Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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Nun wagten sich die Männer aus allen Ständen lauter vor, die heimlich auf seiten des Ordens geblieben waren und des Königs Regiment keine lange Dauer versprochen hatten. Viele von denen aber, die sich auf Jagellos Zusicherungen verlassen hatten, schrien über Verrat und überhäuften ihn mit Schmähungen und Vorwürfen.

      Es kam zu schweren Wortkämpfen im Artushof, der nun allabendlich so gefüllt war, daß die Knechte des Kellermeisters Mühe hatten, mit ihren Bierkrügen zu den Tischen durchzudringen. Im kleinen Hof zeigte sich der Zwiespalt der Meinungen wie im großen. Die alten Geschlechter in der St.-Georgs-Brüderschaft und namentlich viele Herren auf der Schöppenbank hielten zum Orden und wollten wieder in gutes Einvernehmen zu ihm treten; die jüngeren aus dem Rat mit ihren Verwandten sprachen dem König das Wort und versicherten, daß er nur im Augenblick nachgegeben habe, in Jahr und Tag aber wieder über das ganze Land Herr sein werde. Wer ihm dann treu geblieben sei, der möge auf guten Lohn rechnen.

      Welche Torheit, rief Arnold Hecht, sich einzubilden, daß dies des Liedes Ende sei! Nun erst recht wird's heißen: Musikanten, spielt auf! Und nehmt euch in acht, daß eure Stimme nicht vor der Hand heiser wird; je lauter man sie in Krakau hört, um so besser! Glaubt ihr, der König sei so nahe am Ziele gewesen, um ihm für immer den Rücken zu wenden? Weil er jetzt zurückgeht, aha! Aber wißt ihr nicht, wie es die Springer machen, die über einen hohen Gegenstand hinwegsetzen wollen? Sie nehmen einen Anlauf, um so weiter, desto kühner der Sprung. Und wer einen tüchtigen Schlag führen will, holt der nicht mit der Hand aus? Was da zu Thorn verschrieben ist, hat noch keiner von uns gesehen. Ich für meinen Teil verwette meine drei größten Weichselschiffe, daß man uns nur sagt, was man uns hören lassen will. Es wird da wohl geheime Artikel geben, die seinerzeit zum Vorschein kommen, wenn wir das Gericht verdaut haben, das man uns jetzt aufträgt. Beißt nur blindlings zu! Ich aber tue die Augen auf, daß ich mir an dem eingebackenen Pfeffer nicht die Zunge verbrenne.

      An Beifall zu solchen Reden fehlte es ihm nicht; aber auch der Widerspruch blieb nicht aus. Es zeigte sich nun klar, daß der König sich zuviel zugetraut. Deshalb habe er nicht einen Waffenstillstand, sondern ganz ernstlich einen ewigen Frieden geschlossen und werde am wenigsten für die preußischen Städte das Schwert ziehen.

      Darauf antwortete Arnold Hecht mit lautem Lachen. Merkt ihr nicht, fragte er, wie ernst er's meint, da er schon jetzt künftigem Streit Tür und Tor offengelassen hat. Absichtlich ist das Wichtigste nicht verglichen, um das doch der Krieg ausbrach. Und wer soll entscheiden? Der Papst! Der Papst, der dem Orden nie Gutes gegönnt hat und jetzt begierig die Gelegenheit ergreifen wird, mit Hilfe der Polen sein geistliches Regiment in Preußen zu kräftigen. Wird der Orden sich fügen, wenn's an sein Lebensmark geht? Nimmermehr! Und das weiß der König. Deshalb wird er's nicht sein, der den Frieden bricht, sondern der Orden wird ihn brechen. Daß der Hochmeister diesen Schiedsrichter angenommen hat, das beweist am besten, wie schwach der Orden sich fühlt. Um diesen Preis hat er Frieden erlangt, aber nur für kurze Frist, und wenn er dann wieder das Schwert ziehen wird, um Unleidliches abzuwehren, wird die Hand lahm sein, die an diesen Vertrag das Siegel gehängt hat.

      Es wurde diesen Abend so laut im Hofe, daß die Hofherren die Glocke läuten und vor der gewohnten Stunde die Hallen räumen lassen mußten.

      Indessen war auch Konrad Letzkau nach Hause zurückgekehrt. Er hatte sich, als er von den Friedensverhandlungen hörte, zum Hochmeister nach Thorn begeben, um über den Erfolg seiner Werbungen Bericht zu erstatten, und war sehr gütig aufgenommen worden. Plauen bat ihn, in seiner Nähe zu bleiben, da er sich in diesen mehr und mehr verwickelten Händeln der geschicktesten Ratgeber versichern müsse. Als er nun aber nach geschlossenem Frieden seine Zusage für Danzig forderte, zeigte sich Letzkau jetzt zu seiner Verwunderung rückhaltig und unzufrieden. Gnädigster Herr, sagte er, ich habe Euch mit meiner Person gedient, selbst auf Gefahr meines Lebens und bürgerlichen Ansehens, und was ich ferner für Euch tun kann, soll gern getan sein. Aber ich bin nur ein einzelner Mann und kann mich nicht verpflichten für andere. Wollen Ew. Gnaden die Rechte Stadt Danzig in Ihren Rat berufen, so will ich zusehen, ob ich Vollmacht von denen erhalte, die mächtig sind, sie zu geben, und will dann antworten für die Stadt Danzig, es sei zustimmend oder ablehnend. Jetzt aber kann ich das nicht, und so enthalte ich mich billig eines jeden Versprechens.

      Darüber ward der Hochmeister ungehalten und entgegnete: Bin ich nicht deinem Rat gefolgt, Konrad? Wie geschieht es denn nun, daß du plötzlich andere Wege gehst?

      Ich gehe nicht andere Wege, antwortete Letzkau freimütig, aber Ew. Gnaden gehen nicht die meinigen, deshalb treffen wir nicht zusammen.

      Habe ich nicht das Land befragt in allen wichtigen Dingen, die zu handeln waren?

      Ew. Gnaden haben einige Eingesessene des Landes berufen und befragt, aber sie sind nicht das Land.

      Wie? Die gewählten Bürgermeister der großen Städte, die edelsten von den Gutsherren aus allen Gebieten … Wen anders sollte ich befragen?

      Es stand Ew. Gnaden zu, sich Rats zu erholen, wo Ew. Gnaden es für gut befanden – in allen Dingen, die der Herr Hochmeister zu richten hat mit seinen Gebietigern. Fordern Ew. Gnaden dazu erfahrener Leute Rat außerhalb, so mögen Ew. Gnaden wählen nach ihrem Vertrauen, denn niemand hat ein Recht, zu verlangen, daß er befragt werde, und niemand ein Recht, sich zu beschweren, daß er nicht befragt werde: was da geschieht, geschieht zu Ew. Gnaden Nutz und Frommen allein. In einem aber ist's anders.

      In welchem einen?

      In dem, gnädiger Herr, daß das Land zinsen und schossen soll, was es nicht schuldig ist. Denn der Orden hat dem Lande Kulmisch Recht gegeben, und die Kulmische Handfeste besagt, daß der Orden niemand beschweren wolle mit Zöllen und Abgaben, welchen Namen sie auch haben mögen, außer dem, was verbrieft ist, und daß das Land frei davon sein soll für ewige Zeiten. Fordert der Orden nun gleichwohl ein Geschoß, weil die Not drängt und seine Kassen leer sind, so wendet er sich an jedes einzelnen guten Willen, und allegesamt sind sie das Land. Ich aber kann nicht bewilligen für meinen Nachbar, und mein Nachbar nicht für mich; darum ist's billig, daß wir beide befragt werden, gnädiger Herr.

      Wie sollte das geschehen, Konrad, daß ich jeden einzelnen im Lande frage? Es sind ihrer allzu viele.

      Wie geschieht es, gnädiger Herr, wenn die Hansa zu einem gemeinsamen Unternehmen des Geldes bedürftig ist? Sie macht ein Ausschreiben an ihre Glieder, und ihre Glieder sind die Städte. Wie aber jede Stadt nach ihren Gewohnheiten einig werden mag über ihren Sendboten und welche Vollmacht sie ihm auf den Weg nach Lübeck gibt, das ist jeder Stadt Sache. Was dann bewilligt ist, das ist bewilligt für die Stadt. Also kann es auch geschehen, wenn von der Herrschaft ein Geschoß gefordert wird innerhalb Landes, zu dem niemand pflichtig ist. Die Stadt zwingt ihre Bürger, aber was die Stadt tut, tut sie aus freiem Willen! Wird die Stadt gefragt, so wird jeder gefragt, der Stadtrecht hat, und antwortet die Stadt, so antwortet sie für alle, die zu ihr gehören. Wie sie aber antwortet, so muß ich's nehmen.

      Allerdings, gnädiger Herr, es ist ihr Recht.

      Es ist ein neues Recht, das noch nie geübt ward in diesem Lande.

      So ist auch die Forderung neu im Lande, und die Pflicht der Herrschaft zu schossen, noch ungeübt. Euer Vorfahr, Herr Konrad von Wallenrod, versuchte eine solche Schatzung und hat viel Anfechtung deshalb erfahren, so daß man ihm noch jetzt das Böseste nachsagt. Ich wollte nicht, daß man sich dessen erinnerte, da ich Ew. Gnaden nur Gutes wünsche.

      Der Hochmeister schwieg eine Weile und sah nachdenklich vor sich hin. Dann hob er die Hand, drohte mit dem Zeigefinger und sagte: Konrad, Konrad! Ich merke wohl, daß dir deine Stadt näher am Herzen liegt als das Land. Du meinst des Ordens Not nützen zu können, um der Städte Macht zu mehren und sie mit ins Regiment zu setzen. Das andere kümmert dich wenig. Aber wisse, daß die Zeit noch nicht gekommen ist! Kein Machthaber beschränkt sich freiwillig, und muß er nachgeben, so weicht er Schritt nach Schritt, um jeden kämpfend. Das solltest du von mir nicht zu lernen brauchen. Rufen die großen Städte die kleinen herbei, wenn sie bestimmen wollen, was Rechtens sei im Handel? Und nehmt ihr Kaufherren den Handwerker in euren Rat, damit er mit euch festsetze, was für die Stadt gelten soll? Wer die Macht hat, mag sie nicht teilen, er werde denn zur Nachgiebigkeit gezwungen. Es zwingt mich aber nichts, daß ich mit den Städten wegen