Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
Скачать книгу
so, verwies der Junker. Ich glaubte, daß ich auf Eure Freundschaft rechnen dürfte – deshalb berief ich Euch. Ich habe nun die Sorge für Haus und Hof und muß doch noch in dieser Stunde fort. Das Ordensheer ist aufs Haupt geschlagen – nach aller Wahrscheinlichkeit wird König Jagello mit seinen siegreichen Scharen das Land überschwemmen und die Burgen angreifen. Buchwalde ist in Gefahr. Von der Verteidigung des alten Hauses kann nicht die Rede sein; aber die fahrende Habe läßt sich retten. Es ist hier niemand, dem ich so viel Vertrauen schenke als Euch. Wollt Ihr mir helfen, so setze ich Euch über alle meine Leute und gebe ihnen Befehl, Euch in allem gehorsam zu sein wie dem Gutsherrn selbst. Ihr kennt die Schlupfwinkel in den Wäldern am Melno-See. Schafft von unseren Vorräten, soviel Ihr für gut haltet, in den Heidenwall, versteckt dort unsere beweglichen Wirtschaftssachen, Wagen, Pflüge, Eggen und was sich sonst fortbringen läßt. Pferde und Vieh treibt in die Wälder. Der Feind mag dann die leeren Ställe und Speicher finden. Wollt Ihr das für mich tun?

      Gundrat besann sich. Ich stehe nicht gern im Herrendienst, sagte er dann mürrisch, weiß auch auf solchem Hof schlecht Bescheid. Ihr habt Eure Kämmerer und Hofmannen, übertragt's denen. Im Walde will ich ihnen die sicheren Stellen anzeigen, aber die Verantwortlichkeit für Euer Hab und Gut kann ich nicht übernehmen.

      Das sollt Ihr auch nicht, versicherte der Junker, das vermag in so unsicherer Zeit niemand. Aber es ist ein Unterschied, ob die Leute sich selbst überlassen sind, oder ob sie unter Aufsicht eines Mannes stehen, den sie als streng und gerecht kennen. Ich weiß, daß Ihr am liebsten wie ein Einsiedler lebt. Aber die Dinge haben nun einmal einen solchen Verlauf genommen, daß wir alle tun und meiden müssen, was uns nicht gefällt. Darum handelt freundschaftlich an mir und tretet hier an meine Stelle, bis ich selbst mich wieder des Meinigen annehmen kann. Ich will's Euch danken.

      In des Teufels Namen denn! rief der Alte. Aber wenn's blutige Köpfe gibt, so nehmt mich deshalb nicht ins Gericht. Ich bin heftiger Art und schlage rasch zu, wenn man nicht aufs Wort hört. Sagt das den Leuten im voraus.

      Ich werde ihnen vorstellen, wie ihre eigene Sicherheit davon abhängt, daß sie Euch in allem gehorchen, entgegnete der junge Gutsherr. Ist aber einer unverständig, den bringt zur Ordnung, wie im Kriege der Hauptmann einen aufrüherischen Gesellen zur Ordnung bringt – es soll Euer Recht sein, und ich will Euch vertreten bei dem Komtur. Jetzt aber folgt mir. Ich habe noch etwas Geheimes auf dem Herzen, das ich nur Eurer Treue anvertrauen kann und wovon niemand sonst wissen darf.

      Er führte ihn nach dem alten Hause und die Treppe im Turm hinauf. Zum erstenmal betrete ich dieses Gemach, sagte er, das Schloß öffnend. Es bewahrt die Heimlichkeiten der Eidechsen.

      Die dicken Mauern umschlossen nur einen engen Raum, den schmale, mit Holzladen versetzte Fenster mäßig erhellten. Darüber wölbte sich eine Decke, in deren Schlußstein eine Eidechse eingemeißelt war. Auf dem mit Steinfliesen belegten Fußboden stand in der Mitte ein runder Tisch, umgeben von einfachen Holzstühlen. Zwei Schwerter lagen darauf, über einem Kruzifix gekreuzt. Unter dem Tische zeigte sich ein Kasten, mit eisernen Bändern beschlagen, deren auslaufende Enden die Gestalt von Eidechsen hatten. Sicher befindet sich darin der Bundesbrief, äußerte Hans von der Buche, und was ihnen sonst von Urkunden gehört. Den Schlüssel mag einer von den Ältesten in Händen haben. Wie sorgen wir am besten für diese Dinge?

      Sie müssen in die Erde vergraben werden, riet der Waldmeister, und niemand als wir beide darf die Stelle kennen. Bis zu mir ist's zu weit; aber hinter dem Hause auf dem Hügel stehen die Buchen dicht, und an heimlichen Verstecken wird's dort nicht fehlen. Er zog die Lade vor und wog sie in den Händen. Es ist Papier darin, sagte er dann lachend, damit werde ich allein fertig. Geht nur voran und holt einen Spaten. Ich lasse indessen unten den Kasten durch eins der Fenster in den Graben hinab, damit man auf dem Hofe nicht merkt, was wir vorhaben. Aber dort an der Wand steht noch eine zweite, größere Lade; die werden wir beide schwerlich regieren.

      Der Deckel war nur lose aufgelegt. Im Innern fanden sich Vorräte an Tuchen und Leinwand, silberne Becher und Schalen mit den Wappen der Herren von der Buche, alte Schmucksachen, Pergamente und Briefschaften, ganz unten auch einige Beutel mit goldenen und silbernen Münzen. Das ist Eigentum des Gutsherrn, meinte Gundrat. Euer Vater hat etwas erspart und hier seinen Schatz am besten aufgehoben gehalten.

      Ich übergebe ihn in Eure Hände, sagte der Junker. Es ist jetzt keine Zeit, die Lade auszuräumen. Behaltet den Schlüssel zum Turmgemach und seht zu, wie Ihr ein Stück nach dem andern hinausbringt und gut verbergt.

      Wollt Ihr nicht das Geld zählen?

      Ich hab' Euch gesagt, daß ich Euch vertraue.

      Gut denn – so will ich hier im Turm schlafen, bis alles in Sicherheit gebracht ist.

      Er lud den kleinen Kasten auf und trug ihn die enge Stiege hinab. Als Hans den Spaten brachte, traf er ihn schon jenseits des Grabens unter den Buchen. Bald war eine Stelle ausgemittelt, die sich für den Zweck trefflich eignete. Der Alte räumte geschickt die Moosdecke ab, ohne sie zu zerstückeln. Sie wurde, nachdem der Kasten einige Fuß tief eingegraben war, wieder sorgfältig aufgelegt. Nun merkt Euch aber den Platz, Junker, sagte der Waldmeister, als sie damit fertig waren. Es wäre doch möglich, daß mir in Eurer Abwesenheit etwas zustieße. Euren Erbschatz sollt Ihr hier in der Nähe finden oder in einer Ecke meiner Waldhütte, wenn es mir gelingt, ihn heimlich dorthin zu schaffen. Hier stehen drei alte Buchen in gleichen Abständen; ich ritze mit der scharfen Seite des Spatens in jeden Stamm ein Kreuz dicht über den Wurzeln, damit es nicht ins Auge fällt. Nun gebt acht! Dort steht eine einzelne Tanne. Genau an derselben vorbei bemerkt Ihr einen großen Stein, und von da ist's nicht weit bis zur Grabenecke. Wenn Ihr also künftig einmal umgekehrt von der Grabenecke auf den Stein losgeht, müßt Ihr an der Tanne vorbei auf die drei Buchen treffen. Das kann ein Kind behalten.

      Auf den Hof zurückgekehrt, berief der Junker alle seine Leute, auch die Polen aus dem Dorfe, stellte ihnen den Waldmeister als seinen Gutsverwalter vor und ermahnte sie, gute Zucht zu halten, auch wenn der Feind sie bedrängen sollte. Er wolle es ihnen mit doppeltem Lohn vergelten; der ungetreue Knecht aber werde seiner Strafe nicht entgehen. Dann schüttelte er Gundrat die Hand, warf sich aufs Pferd und jagte davon.

      Der Aufenthalt hatte länger als zwei Stunden gedauert. Er suchte ihn einzubringen, indem er den kürzesten Weg auf den Weichselstrom zu nahm, Engelsburg und Graudenz also rechts liegen ließ. Es kam ihm zustatten, daß er die Gegend genau kannte, die Wege waren infolge der großen Hitze der letzten Wochen selbst in den Wäldern trocken, so daß er sein Pferd fast ununterbrochen in rascher Gangart erhalten konnte. Erst in der Niederung stieß er auf Hindernisse, als er die Mühle von Ruda schon hinter sich hatte. Es gelang ihm aber auch, diese letzte halbe Meile bis zum Fluß zu überwinden, bald reitend, bald den Gaul am Zügel führend. Sehr erschöpft langte er in einem Dorfe an, das im Schutz des Weichseldammes lag.

      Er wußte, daß er hier eine Fähre über den Strom nicht finden konnte; aber er hatte sich darauf verlassen, daß ein Fischerkahn zur Hand sein werde, und darin täuschte er sich nicht. Daran freilich hatte er nicht gedacht, daß Fahrzeuge dieser Art unmöglich auch ein schweres Pferd übersetzen könnten. Schnell entschlossen stellte er das seine bei einem Bauern ein, gab Befehl, es ihm auf dem Umwege nachzubringen, ließ es absatteln und nahm das Zaumzeug mit sich. Zwischen den Rampen durch gelangte das Boot glücklich nach Sartowitz auf dem andern Ufer.

      Hier weideten Pferde auf einer Wiese nahe dem Flusse. Unbedenklich fing er eins davon ein, warf ihm den Sattel und Zaum auf, ließ dem Eigentümer durch den Bootsführer sagen, wo er das Tier nebst gutem Lohn in Empfang zu nehmen habe, und jagte auf dem Damm weiter nach Schwetz.

      Auf schaumbedecktem, von dem scharfen Ritt an allen Gliedern zitternden Rosse langte er vor dem Burgtor an und ließ sich sogleich bei dem Komtur melden. Man wies ihn in die Vorburg, wo derselbe gerade eine neue Söldnerschar musterte. Der Junker eilte auf ihn zu. Gnädiger Herr, keuchte er, ein Wort – im geheimen.

      Plauen war unwillig über die Unterbrechung. Wer seid Ihr – was wollt Ihr? herrschte er ihn an. Hans von der Buche, gnädiger Herr – ich war kürzlich eine Nacht in diesem Schlosse Euer Gast.

      Der Komtur warf einen Blick auf das von Schweiß und Staub entstellte, überwachte Gesicht. Ich erinnere mich – ganz recht.