. Sein heißer Atem streifte ihr Gesicht. Er hielt ihr die Hand entgegen.
»Schlagen Sie ein. Noch heute Nacht verlassen wir die Insel.«
Christie verstand. Ein Weg? Ein Weg zur Freiheit? Vielleicht, daß sie ihm später entging. Er mochte ihr Zaudern anders ausgelegt haben. Sie fühlte sich plötzlich von seinen Armen umschlungen. Er riß sie an sich.
Jähes Entsetzen befiel sie. Mit voller Gewalt schlug sie die geballten Fäuste in sein Gesicht, daß er zurücktaumelte.
Ehe er sich wiedergefunden, war sie an ihm vorbeigeeilt, den steilen Hang zur Klippe empor, hinter sich den keuchenden Atem des Verfolgers. Auf der äußersten Spitze der Klippe machte sie halt, halb über den Abgrund geneigt.
»Keinen Schritt weiter! Oder …«
Der Offizier blieb stehen. Sah sie bereit, sich in die Tiefe hinabzustürzen, die sie zerschmettern mußte. Er taumelte zurück.
Wehe dem, der ihr zu nahe tritt! Die Warnung des Kommandanten vor der Abfahrt. Einen Augenblick stand er stumm. Dann wandte er sich ab.
Christie hörte die Schritte verklingen. Noch zauderte sie. Warum nicht den Sturz in die Tiefe? Die einzige Rettung blieb es. Der Offizier würde Alarm geben. Man würde sie von hier nach einem anderen Versteck schleppen, wo alle Rettung unmöglich war. Die Rechte, die sich an die Felsenkante klammerte, ließ los. Die Sinne schwanden ihr.
Da! Eine Stimme rief ihr zu: »Halt, Christie Harlessen! Halt, Rettung ist nahe!«
Sie riß sich empor, starrte um sich. Wo kam sie her, die Stimme? War es Sinnestäuschung? Der Ruf, ganz deutlich war er an ihr Ohr geklungen.
Ihre Hand griff fest um die Felsenkante. Sie zog sich vom Abgrund zurück, stand wieder auf festem Boden.
»Walter Uhlenkort!« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und sank in die Knie. »Walter Uhlenkort!«
Guy Rouse trat durch das Vestibül seines Palastes. Es war gefüllt von Menschen, die ihn begrüßen – beglückwünschen wollten, vom Minister bis zum kleinen Abgeordneten. Das Auge Rouses flog über sie hinweg.
Er mußte sich beherrschen, um nicht laut herauszulachen. Zu jedem trat er heran, drückte