Aber Ihr habt ein Dach, unter dem Ihr schlaft, entgegnete Heinz, und könnt auf der Herdstelle ein Feuer anzünden, an dem ich meine nassen Kleider trockne. Ich lasse mich so nicht abweisen. Gehört Ihr nicht der Gutsherrschaft von Buchwalde? Dorthin will ich morgen in der Frühe, und wenn ich klage, daß Ihr den Gast unfreundlich behandelt habt, wird es Euch schlecht gehen.
Arme Leute – freie Leute – wohnen im Walde – keinen Herrn erkennen, antwortete der Graubart. Aber der Name Buchwalde hatte doch augenscheinlich Eindruck auf die Umstehenden gemacht; sie steckten die Köpfe zusammen und schienen zu beraten, was weiter mit dem Fremden anzufangen.
Heinz wurde ungeduldig. Wenn ihr mich nicht herbergen wollt, sagte er, so zeigt mir wenigstens den Weg zum Waldmeister Gundrat, der ja hier in der Nähe hausen muß.
Auf den häßlichen Gesichtern der Leute zeigte sich ein grinsendes Lachen.
Kennen den Mann? fragte der Alte.
Ich kenne ihn gar gut, antwortete Heinz zuversichtlich, er ist mein Freund.
Ah – kein Mensch Freund, nix Freund – kennen schlecht, hieß es darauf, nicht aufnehmen in Haus – keinen lassen ein.
Das wollen wir sehen. Wie weit ist es bis dahin?
Kleinen Viertelstunden.
So gebt mir jemand mit, der mich zu ihm führt; ich habe nicht Lust, mich von neuem im Walde zu verirren. Lieber ist mir's freilich, im Försterhause als in einer eurer Erdhütten zu nächtigen.
Sie berieten wieder. Waistute soll begleiten, wurde er dann beschieden, und sogleich trat auch ein junger Mensch in zerlumptem Kleide vor und gab ihm durch einen Wink zu erkennen, daß er ihm folgen solle.
Der Junker warf den Leuten einige Pfennige zu. Nehmt auch mein Pferd mit, rief er, da der Junge sich in entgegengesetzter Richtung entfernen wollte, es ist unten angebunden.
Er ging nun wieder zurück nach der Stelle, wo er das alte Weib getroffen hatte, und meinte, von da mit Leichtigkeit den Baum finden zu können, an dem er den Gaul zurückgelassen hatte. Wie er aber auch in der ganzen Umgegend suchte, das Tier war spurlos verschwunden. Er machte Lärm, schlug an sein Schwert und drohte mit wilden Worten, dem Gesindel den Garaus zu machen, wenn sie ihm nicht das Pferd herbeischafften. Vergebens. Nicht wissen, wo Pferd sein, war die Antwort, nicht geben zu verwahren – hat Wolf gefressen – viele Wolf im Walde.
Ich will den diebischen Wolf morgen schon finden, rief der Junker, und wenn er zwei Beine hat, soll er an demselben Baume hängen, unter dem das Pferd gestanden hat. Er konnte für jetzt nichts tun und folgte daher dem Jungen, immer die Hand am Schwertgriff, da er auf einen Überfall gefaßt war.
Heinz blieb jedoch unangefochten. Nach wenigen Minuten hatten sie einen Waldpfad erreicht, und nach einer Viertelstunde sah der Junker vor sich an der Seite einer kleinen Wiese das Haus des Waldmeisters. Soviel er im schwachen Dämmerlicht erkennen konnte, war es aus rohen Fichtenstämmen ziemlich kunstlos zusammengefügt und mit einem weit überstehenden Dache von Baumrinde versehen, die durch aufgelegte Steine festgehalten wurde. Fenster ließen sich nicht erspähen; über der Tür war ein mächtiges Elchgeweih angebracht und eine große Eule mit ausgebreiteten Flügeln festgenagelt.
Waistute wollte entwischen, der Junker hielt ihn aber am Arm zurück. Erst muß ich eingelassen sein, sagte er, dann kannst du deiner Wege gehen. Er klopfte an die Tür. Sogleich ließ sich von einem stallartigen Anbau her Hundegekläff vernehmen.
Waldmeister sehr böse sein, versicherte der Junge, gleich schlagen tot, weil Haus zeigen an. Viel verboten.
Heinz versprach ihn zu schützen. Im Hause blieb alles still. Er klopfte in Absätzen stärker und stärker, zuletzt mit dem Griff des Schwertes.
Endlich wurde innen ein Geräusch wie von einer zuschlagenden Tür vernehmbar, und durch die Ritzen zwischen den Balken drang Lichtschein. Wer, zum Teufel, ist da draußen? fragte eine rauhe Stimme.
Ein Fremder, antwortete der Junker, der im Walde verirrt ist und dem das Gesindel im alten Preußenwall das Pferd gestohlen hat. Laßt mich ein und gebt mir ein Nachtquartier.
Mein Haus ist keine Herberge, tönte es zurück. Schert Euch zum Teufel und weckt mich mit Eurem verdammten Klopfen nicht wieder aus dem Schlaf!
Das kann leicht so kommen, wenn Ihr nicht gutwillig öffnet. Ich bin fest entschlossen, nicht von der Stelle zu weichen.
Ich sage, schert Euch zum Teufel, wenn Ihr Euer Leben lieb habt. Klopft Ihr noch einmal, so breche ich Euch alle Knochen im Leibe entzwei.
Hoho, Ihr seid ein grober Wirt! Aber mich schreckt Ihr nicht so leicht, und meine Knochen sind fester als Ihr glaubt. Macht auf, oder ich drücke die Tür mit der Schulter ein!
Innen erscholl ein grimmiges Lachen. Ihr seid ein Prahlhans! Und nun habt Ihr Euren Bescheid – laßt mich in Ruh!
Heinz verstand keinen Spaß. Er stemmte sich so kräftig gegen die Tür, daß die lose zusammengefügten Bretter knackten und das Riegelband loszureißen drohte. Himmeldonnerwetter, fluchte der Waldmeister, werft mir das alte Haus nicht um! Wer seid Ihr denn?
Der Junker ließ ab und schöpfte Luft. Ein guter Bekannter von Danzig her, antwortete er. Habt Ihr denn vergessen, Gundrat, was Euch dort an der Stadtwaage begegnet ist? Hätt' ich Euch nicht geholfen, Ihr säßet vielleicht heute noch im Stockturm.
Wie, der Junker von Waldstein?
Derselbe.
Ja, warum sagt Ihr das nicht gleich? Soll ich Euch an der Stimme erkennen? Wenn's so ist – in drei Teufels Namen, tretet ein! Er schob den Riegel zurück; die Tür öffnete sich knarrend.
Flucht nicht so gotteslästerlich, Alter, sagte Heinz, indem er über die Schwelle und in den Lichtschein trat, den die Kienfackel durch den schmalen Raum verbreitete. Bin ich's nun, oder bin ich's nicht? Warum glotzt Ihr mich so an?
Gundrat schlug ein Kreuz über die Brust. Gott steh mir armem Sünder bei, antwortete er, Ihr seid es, Luzifer mag wissen, wer Ihr eigentlich seid! Er zeigte nach einer Öffnung in der Seitenwand. Da hinein, wenn's Euch beliebt, Junker. Ein bequemes Lager hab' ich Euch nicht zu bieten, aber die Waldstreu ist trocken, und meine wollene Decke will ich Euch abtreten.
Er schloß vorsichtig wieder den Riegel der Haustür, folgte ihm dann in das Gemach und steckte die Kienfackel in einen Ring an der berußten Wand. Da ist das Lager.
Heinz sah sich in dem halbdunklen, kahlen Raum um und schüttelte den Kopf. Hört, Waldmeister, sagte er, so billig ist Eure Gastfreundschaft nicht. Mich hungert tüchtig, müßt Ihr wissen, und ich bin naß wie eine Katze, die man aus dem Wasser gezogen hat. Da ist ein Ding, das allenfalls wie ein Kamin aussieht, und ein Haufen Holz liegt daneben aufgeschichtet. Ein Feuer für meine Kleider wäre mir lieb, und wenn Ihr dem knurrenden Magen etwas zu bieten habt, will ich's Euch danken.
Der Alte brummte etwas in den grauen Bart, warf aber doch einige Scheite auf die Ziegelplatte und setzte sie in Brand. Bald wirbelte der Rauch auf und suchte sich einen Abzug durchs Dach. Euch hungert also – gut! Ich will Euch anbieten, was ich habe, weil Ihr's in Danzig um mich verdient habt. Das nichtsnutzige Krämervolk! Er öffnete einen Eßschrank, der mehrere Fächer hatte. Das Brot ist alt, Junker; nur wöchentlich einmal schickt mir's der Bäcker in Rheden hinaus. Aber da habt Ihr einen Topf mit Honig von meinen Waldbienen dazu. Der Schafkäse wird Euch nicht schmecken, er ist steinhart geworden, und zu diesem Flicken getrocknetes Fleisch gehören gute Zähne. Versucht's! Da fällt