Ist's Euch so genehm? fragte der Komtur Rambold. Der ärgerte sich über seines Gegners Keckheit, konnte doch aber die kühne Wette nicht ausschlagen. So erbittet Euch von einer der Damen den Ring, fuhr Johann von Schönfels fort und erhob sich dabei von seinem Sitz, wie ich hiermit kraft meines Königsamtes die edlen Frauen und Fräulein gesamt bitte, ihm zu willfahren, an wen er sich auch wende. Wahrlich, ich habe nach einem goldenen Fingerreif noch niemals stechen sehen und würde mich nicht wundern, wenn er am Pflock hängenbliebe.
Heinz ging ohne Besinnen auf die Ratstribüne zu und verneigte sich vor Maria. Das junge Fräulein errötete bis zur Stirn hinauf, senkte die Augen und schien einen Augenblick unschlüssig. Dann zog sie langsam den Handschuh ab, streifte einen kleinen Ring mit vier blauen Steinen, die wie ein Vergißmeinnicht zusammengefügt waren – nicht den kostbarsten an ihrer Hand – vom Goldfinger und reichte ihn ihm mit verschämtem Lächeln hinüber. Er selbst band ihn an den Pflock und strich den Faden aus, bis er sich nicht mehr drehte. Und nun losen wir um den Vorritt, Herr Rambold von Xanten, wandte er sich an denselben.
Rambold ritt vergebens, aber einmal hatte sich der Ring merklich bewegt, und auch das galt schon als ein rühmlicher Erfolg. Nun war die gespannteste Aufmerksamkeit auf Heinz gerichtet. Das erstemal ritt er an dem Ringe mit gesenktem Degen vorbei, das zweitemal fehlte er ihn, das drittemal stach er ihn glücklich ab und brachte ihn zu König Artus auf der Degenspitze.
Ihr seid der Sieger, sagte derselbe, Junker Heinz von Waldstein ist der Sieger.
Die Trompeter bliesen, die Pfeifer trillerierten, das Volk rief ein Hoch über das andere, die Freunde kamen. Glück zu wünschen, und niemand neidete ihm den so errungenen Sieg. König Artus aber forderte seine Ritter auf, ihm zu folgen, und brachte den Kranz und die Ehrenbecher, die er aus des Bürgermeisters Hand empfing, zu der schönen Maria Huxer, indem er sie bat, die Gaben nach Gebühr zu verteilen.
Maria winkte Heinz von Waldstein zu sich heran, setzte ihm, als er sich vor ihr auf ein Knie niedergelassen hatte, den Kranz auf das krause Haar und reichte ihm den Becher mit den drei Goldmünzen am Rande zu, den Letzkau für den ersten Sieger im Stechspiel ausgesetzt hatte. Er aber weigerte sich, ihn anzunehmen, und sagte: Ich habe neben diesem Kranz schon reichlich meinen Lohn, wenn Ihr mir gütig gestattet, den kleinen Ring zu behalten, den ich mir gewonnen habe. Darf ich ihn zum Andenken an diesen Tag bewahren?
Sie errötete wieder, noch stärker als vorhin, und warf einen fragenden Blick nach ihrem Vater hinüber, der seitwärts neben Letzkau stand. Der Ring ist wenig wert, antwortete sie, nehmt lieber den Becher.
Er schüttelte den Kopf. Den Becher ließe ich gern meinem wackeren Genossen, Herrn Rambold von Xanten, der ihn wohl verdient hat, sagte er; gönnt mir die Gunst, ihn gegen das Ringlein austauschen zu dürfen. Ich möchte gern, daß man freundlich von mir in dieser Stadt dächte; nähme ich zuviel Ehren mit hinaus, so könnte man sie mir leicht neiden.
Den Ring hat er sich ehrlich verdient, bemerkte Huxer, und da du ihn einmal preisgegeben hast, mag ihn der Sieger wohl behalten, wenn er ihm ansteht und du ihn nicht ungern missen magst. Den Becher aber hat Herr Konrad Letzkau ausgesetzt, und ihm gebührt, darüber zu verfügen. Mag er denn sprechen.
Der Bürgermeister lächelte freundlich. Ich meine, sagte er, wenn der Sieger ein Andenken von so schöner Hand erhält und selbst so hohen Wert darauf legt, so hat er wirklich seinen Lohn dahin und mag den Becher seinem Kampfgenossen lassen. Ich will seine Bescheidenheit loben, daß er ihn ausschlägt. Die Ehre des Tages gibt der Kranz.
Der Ring gehört Euch, Junker, entschied Maria; ich gab ihn Euch nicht, Ihr nahmt ihn Euch, und so darf ich ihn verschenken. Er küßte ihre Hand und trat zurück. Darauf wurden die übrigen Geschenke nach der Ordnung verteilt; auch Hans von der Buche ging nicht ganz leer aus.
Wieder folgte eine längere Pause. Die Musikanten gingen in den ausgeräumten, rundum mit grünen Maien geschmückten Hof, um dort in einer Ecke zum Tanz aufzuspielen. Die Tribünen leerten sich langsam, die Kaufherren führten ihre Frauen und Töchter in den Saal und wiesen ihnen auf den Bänken an den Wänden entlang ihre Plätze an. Heute forderte die St.-Georgs-Brüderschaft bei der allgemeinen Lustbarkeit kein Vorrecht für sich, und den Patriziersöhnen waren auch die schönen Brauertöchter zum Tanz recht.
Der erste Reigen wurde bei den Klängen der rauschenden Musik von Heinz und Maria aufgeführt. Sie mußte es nun wohl leiden, daß er ihr die kleine Hand drückte und bei den zierlichen Wendungen ihre Schulter streifte oder seinen Arm einen Augenblick an ihrem schlanken Leibe ruhen ließ. Sie sagte ihm auch nicht ab, als er sie später noch wiederholt aufforderte. Den Ring mit dem blauen Vergißmeinnicht hatte er an den kleinen Finger gesteckt; er ließ sich aber nur wenig über das zweite Glied schieben.
Spät erst endete die Lustbarkeit und doch den jungen Leuten noch viel zu früh. Das war ein Pfingstfest, an das mancher noch lange denken sollte. –
Am nächsten Vormittag trat der Junker von Waldstein in die offene Schmiede des angesehenen Goldschmieds Heinrich Kempfer ein, der dort mit zwei Gesellen und zwei Lehrlingen – der höchsten zulässigen Zahl – vor aller Leute Augen arbeitete. Er erkundete bei ihm, ob er irgendein hübsches Geschmeide vorrätig habe, das er ihm verkaufen könne. Der Meister kannte ihn schon und erriet, was er im Sinn hätte. Ob es denn ein Ring sein dürfte, fragte er.
Kein Ring, antwortete Heinz ihm, auf seine Hand hinabblickend, sondern ein anderes hübsches Geschmeide – eine Kette am liebsten.
Der Goldschmied nahm dem einen der beiden Gesellen die Arbeit ab und hielt sie dem Junker vor Augen. Das tut mir leid, sagte er. Mein Geselle da hat eben sein erstes Meisterstück fertiggebracht, einen Edelstein nämlich in ein güldenes Fingerlein gefaßt. Mich dünkt, die Arbeit ist wohlgeraten und darf ihm Mut machen zu den beiden anderen Stücken. Nun – später braucht Ihr vielleicht auch dergleichen, dann geht mir nicht vorbei. Den Kelch dort und das Sakramentshäuschen hat ein polnischer Prälat bestellt; man läßt mir wenig Zeit, auf Vorrat zu arbeiten; wenn Ihr Euch aber in meinen Laden bemühen wollt, hoffe ich doch etwas zu finden, das Euch gefallen mag. Folgt mir.
Er ging die kleine Treppe hinauf voran und führte den Junker in ein enges Gemach, dessen Fenster sich mit Eisenstäben gut verwahrt zeigten. In einem flachen Kasten auf dem Tische lagen Ketten, Ohrgehänge, Schnallen und Ringe. Der Junker wählte ein Kettchen von dichtem Maschenwerk, das der Meister venezianisch nannte, mit einem zierlichen Kreuz, in das ein roter Stein eingelassen war. Das Schloß bildeten zwei Hände, die ineinandergriffen. Ihr habt einen feinen Geschmack, Junker, sagte der Meister, und seid Eures Dankes im voraus sicher. Wißt Ihr, daß der Schmuck schon einer jungen schönen Dame sehr in die Augen geblitzt hat? Kürzlich war Herr Huxer mit seiner Tochter Maria hier, eine Gürtelschnalle auszusuchen; da fehlte nicht gar viel, so hätte er auch die Kette mitgenommen.
Ihr macht mir meine Wahl durch diese Mitteilung noch erfreulicher, antwortete Heinz, indem er so viel Goldgulden auf den Tisch zählte, als Meister Kempfer gefordert hatte, und dabei das Gesicht tief hinabbeugte.
Heinz begab sich von da zu Huxer und fragte sogleich nach dem Fräulein. Man wies ihn in das Erkerstübchen, und dort fand er Maria mit dem Fortpacken ihres gestrigen Putzes beschäftigt, wobei eine ältliche Magd, ihre Amme, half. Sie schrak sichtlich zusammen, als er eintrat, warf die Sachen eiligst in die offene Lade und schloß den Deckel. Meiner Treu, da kommt der Junker wie gerufen! sagte die Magd. Maria aber gab ihr einen Wink und zischelte ihr leise zu: Schweig, Barbara!
War ich erwartet? fragte Heinz, näher tretend.
Barbara hüstelte verlegen, da Maria schwieg. Erwartet – ich meine gewiß nicht, antwortete sie dann für jene. Aber gesprochen ist eben von Euch, Junker; und wie man so zu sagen pflegt: Wenn man vom Wolf spricht –
Barbara!