Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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nehmt Euch auch ferner gütig meiner an. Der Ring, von dem Junker Heinz schreibt, daß er ihn mir nicht zurückgeben könne, ist auf sonderbaren Wegen wieder in meine Hand gekommen, so daß ich den Junker schon tot glauben mußte. Da er nun lebt, gehört er ihm, und ich will ihn nicht einbehalten als ein ungerechtes Gut. Ich habe deshalb das Ringlein in dieses kleine Kästchen gelegt und auf den umgewickelten Streifen Papier meinen Namen geschrieben. Sorget nun freundlich, daß der Bote das Kästchen mitnehme und dem Junker aushändige. Drückt ihm auch dazu diesen Goldgulden in die Hand, daß er treulich den Auftrag ausrichte. Wenn der Junker aber indessen – die Tränen rollten ihr plötzlich über die Wangen –, wenn der Junker indessen seinen Wunden erlegen sein sollte, so sagt dem Manne, daß er das Kästchen aufhebe und mir zurückbringe, wenn er wieder nach Danzig kommt. Ich will's ihm mit Gold aufwiegen.

      Der Pater schien Gefallen zu haben an dem hübschen Kinde, das ihm so das Herz öffnete. Er lächelte gar weltlich, indem er das in Leinwand eingenähte Kästchen an sich nahm und dabei die weiße Hand berührte. Grämt und härmt Euch nicht, Jungfrau, antwortete er, das Sterben wird so nahe nicht sein. Den Boten halte ich für zuverlässig und will ihm seinen Auftrag gehörig einschärfen lassen. Kann man auch einem Juden nicht mit der ewigen Verdammnis drohen, da ihm die ohnehin sicher ist, so weiß er doch, daß er sich in Preußen nicht mehr blicken lassen darf, wenn er auf einer Untreue ertappt worden, und wird sich seines Handels wegen hüten, zur Klage Anlaß zu geben.

      Maria sah ihn verwundert an. Durch einen Juden wollt Ihr –

      Pater Severus zog die Kapuze über die Stirn hinab, so daß seine Augen verschattet waren. Kümmert Euch darum nicht, entgegnete er, es fuhr mir so heraus. Jude oder Christ – auf Ritterwort! Das Ringlein soll an den rechten Finger kommen.

      Diese Rede kam ihr aus des Mönchs Munde gar nicht gehörig vor, aber sie wagte keine Erwiderung und blickte errötend zur Erde. Ich wollte Euch wünschen, fuhr der Pater fort, daß die Gefangenen bald gelöst würden und auch Euer Junker frei käme. Der Herr Hochmeister hat den besten Willen, aber es fehlt ihm an Geld. Da hat er sich nun an das Land gewandt. Wie aber gerade diese Stadt ihm widerstrebt, werdet Ihr erfahren haben. Euer eigener Vater ist unter seinen eifrigsten Gegnern. Redet auf ihn ein, wie Ihr könnt, daß er anderen Sinnes werde.

      Ach, nun verstehe ich's, sagte sie unschuldig, was die Stadt in solche Unruhe setzt. Wie grausam, daß die armen Gefangenen nicht gelöst werden sollen! Aber wie kann ich –

      Tut nur, was Euch das Herz befiehlt, rief er, und gebt acht, was die Männer miteinander reden. Ist's Euch nicht verständlich, so fragt bei Barbara an, die eine kluge Frau ist und besser der Welt Lauf kennt oder sich im Kloster Rats erholt.

      Damit klopfte er ihr mit den Fingerspitzen die Wange und suchte Barbara auf, die sich im Flur und Vorzimmer etwas zu schaffen machte. Er fragte sie wieder nach allem aus, was im Hause vorgehe, und ob etwas Heimliches betrieben werde. Hätt' ich doch nie geglaubt, sagte sie kopfschüttelnd, daß die Väter Dominikaner so neugierig wären und so weltliche Gedanken hätten. Hab's auch bisher an den andern nicht so gemerkt.

      Während sie noch miteinander sprachen, und gerade als der Pater Severus, dem das hübsche Weibchen mehr und mehr zu gefallen schien, sich einen Scherz erlaubte, öffnete sich unten die Haustür. Mehr als zwei kräftige Füße trappten auf den Steinfliesen den Schnee von den Stiefeln ab, und bald wurden auch Männerstimmen laut, die sich der Treppe näherten. Ach, mein Gott, flüsterte Barbara ängstlich, mein Herr kommt unerwartet früh nach Hause und bringt Besuch mit. Sie dürfen nicht wissen, daß ich Euch –

      Nein, man darf mich hier nicht sehen, fiel der Pater schnell ein. Der Ton seiner Stimme hatte, so leise er sprach, etwas Gebieterisches.

      Aber was beginnen?

      Laßt mich in Eure Kammer eintreten, bis sie vorüber sind.

      In meine Kammer – gut denn! Aber haltet Euch still.

      Sie hatte nur noch gerade Zeit, ihn hineinzuschieben und die Tür hinter ihm zu schließen. Huxer kam hinauf mit Barthel Groß und noch einem Manne, den die Frau im Halbdunkel und dazu in seiner Pelzverhüllung nicht zu erkennen vermochte. Seid Ihr's, Bärbe? fragte Huxer.

      Ich hörte jemand kommen, sagte sie, und trat hinaus –

      Laßt sogleich in der Herrenstube Feuer im Kamin anmachen, Barbara, und stellt uns eine Kanne Jopenbier auf den Tisch. Sorgt auch, daß wir eine Wachskerze haben.

      Erwartet Ihr noch mehr Gäste, Herr?

      Es kommen noch einige nach. Die Ursula mag unten an der Haustür stehen und sie einlassen. Eilt Euch!

      Er ging an ihr vorüber und nötigte die beiden Herren in die große Stube. Barbara rief die Mägde und teilte ihre Befehle aus, ließ sich eine Kanne reichen, wählte aus dem mächtigen Bunde an ihrem Gürtel einen Schlüssel und stieg in den Keller hinab, sie zu füllen.

      Indessen wurde noch mehrmals an die Haustür geklopft. Es kamen Konrad Letzkau mit Johann Hamer und Tiedemann Schwartz, Arnold Hecht mit Hermann Rogge, endlich Wilm von Wiemen, Heinrich von Dalen und Arend Scheren, sämtlich Ratmannen oder Schöppen. Auch sie wurden in die Herrenstube gewiesen, wo nun bald ein lebhaftes Sprechen begann. Im Kamin prasselte das Feuer, Huxer teilte das Bier aus der Kanne in die Zinnkrüge aus, daß man sich innerlich erwärmen möchte. Doch legte nur Arnold Hecht nach einer Weile den Pelz ab; ihm war's stets zu heiß.

      Indessen hatte der Pater Severus sich in Barbaras dunkler Kammer durch Tasten bis zu der hinteren Wand zurechtgefunden, die sie von der Herrenstube trennte. Er erinnerte sich des Schiebers, setzte ihn leise in Bewegung und hielt das Ohr an die Öffnung. Nun war bei einiger Aufmerksamkeit fast Wort für Wort von dem zu hören, was innen gesprochen wurde. Es ärgerte den Pater nur, daß er nicht auch wissen konnte, wer jederzeit sprach, da ihm die Männer unbekannt waren. Doch meinte er, später wenigstens so viel aus Barbara herausbringen zu können, daß er die Namen der sämtlichen Gäste erführe. Er zweifelte nicht, daß dieses die heimliche Kumpanie sei, von der die Rede gegangen.

      Die bevorstehende Ratswahl wurde besprochen. Es kam darauf an, Männer in den sitzenden Rat zu bringen, auf die voller Verlaß wäre. In der Sache selbst war man einig über alle Hauptfragen. Der Schwerpunkt sollte auch ferner und womöglich noch deutlicher ausgesprochen im Gemeinen Rat liegen, dieser Körperschaft, die das ganze Patriziat, soweit seine Mitglieder im Rat oder auf der Schöppenbank gesessen hatten, umfaßte und auf deren Zusammensetzung der Orden daher gar keinen Einfluß hatte. Nach alter Gewohnheit hätten der Rat und die Schöppenbank sich selbst zu ergänzen. Nun wär's aber auch früher seit Jahren schon nur noch eine Förmlichkeit gewesen, daß man die Wahl dem Komtur anzeigte und um deren Genehmigung bäte. Ausdrücklich habe der König ihnen zugesichert, daß die Wahl in Zukunft ganz frei sein solle, und daran müsse man auch dem Orden gegenüber festhalten, sich aber keinen Einspruch gefallen lassen. Sonderlich in dieser Zeit nicht, rief Hecht, in der wir noch in viel anderen Dingen mit den Kreuzherren uneins sind und unser Stück wohl durchzusetzen gedenken – wenn nicht im Guten, so mit Gewalt.

      Enthalten wir uns aller solcher Drohung, antwortete Letzkau, die doch hier nur in den Rauch des Kaminfeuers gesprochen ist, und handeln wir, wie es not tut.

      Mir will's doch geraten scheinen, meinte Huxer, denen im Schloß nicht geradezu vor den Kopf zu stoßen. Es steht nun einmal in den alten Briefen, daß wir mögen Ratmannen kiesen? mit Wissen der Herrschaft und die ihr genehm sind. Lassen wir's nun bei der alten Förmlichkeit, so wird man auf die Personen im Schloß wenig achthaben. Weigern wir aber die Anzeige, so mag es leicht geschehen, daß man sich aufs hohe Pferd setzt und uns zu überreiten sucht.

      Wilm von Wiemen und Tidemann Schwach stimmten ihm zu, Barthel Groß aber sagte: Es kann doch nicht vergessen werden, daß der Orden seine Macht über uns verloren gehabt hat und wir unter dem König von Polen gestanden haben. Ist nun darüber Streit, ob dies zu Recht oder Unrecht geschehen sei, so mag der erst ausgefochten werden. Was inzwischen etwa unregelmäßig vorgenommen, kann nicht gerügt werden; später aber fußt man darauf als auf einem sicheren Vorgang und gewinnt durch Übung Recht.

      Ihr gefallt Euch in halben Maßregeln, schalt Hecht, und werdet es büßen. Jetzt ist der Orden schwach und kann den Zügel