Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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überall ehrbar zugehen und im Trinken Maß gehalten werde.

      Eben wurde vom Haustor das Zeichen gegeben, daß der Komtur einreite. Die Kaufgesellen auf ihren schmucken Pferden sprengten sofort die Dammstraße hinab, ihn festlich einzuholen, während die Gewerke sich in zwei Reihen ordneten, ihn nach dem Rathause durchzulassen. Aller Streit und Hader war jetzt vergessen; es galt jetzt nur, dem gnädigen Herrn einen recht stattlichen Empfang zu bereiten, der Rechten Stadt Danzig würdig. Und wie er nun im weißen Mantel auf seinem Rappen heranritt, gefolgt von einigen Rittern seines Konvents, und freundlich nach rechts und links und zu den Fenstern hinauf grüßte, brach die Menge unwillkürlich in lauten Jubelruf aus. Die Bürgermeister aber gingen ihm mit entblößtem Haupt die Treppe hinab entgegen und verbeugten sich tief, als er ihnen die Hand bot.

      Während dann der Komtur mit seinen Begleitern nach dem kleinen Hofe geführt und auf der St.-Georgs-Bank festlich mit Wein und würziger Krude bewirtet wurde, begaben sich die Gewerke nach ihren Herbergen, die Fahnen und Zeichen an die Ladenmeister abzugeben. Die Kaufgesellen aber zogen mit den Musikanten vor den Artushof. Hier in der weiten Marktecke zwischen Rathaus und Hof waren auf zwei Seiten hölzerne Tribünen für die Frauen und Fräulein der Großhändler, Seeschiffer, Krämer und Brauer und dahinter noch höhere Tribünen für die älteren Männer erbaut, und jede Genossenschaft hatte ihren besonderen Platz hierzu angewiesen erhalten, daß jeder wüßte, wohin er nach des Hofes Ordnung gehöre und keiner sich überhebe. Die Seite nach dem Markte hin war offen gelassen für das gaffende Volk und nur durch eine starke Leine abgegrenzt. In dem eingehegten Raume tummelten sich die jüngeren Artusbrüder und die Gäste des Hofes. Junker Heinz hatte auf sein neues grünes Wams nicht warten dürfen und lenkte wegen seiner kräftigen Gestalt und wegen seines prächtigen Kraushaares alle weiblichen Blicke auf sich. Er selbst stand am liebsten unter der Tribüne, auf der in einer der ersten Reihen Maria Huxer saß. Sie trug ein Mieder von hellblauem Atlas mit Goldlitzen über der Brust; die runden Schultern umschloß ein faltiges Untertuch von feinster Leinwand, und um den zierlichen Hals lief eine Spitzenkrause, vorn zusammengehalten durch eine Nadel mit großem blitzendem Stein. In die langen braunen Zöpfe waren Goldschnüre eingeflochten, und über dem Scheitel erhob sich ein Netzwerk von Goldfäden mit aufgenähten Perlen an den Kreuzpunkten. Heller aber als Gold, Perlen und Edelsteine blitzten die munteren Augen in den Kreis hinab; sie schienen sagen zu wollen: das alles ist für mich.

      Nun stießen die Trompeter dreimal mit vollen Backen in ihre langen Zinken, und die Festordner machten in der Mitte den Raum frei. Es erschienen Gaukler, Luftspringer und Seiltänzer, sie breiteten einen Teppich aus und bauten aus Kreuzhölzern schnell ein Gerüst auf, über das ein Tau gespannt wurde. Die Pfeifer stimmten eine lustige Weise an, und es begann das Spiel mit Kugeln von verschiedener Größe, das Balancieren von spitzen Schwertern, Stühlen und Leitern, das Gliederverrenken und Seiltanzen. Zwischen jedem Stück trieben zwei Lustigmacher in bunten Jacken und mit schnurrig bemalten Gesichtern ihre neckischen Späße zur größten Belustigung von jung und alt, jagten sich mit ihren Pritschen im Kreise umher, fielen auf die Nase und sprangen wohl auch gelegentlich über die Leine unter das dichtgedrängte Publikum, dort zum allgemeinen Gelächter Verwirrung anrichtend.

      Nachdem sich die Schaulust an diesen Kunststücken genügend gesättigt hatte, wurde der Platz von den Gauklern geräumt und eine Pause angekündigt. Während man sich auf den Tribünen und unterhalb derselben munter über das Gesehene unterhielt, besorgten die Knechte des Artushofes, sämtlich in roten Wämsern, die Vorbereitung zum Stechspiel. Sie trugen einen langen, an den Ecken abgerundeten Tisch auf die Vortreppe und bedeckten ihn mit einem weißen Tafeltuch. Kannen mit Wein und Schenkbecher wurden aufgetragen. In die Mitte, gegen den Eingang zum Hofe hin, stellten sie einen thronartigen Sessel, auf dem ein Kissen mit Goldstickerei lag; zu beiden Seiten rund um den Tisch noch zwölf andere, niedrigere Stühle. Dort sollte König Artus mit seinen Rittern Platz nehmen. Dann steckten sie vor dem Hause in weitem Kreise laubumwundene Stangen in die Erde, setzten darauf Mohrenköpfe mit Krallen, weißen Augen und roten, gewulsteten Lippen lose auf und hingen an die nach innen zu vorstehenden Pflöcke kleine eiserne Ringe. Die Bahn an diesen Stangen entlang wurde mit weißem Sande bestreut. Dann meldeten sie dem ältesten von den vier Hofherren, die zum Rat gehörten und noch über den acht Alderleuten des großen und kleinen Hofes standen, daß alles bereit sei.

      Nun trat derselbe an den Komtur heran, verbeugte sich tief und bat ihn in wohlgesetzter Rede, zu Ehren des Hofes selbst die Stelle des Königs Artus zu übernehmen und an der Tafelrunde zu präsidieren. Johann von Schönfels erklärte sich lächelnd bereit, erhob sich und ließ sich von dem schmucken Gefolge der Patriziersöhne unter dem Klange der Trompeten und Pfeifen nach dem Thronsessel auf dem Treppenvorsprung führen, wo er nun allem Volke sichtbar war. Die zwölf auserwählten Ritter der Tafelrunde, darunter Heinz von Waldstein und Hans von der Buche, traten vor, verneigten sich, wurden durch den Hofherrn vorgestellt und nahmen nach der Reihe Platz. Die Knechte füllten ihnen die Schenkbecher, und sie leerten sie auf das Wohl des Königs Artus. Dann bat der Hofherr für sie um die Erlaubnis, ein Stechspiel aufführen zu dürfen. Der Komtur nickte echt königlich die Gewährung.

      Nun wurden die zwölf prächtig aufgeschirrten Rosse am Zügel von Knechten in Heroldsrücken und mit langen Kugelstäben eingeführt. Es war ein Vergnügen, die mutigen Tiere zu sehen, die unruhig nach der Musik die Ohren spitzten, zur Seite sprangen oder zierlich über den Sand hintanzten. Dreimal wurden die Pferde im Kreise herumgeführt und dann vor der Treppe aufgestellt.

      Die zwölf Ehrenritter, sämtlich einen langen Degen am Gurt, stiegen auf, nachdem sie sich vom Könige beurlaubt hatten, und ritten in den Kreis. Schon bei diesem Einreiten nahmen sie die Gelegenheit wahr, ihre Geschicklichkeit zu beweisen. Nachdem sie die Tiere beruhigt und sich in einer Linie aufgestellt hatten, brach auf ein gegebenes Zeichen der erste ab in die Bahn; die anderen folgen in kleinen Abständen, und es begann nun ein wildes Reiten, bald zu zweien, bald zu dreien und vieren, in großen oder in mehreren engeren Kreisen, bald geordnet, bald jeder für sich, bemüht, den andern zu überholen und im Vorbeijagen anzuschlagen. Das war aber nur das Vorspiel. Nach einer Weile sammelten sie sich wieder in der Mitte und zogen sich in langer Reihe gegen die Treppe zurück. Die Herolde reichten ihnen Lanzen mit stumpfen Spitzen über den kleinen Fähnchen, und das eigentliche Reiten nach der Tafelrunde nahm seinen Anfang.

      Jeder Ritter umkreiste erst einmal im Galopp mit gesenkter Lanze die Sandbahn innerhalb der Stangen, dann hob er rasch den Schaft und versuchte den nächsten Mohrenkopf herabzustechen. Das gelang nicht immer; oft ging die Spitze ganz fehl, oft streifte sie nur, daß der Kopf wackelte, aber nicht fiel, mitunter scheute das Pferd und mußte erst wieder in die Bahn zurückgespornt werden. Dreimal durfte ein jeder auf diese Weise umreiten, dann wurden die abgeworfenen Köpfe gezählt. Die meisten waren von Anfang zu hitzig, stießen zu stark oder konnten, wenn sie glücklich getroffen hatten, die Lanze nicht schnell genug in die ruhige Lage bringen, so daß sie dann an einer Reihe von Stangen vorüber mußten, ohne auch nur das Stechen zu versuchen. Doch hatte keiner weniger als drei Köpfe abgeworfen, und einige brachten es auf eine weit höhere Zahl, Hans von der Buche sogar auf sieben, Heinrich von der Beke nach ihm freilich auf acht von zwölfen. Die beiden folgenden Ritter blieben dahinter weit zurück, man betrachtete ihn schon als den Sieger.

      Zuletzt ritt Heinz von Waldstein in die Bahn. Er spornte sein feuriges Roß zur schnellsten Gangart und hielt es dabei so fest zwischen den Schenkeln und im Zügel, daß es keinen Zoll breit ausweichen konnte. Wie spielend hob und senkte er die Lanze, und jedesmal, wenn er sie hob, rollte ein Mohrenkopf in den Sand. Schon nach dem zweiten Umritt hatte er sie sämtlich abgeworfen bis auf den einen, der gegenüber der Tribüne stand, auf der Maria saß. Beim dritten warf er ihn ab, indem er die Lanze, statt sie mit dem Arm zu stützen, frei in der Hand hielt. Dann parierte er sein Pferd mit einem schnellen Ruck in den Zügel und verneigte sich vor der Königin des Festes.

      Von den Tribünen und aus der Menge wurde lauter Beifall geklatscht und gerufen. Aber dieser erste Sieg entschied noch nicht. Die schwierigere Aufgabe stand noch aus: mit spitzem Degen die Eisenringe von den Pflöcken abzuheben. Nach kurzer Pause wurde das Reiten nach der Tafelrunde fortgesetzt. Diesmal waren die Herren vorsichtiger und zielten gut. Einer nur hatte keinen Ring gelöst und wurde ausgelacht. Als am Ende gezählt wurde, hatten Heinz von Waldstein und Rambold von Xanten, des Schultheißen Sohn, gleich viel Ringe gestochen.