Das tat Letzkau umständlich und mit guter Art. Zuletzt aber sagte er: Des Komturs Schreiben ist grob. Ich weiß am besten, daß der Herr Hochmeister nicht fordert, sondern bittet. Aber seine Bitte rechnet freilich auf Gewährung ohne Widerspruch. Und täuschet euch auch darin nicht, daß alle die andern unweigerlich geben werden, was ihnen diese Bitte auferlegt, Städte, Ritter und Knechte, Köllmer, Müller und Bauern, selbst Kirchen und Klöster in allen Gebieten. Denn die Großen wollen wieder in Frieden und Eintracht kommen mit der Herrschaft und ihre Feindschaft vergessen machen, die Kleinen aber tun, was sie zu weigern Furcht haben. Thorn ist besetzt von des Ordens Söldnern, und es ist mir auch nicht entgangen, daß die Herren vom Rat verstimmt sind, weil uns der König zuviel bewilligte; Elbing hofft in des Meisters Gunst zu kommen und zu unserem Schaden den Stapel zu behalten. Sie werden ein Auge zudrücken und in den Säckel greifen. Sehet also zu, ob die Zeit günstig ist, den Streit fortzusetzen. Wir können wohl, wie jene, antworten: Weil der Herr Hochmeister bittet, erkennt er an, daß wir ihm nichts schuldig sind; deshalb wollen wir ihm aus gutem Willen in der Not beistehen, alle unsere Rechte und Freiheiten aber vorbehalten. Denn manchmal ist's klug, sich den Zwang nicht merken zu lassen und die Brücke zu betreten, die der Gegner baut. Prüfet nun und entscheidet.
Man sah's vielen von den Ratsherren an, daß sie bedenklich geworden waren und gern einen Ausweg gesucht hätten. Arnold Hecht aber winkte seinen Anhängern, daß sie das Wort nehmen sollten, und rief, da sie zögerten: Sehet euch vor! Der Herr Hochmeister hat's gar schlau angefangen! Jeden einzeln nimmt er beiseite und sagt ihm: Höre, Lieber, ich bitte dich! Alle die andern haben mir's schon zugesagt; willst du's allein abschlagen? Das geschieht auf deine Gefahr! Und so wirft er das Bündel in lauter Ruten auseinander und beugt jede nach seinem Willen. Gelingt's ihm heute, versucht er's morgen um so dreister, und bald sind unsere besten Freiheiten hin. Da liegen der Stadt Privilegien auf des Schreibers Tisch; mag er sie lesen. Ich finde keine Stelle darin, die uns zu solcher Abgabe verpflichtet. Aber der Meister bittet! Jawohl, er bittet, und wir wollen seine Bitte ernst nehmen. Er soll wissen, daß der Gebetene nein sagen kann. Nein, nein und aber nein! Das wäre uns eine ewige Schmach, wenn wir uns so fangen ließen.
Nein, nein und aber nein! trumpften seine Anhänger ihm nach. Einige von den älteren Schöppen versuchten Einrede; es entstand ein großer Lärm. Er mochte wohl durch das Fenster bis auf die Straße gehört werden, denn von draußen antwortete das Volk mit lautem Zuruf. Letzkau klopfte wieder mit dem Stabe auf und erteilte Gerd von der Beke das Wort, der ihm ins Ohr geschrien hatte, daß er sprechen wolle. Er stellte sich ganz auf des Hochmeisters Seite und meinte, daß man ihn in der Not nicht verlassen dürfe. Es sei ja das erstemal, daß er um solche Abgabe bitte; komme er wieder, so sei's noch Zeit, abzuschlagen und auf seinem Rechte zu bestehen.
Nur wenige nickten ihm still Beifall. Einer schlug vor, den Hochmeister eine Weile warten zu lassen, dann aber zu bewilligen. Er wurde ausgelacht. Ein anderer machte mit etwas mehr Glück darauf aufmerksam, daß die Stadt Danzig noch Forderungen an den Orden habe wegen der Gestellung der Schiffskinder zur Verteidigung der Marienburg und weil man das Schloß mit Vitalien versehen beim Anrücken des Feindes. Das solle man nun in Verrechnung bringen.
Man wird's nicht gelten lassen, wandte Hecht ein, die Bewilligung aber annehmen. Was macht ihr denn Winkelzüge? Sagt ja, wenn euch das Herz treibt oder die Furcht kleinlaut stimmt. Wer aber dafür hält, daß dieser Friede ein Unglück für das Land ist und daß der Stadt Freiheiten gehütet werden müssen für bessere Zeiten, der werfe sein ehrliches Nein in die Waagschale, daß wir sehen mögen, auf welcher Seite das schwerere Gewicht ist. Wie denkt Ihr darüber, Herr Bürgermeister?
Ich würde gern das Doppelte bewilligt haben, antwortete Letzkau, wenn der Meister die Städte zu einem Tage berufen hätte, damit sie gemeinsam beraten möchten, wie ihm zu helfen. Es sind viele unter euch der Meinung, daß der Deutsche Orden ein toter Leib sei, von dem Verwesung ausgehe in diesem Lande; ihr möchtet euch zum König von Polen flüchten, daß er euch helfe, ihn abzuwerfen, und euch frei gewähren lasse, zu tun und zu treiben, was eurer Wohlfahrt nütze. Daher empfingt ihr mit Jubel des Königs Hauptmann, und darum kehrt ihr mit Trauer unter des Ordens Herrschaft zurück. Darum möget ihr dem Orden versagen, was er braucht, dem König Wort zu halten, damit der König von neuem über ihn kommt und euch befreit. Ihr sprecht es nicht aus, aber ihr denkt es. Ich für mein Teil habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich dem Orden anhange von Jugend auf und daß ich ihn stark und mächtig wünsche, dieses Land, das er zu einem deutschen Land gemacht, zu schützen gegen die Beutegier der Polen und der Litauer, der Moskowiter und der Tataren. Ich liebe auch den König nicht. Nennt er sich gleich einen christlichen Wladislaus, so ist er doch ein heidnischer Jagiel geblieben und wird's auch beweisen, wenn er erst Herr ist. Es ist wahr, ich habe mit ihm heimlich verhandelt im Lager vor Marienburg, aber nicht, wie er wohl meinte, daß ich ihm Danzig zubrächte, sondern daß ich ihn nötigte, Danzig gegen ihn selbst stark zu machen, wenn es in Gottes Rat beschlossen sein sollte, daß der Orden falle. Nun hat der Orden sich aus dieser Not gerettet und richtet wieder sein Regiment auf im Lande. Dessen bin ich froh und wollte ihm gern helfen zu seinem Frommen. Wird nun aber sein Regiment das alte, so hat sich's selbst schon gerichtet, und neues Unheil wird dem Lande erwachsen. So hat es aber den Anschein, daß der Orden auch jetzt nicht erkennt, was ihm vor allem not tut: er mag lieber Herr sein über widerwillige Untertanen, als einen Bund eingehen mit Städten und Landen und ihre Sendboten aufnehmen in seinen Rat. Nimmer aber wird Friede und Sicherheit sein, es geschehe denn dies. Darum, meine ich, geziemt es denen, die dem Orden wohlwollen und sich selbst achten, daß sie reiflich bedenken, ob sie ein Mittel in Händen haben, die Herrschaft zu ihrer besseren Einsicht zu nötigen. Der Orden braucht Geld, er sagt zu uns: Gebt mir's! Wohlan, wir antworten: Laß uns mit unsern Genossen beraten, wie wir dir helfen, und laß uns wissen, was im Regiment vorgeht, damit wir in Zukunft solchen Notstand hindern. Sind wir jetzt ohne Bedingung willig, so schaffen wir uns übermütige Herren und in kurzem noch größeres Leid. Es ist nicht unsere Pflicht, dem Orden zu schossen; also ist es unser Recht, ihm die Hilfe zu weigern, wie er sie fordert. Vielleicht ermannen sich auch die andern, wenn sie uns fest sehen; und bleiben wir allein, so ist auch das uns keine Unehre. Darum, weil ich dem Orden zugetan bin, schlage ich seine Bitte ab.
Aufmerksam hatte die Versammlung seiner langen Rede bis zum Schlusse zugehört. Alle Teile hatten darin etwas gefunden, was ihnen zusagte, und zugleich etwas, wozu sie fremd standen. Mit den einen teilte er die Neigung, mit den andern die Absicht. Das Ziel aber stand wie auf einem hohen Berge, zu dem man noch kaum vorher mit freiem Blick aufgeschaut hatte. So waren die Gemüter innerlich nur noch mehr erregt und brauchten einige Zeit, sich mit diesem Eindruck abzufinden.
Am schnellsten fand wieder Arnold Hecht ein Wort der Erwiderung. Wir wollen nicht streiten, sagte er, ob wir lieber des Ordens oder des Königs Untertanen sein mögen, sondern ihnen den Streit um uns überlassen, da man uns ja doch nicht fragt. Genug, daß wir in dem einig sind, was uns jetzt zu beschließen vorliegt – der eine aus diesen, der andere aus anderen Gründen. Es kann viele Gründe geben, aus denen eine Sache gut oder schlecht ist, und ich halte nicht viel davon, was man sich so oder so hinterher zurechtlegt, je nachdem man will oder nicht will. Wenn aber die entgegengesetzten bei einem Punkte zusammentreffen, auf den mag man sich sicheren Fußes stellen. Sagen wir nein, so haben wir nun wahrlich Gründe die Fülle – ich fürchte, dem Herrn Hochmeister und seinem Orden werden sie sämtlich nicht gefallen. Ist es Euch also recht, Herr Bürgermeister, so stimmen wir ab. Sage jeder seine Meinung offen und geradeheraus, damit jeder Teil weiß, an wem er einen Halt hat.
Soll also die Stadt Danzig dem Herrn Hochmeister auf seine Bitte schossen, was ihr von dem allgemeinen Schoß auferlegt ist? fragte Letzkau. Antwortet darauf vom Jüngsten bis zum Ältesten.
Nein – nein – nein – ging's reihum, selten einmal wurde ein schüchternes Ja vernehmbar. Die Freunde des Ordens