»Sie! Sie, mein lieber Miller!«
»Ich? Ich … Wollen Sie mir die fünftausend Dollar geben, die ich für diese Reise brauchte?«
»No, lieber Miller. Selbst wenn ich sie hätte …«
Miller wandte dem Sprecher sein Gesicht zu. Eine Art Lächeln verzerrte es zu einer Grimasse.
»Wenn Sie sie hätten, Teddington, dann würden Sie sich wahrscheinlich die schöne Villa am Ohio River kaufen, auf die Sie schon …«
Die Windmühlenflügel schlugen klatschend auf die langen Schenkel.
»Knock out, Miller! Gut gegeben! Haha …« Er lachte aus vollem Halse, wobei seine lange Gestalt sich in grotesken Windungen krümmte.
»Villa und Europareise … all gone away … in die Ewigkeit!«
»Sie lachen, Teddington. Ich weiß nicht, was da zu lachen ist. Und dieser Affront! Anders kann ich’s nicht bezeichnen.«
»Affront … Gut gesagt, Miller!«
Von neuem lachte Teddington auf.
»Sie scheinen heute Ihren heiteren Tag zu haben, Teddington.« Er nahm ein Glas Wasser und nippte daran.
»Gewiß ist es ein Affront, wenn …«
Er machte eine Pause, als suche er nach Worten, um den Satz zu vollenden.
»Sagen Sie nur, Mr. Miller«, seine Stimme dämpfte sich etwas, »es ist ein Affront, wenn man tagelang von morgens bis abends den Geldbriefträger Guy Rouse erwartet … und er kommt nicht.«
»Er kommt nicht«, echote Miller. »Er glaubt, uns nicht mehr nötig zu haben.«
»Glaubt er nicht? Und ich glaubte niemals fester auf den Geldbriefträger Rouse rechnen zu können als vor dieser Abstimmung über seine Kanalpläne. Weiß der Teufel!«
Eine untersetzte, massige Gestalt stand plötzlich neben ihnen.
Überrascht sahen sie auf. Dann freudiges Erkennen. Zwei Hände streckten sich dem Neuen entgegen.
»Ah! In unsere Mitte, Mr. Struck!« kommandierte Teddington. »Texas mitten unter uns! Trotz der schlechten Zeiten noch dicker geworden!«
»Und Sie noch länger!« erwiderte der Dicke und ließ sich grinsend auf einen Stuhl nieder.
Der eigene Witz schien ihm großes Vergnügen zu machen. Sein stiermassiges Lachen schulterte durch den Raum. Er hielt inne, als er den ostentativ musternden Blick Teddingtons fühlte.
»Was haben Sie denn? … Was bemerken Sie an mir?«
»Ich bemerke, daß Ihnen zu fehlen scheint, was ich eben suchte.«
»Was?« Der Texasmann starrte ihn mit verständnislosen Blicken an.
»Was?«
»Was? Nun! Mehreres. Zum ersten die silbernen Pferdesporen, zum zweiten das herrliche Mexikanerkostüm einschließlich des echten Sombreros – alles in allem: ich vermisse den Don Jose Struckio de la Grande Hacienda!«
Die Faust des Dicken fuhr auf den Tisch, daß die Gläser wackelten.
»Verdammt! Der Schuft … Der Betrüger!«
»Betrüger! Affront!« lachte Teddington. »Eins schöner wie’s andere, ein frecher Betrüger, Gentlemen, nicht wahr?« Wie ein Wiehern klang sein Lachen.
»Wer zuletzt lacht, lacht am besten«, stieß der gallsüchtige Mann aus Illinois heraus. »Wir werden ihm heute die Quittung geben. Er soll’s bereuen!«
»Er soll’s! Nieder mit Rouse, dem ausgebliebenen Geldbriefträger!«
Teddington ergriff sein Glas und goß es in einem Zug hinunter. Die Glocke unterbrach ihr Gespräch. Sie rief die Kongreßmitglieder in den Saal.
»Meine Herren!« Die Stimme des Sprechers schallte durch den Raum.
»Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung umfaßt die folgenden drei Punkte:
Erstens einen Antrag Australiens auf gemeinsam zu treffende Maßnahmen gegen das überhand nehmende Seeräuberunwesen.
Zweitens einen Antrag Europas auf etappenweise Sprengung des neuen Panamakanals und drittens einen Antrag Südafrikas betreffend amerikanische Kriegslieferungen an den Kaiser Augustus.
Wir schreiten zur Behandlung des ersten Punktes. Ich bitte den Herrn Staatssekretär der Marine, seine Ausführungen zu dem Antrag der Australischen Union zu machen.«
Der Staatssekretär erhob sich und sprach:
»Meine Herren! Der Antrag Australiens verdient die größte Aufmerksamkeit von unserer Seite. Im Verlauf der letzten Seekriege wurden von verschiedenen der beteiligten Mächte in höchster Not Kaperbriefe ausgestellt. Es wurden also Privatpersonen, die im Besitze von U-Booten waren, durch einen solchen Brief zu Teilen der legitimen bewaffneten Macht zur See gestempelt. Die Erfolge dieser Maßnahmen waren teilweise sehr groß. Einige Welthandelsflotten wurden stark dezimiert.
Verhältnisse ganz ähnlicher Art zeigten übrigens schon die Kriege am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts. Und wiederum entwickelte sich ebenso wie damals aus dem gesetzlichen Kapertum ein ungesetzliches Seeräubertum. Nur mit dem kleinen Unterschied gegen damals, daß die modernen Piraten sich ausschließlich der U-Boote bedienen. Das Unwesen hat leider mit der Zeit immer mehr überhand genommen.
Auch Bürger der Vereinigten Staaten sind oft genug in beklagenswerter Weise in Mitleidenschaft gezogen worden.
Die einzelnen Staaten haben schon seit langem versucht, dem Unwesen zu steuern. Aber ein durchschlagender Erfolg war den bisherigen Bemühungen versagt. Der Antrag Australiens zielt dahin, eine große gemeinsame Aktion aller Beteiligten zu veranlassen. Man denkt, durch ein kombiniertes Vorgehen von Luft- und Seestreitkräften die Piraten bis in ihre letzten Schlupfwinkel zu verfolgen, aufzureiben und dem ganzen Unwesen ein Ende zu bereiten. Die Erledigung der Vorfragen dürfte jedoch nicht ganz einfach sein. Denken Sie nur an die prozentuale Beteiligung der einzelnen Staaten, die Kommandantenfrage, die Finanzierung, und Sie werden die Schwierigkeiten erkennen. Diese Präliminarien dürften am besten in einem Parlamentsausschuß erledigt werden, dessen Bildung ich anrege.«
Der Vorschlag des Staatssekretärs fand allgemeine Billigung. Der Sprecher hatte das Wort.
»Meine Herren! Den zweiten Punkt unserer Tagesordnung bildet der bekannte Beschluß des Berner Parlaments. Die Gründe, die Europa zu diesem Schritt bewogen haben, dürften Ihnen allen durch die Presse genügend bekannt sein. Ich eröffne die Diskussion über diese Frage.«
Zwei Stunden lang wechselten sich die Redner auf der Tribüne ab, die für und wider den europäischen Antrag sprachen. Der laute Beifall, der den Reden »Dafür« folgte, sie bei jedem Schlagwort von Humanität, christlicher Nächstenliebe und Menschentum unterbrach, verriet die Stimmung des Hauses schon jetzt zur Genüge. Als letzter sprach Wilkinson, Florida. Seine Rede gipfelte in einem überaus scharfen Angriff auf die Canal Company und ihren Leiter. Aufmerksam folgten die Kongreßmitglieder seinen Ausführungen. Als er die möglichen Folgen einer Ablenkung des Golfstroms für Florida ausmalte, stieg das Interesse noch höher.
»… Kann das amerikanische Volk die Verantwortung tragen, daß blühende, dicht bevölkerte Teile Europas in Eiswüsten verwandelt werden? Daß Armut, Not und Elend Millionen an den Bettelstab bringen, in den Tod jagen … und alles, um dieser Kanalgesellschaft ein paar Milliarden zu ersparen, dieser Gesellschaft, deren Geschäftspraktiken sowieso schon genügend anrüchig sind? Mögen auch die Befürchtungen übertrieben sein. Schon die Möglichkeit muß genügen, um unseren Beschlüssen die Richtung zu geben. Entschlössen wir uns anders, träte das Gefürchtete ein, so wäre das ein schwarzes Blatt in der glorreichen Geschichte Amerikas. Auf Generationen hinaus wäre jede Regierung unseres Landes in den Augen der Welt verächtlich gemacht.
Denken Sie, meine Herren, wie unsere Väter stets für