Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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und es kam mir auch nur so in den Mund. Aber zu verwundern ist's doch nicht, daß man nach dem gestrigen Tage von Euch ein wenig plauderte. Ich wollte zu gern erfahren, wo Ihr das Stechen und das Tanzen so gut gelernt hättet, und das junge Fräulein –

      Wußte darüber gar nichts zu sagen, fiel Maria ein. Man muß nicht so neugierig sein.

      Ihr seid also auch mit meinem Tanz wohl zufrieden gewesen? fragte Heinz. Das freut mich nicht wenig; denn für einen feinen Tänzer galt ich am Hofe der Plauen gerade nicht. Es mag wohl auch ein Unterschied sein, mit welcher Tänzerin man in den Reigen eintritt.

      Ich habe auch gar nicht behauptet, daß Ihr fein tanztet, bemerkte Maria verschämt; Barbara hat sich's so eingeredet.

      Der Junker lächelte verschmitzt. Dafür muß ich ihr danken, sagte er, ihr mit den Augen zublinzelnd. Übrigens würde ich wohl meinen, die edle Kunst bald aus dem Grunde zu lernen, wenn es mir vergönnt wäre, sie noch weiter mit Euch zu üben. Leider … sein Gesicht wurde plötzlich ernst und nahm einen fast traurigen Zug an. Ich komme, Euch Lebewohl zu sagen, schloß er.

      Maria wurde bleich und sah mit einem fragenden Blick zu ihm auf. So müßt Ihr wirklich schon fort?

      Ich sollte schon vor einer Woche gereist sein, und ich weiß kaum, wie ich mein Zögern vor dem Komtur von Schwetz, meinem gnädigen Herrn Oheim, verantworten soll. Aber mein Bleiben gereut mich doch nicht, und am liebsten ging ich gar nicht von hier. Es wird mir auch schwer genug, von Euch zu scheiden, Fräulein, und nur weil's sein muß. –

      Barbara wollte sich leise entfernen, aber Maria winkte sie ängstlich zurück.

      Seid außer Sorge, fuhr er fort, daß ich Euch etwas verrate, was mein Herz beschwert. Ist auch keinem Menschen gewiß, was in der nächsten Stunde sein wird, so ist doch mir mehr als manchem andern die Zukunft dunkel. Weiß ich doch nicht einmal über meine vergangene Lebenszeit volle Auskunft zu geben. Gewiß ist nur, daß ich nach Preußen gesandt bin, um an dem Kampfe teilzunehmen, der gegen Polen bevorsteht. Vielleicht, daß ich mir darin etwas erstreite, was des Besitzes wert ist, und dann nach Jahr und Tag vor Euch trete und nicht im Zweifel bin, was ich Euch zu fragen komme. Es kann aber auch ebensogut sein, daß ich nach einigen Monden kalt und starr auf dem Kampfplatz liege mit vielen andern –

      Ihre Augen wurden feucht, und eine Träne tropfte herab auf ihr Busentuch. Rasch wandte sie sich zur Seite.

      Er schwieg eine Weile. Auch ihm wurde recht weh zumute, obschon er nun die Gewißheit hatte, daß er Maria nicht gleichgültig sei. Das steht in Gottes Hand, sagte er dann, wir müssen's dahingestellt sein lassen. Aber ich nehme ein Andenken von Euch mit mir, das mir als Talisman gilt, und ich hoffe zuversichtlich, er wird mich schützen und aus der schwersten Not befreien.

      Maria antwortete nicht; sie wischte mit der Hand die Tränen fort, ohne zu ihm umzublicken. So mußte er nun wohl gleich sein Anliegen anschließen. Er zog die Kette unter dem Wams vor, wo er sie verwahrt hatte, und fuhr schüchtern fort: Es wäre mir lieb, Maria, wenn Ihr Euch einen kleinen Dank gefallen lassen wolltet und meine Gabe nicht verschmähtet wegen ihres geringen Wertes. Ich darf nicht wagen, Euch ein Geschenk anzubieten – aber wenn auch Ihr gern dieser Maitage gedenkt und auf ein frohes Wiedersehen hofft, tragt dieses von mir als ein Erinnerungszeichen.

      Er wollte ihr das Kettlein auf die Hand streifen, aber sie zog sie scheu zurück. Dabei ließ sie doch die Augen darüber hingleiten, und blitzartig zuckte die Freude darin auf. Ich darf nichts von Euch annehmen, antwortete sie so unsicher und zögernd, daß Barbara gleich meinte, sich einmischen zu müssen, um ihre Bedenken zu beseitigen.

      Heilige Brigitta, rief sie, sehe ich recht? Das ist ja nun das Kreuz, von dem Ihr letzte Nacht geträumt hattet. Freilich war's ein böser Traum, denn das Kreuz legte sich Euch schwer auf die Brust, daß Ihr vor Beängstigung weinen mußtet. Aber sagte ich Euch nicht gleich, daß man Träume nicht geradeaus nach ihrem Inhalt auslegen dürfe? Muß denn ein Kreuz gleich ein Leiden bedeuten? Und war's Euch nicht auch geschienen, als ob das Kreuz an allen vier Enden einen Lichtschein ausströmte und in der Mitte wie eine rote Kohle flammte? Da ist nun das gefürchtete Kreuz, Närrchen. Golden glänzt es an allen vier Armen, und in der Mitte liegt der rote Stein. Nun – beschweren wird es Euch die Brust wahrlich nicht. Sie nahm dem Junker die Kette ab, öffnete das Schloß und wollte sie ihr um den Hals hängen. Prüft einmal, es hat wenig Gewicht.

      Maria aber wehrte ihre Hand ab. Der Vater erlaubt's nicht, sagte sie.

      Ei, dem wollen wir's schon nach der Wahrheit berichten, beschwichtigte Barbara, ihre Schulter streichelnd, und er soll dann selbst zugeben, daß es eine Versündigung wäre, sich gegen einen solchen Traum zu stellen. Will er nicht seines einzigen Kindes Wohlergehen? Und soll sich's etwa erfüllen, daß ihm ein schweres Kreuz aufbewahrt ist und die feurige Kohle einen gefährlichen Brand herbeiführte, während dieses güldene Kreuzchen mit dem roten Stein alle Befürchtungen ableitet, da es ja nun den Traum schon bestätigt? Nein, Kind, er ist ein verständiger Mann und sieht so etwas ein, wenn man's ihm gehörig klarmacht. Und dazu soll mir die Zunge nicht umsonst in den Mund gewachsen sein.

      Das reizende Gesichtchen wurde wieder ganz hell, die spitzen Finger flochten emsig an dem Zopf, der beim Neigen des Kopfes über die Schulter vorgefallen war. Sie hatte an der Bandschleife gezupft, ohne es zu wissen, und dadurch die braunen Flechten gelöst. Wenn's denn wirklich solche Gefahr hat – sagte sie und nickte der Amme zu. Aber wenn's der Vater nicht einsieht, tragen wir's gleich ins Brigittinerkloster zu den Schwestern. Sie wandte sich an den Junker. Das müßt Ihr erlauben.

      Ich kann's nicht hindern, antwortete er, aber ich zweifle nicht, daß Herr Huxer mir diese kleine Gabe nicht verargen wird, da er doch freundlich gestattete, daß ich Euer Ringlein behalten durfte. Das deute ich mir gut.

      Das Blut stieg ihr wieder in die Wangen, aber sie sagte nichts darauf und litt, daß Barbara ihr die Kette um den Hals hing und das Kreuzchen über der Brust zurechtzupfte.

      Sie reichte Heinz die Hand und drückte sie ein wenig. Mag es Euch wohlergehen, sagte sie, ich will viel für Euch beten.

      So werdet Ihr mich nicht vergessen können, entgegnete er, ihr tief in die Augen blickend. Nehmt meinen Dank, daß Ihr mich so entlaßt. Lebt wohl und – auf Wiedersehen, Maria!

      Er hielt noch eine Sekunde lang ihre Hand, bis auch sie leise sagte: Auf Wiedersehen – und dann kehrte er sich rasch ab und ging.

      Barbara begleitete ihn zur Treppe. Er wollte ihr einen Goldgulden zustecken, aber sie weigerte sich ganz ernstlich, ihn anzunehmen. Ihr sollt nicht denken, Junker, fügte sie hinzu, daß ich Euch nur so etwas zum Munde geredet habe. Aber ich liebe das Kind, als wär's mein eigenes, und wenn's sein Glück sein sollte … Nun, geht nur, geht – ich sage nichts mehr. Gott befohlen!

      Er sprach unten noch im Kontor an und verabschiedete sich von Huxer. Dann sagte er auch Letzkau und seinen Töchtern Lebewohl und beredete mit Hans von der Buche bei Barthel Groß alles Erforderliche zur Abreise. Sie wollten mit einem Weichselkahne den Fluß aufwärts fahren, Hans bis Graudenz, Heinz noch ein paar Meilen weiter bis Schwetz. Mit dem Nordwestwinde hofften sie rasch vorwärts zu kommen, wennschon es gegen den Strom ging. Groß versorgte sie mit wollenen Decken einheimischen Fabrikats zum Schutz in den kalten Nächten, die sie wohl würden unter freiem Himmel auf Deck oder am Feuer unter den Uferweiden verschlafen müssen. Auch ließ Frau Anna für sie einen Korb mit ungarischem Wein, geräuchertem Schinken, getrocknetem Rindfleisch in langen Streifen, Würsten und englischem Käse aus ihrer Vorratskammer für die Reise einpacken. Ihr bleibt auf dem Schiffe unsere Gäste, sagte sie, als sie sich weigerten, das Gebotene anzunehmen.

      Dann speiste Heinz zum letztenmal zur Vesper im Refektorium des Ordenshauses, bat den Komtur um Urlaub, erhielt Briefe von demselben an Heinrich von Plauen in Schwetz und zur Weiterbeförderung nach Thorn, wo er feines Pelzwerk zu seinem Bedarf bestellte, und bestieg gegen Abend mit Junker Hans das Schiff.

      Bald waren die Mauern und Türme von Danzig ihren Blicken entschwunden.

      8. SCHLOSS UND STADT SCHWETZ

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