Nun fing das Mädchen aber noch heftiger zu weinen an und sagte: Könntet Ihr nur den Vater um Rat fragen! Aber er weiß Junker Heinz lieber unter den Toten als unter den Lebenden und wird sich erzürnen, wenn ich ihn um Erlaubnis bitte, seinetwegen Erkundigung einzuziehen.
Darüber kann kein Zweifel sein, meinte die Amme. Wollt Ihr Eurem Vater gefallen, so denkt überhaupt nicht mehr an den Junker, er mag nun im Himmel oder auf Erden sein. Nehmt Euch's lieber ein wenig zu Herzen, daß Herr Rambold von Xanten sich um Euch viel Mühe gibt – wahrlich, ein feiner Mann und dem Vater genehm.
Davon sprich mir nur gar nicht! rief das Mädchen mit ungewöhnlicher Heftigkeit. Ich mag seine Bewerbungen nicht annehmen und überhaupt keines Mannes Bewerbungen mit einem so traurigen Herzen. Wahrlich, du hast mich nicht lieb, wenn du mir raten kannst, zu vergessen – und gerade jetzt, wo neue Hoffnung – Ach, sage mir, was ich tun und lassen soll, aber – rate zum Guten!
Barbara wich vorsichtig aus. Es tue ihr schon leid, antwortete sie, daß sie geplaudert habe; es sei ihr auch so unüberlegt gekommen, und sie wolle sich wohl ein andermal hüten. Denn wo kein Ziel abzusehen sei, da sei's besser, lieber gar keinen Anlauf zu nehmen.
Maria aber trug sich mit der Sache einen ganzen Tag und eine lange Nacht, und dann sagte sie: Es stößt mir das Herz ab – ich kann in solcher Ungewißheit nicht leben. Wenn's ein Unrecht ist, daß ich des Vaters Verbot nicht achte, so ist's gewiß noch ein viel größeres Unrecht, wenn ich die Pflicht gegen den Liebsten so sträflich versäume. Geh also in Gottes Namen ins Kloster, Barbara, und bitte den Pater, daß er die Schloßherren bewege, ihm den Brief anzuvertrauen. Wenn er uns dann eine Stunde nennt, will ich dich begleiten. Es darf sonst niemand davon wissen.
Barbara redete nun wohl nochmals ab, aber nicht sehr ernstlich; sie wußte auch, daß es überflüssig sein würde. Gegen Abend ging sie also wieder zu den Schwarzmönchen und richtete ihre Bestellung aus. Man hieß sie am anderen Tage um dieselbe Stunde mit dem Fräulein wiederkommen.
Als sie sich dann, in Pelze und Tücher gehüllt, daß man sie auf der Straße nicht erkennen sollte, im Kloster einfanden, wurden sie in die Liberei geführt, die neben des Priors Gemächern lag, und aufgefordert, an dem runden, mit Folianten beschwerten Tisch Platz zu nehmen. Bald kam von dort ein zweiter Pater heraus. Hochaufgerichtet und mit festem Schritt ging er über den Ziegelboden auf den Tisch zu und ließ sich auf des Priors Ledersessel nieder. Die Kutte reichte ihm nicht bis auf die Füße, die statt mit Sandalen mit schweren Stiefeln bekleidet waren, an denen ein geübtes Auge über dem Blatt die Stelle hätte erkennen können, die sonst der Sporenriemen zu decken pflegte. Unter der Kapuze schaute ein bärtiges Gesicht vor. Die Augen musterten keck das junge Fräulein, das die Hände gefaltet hatte und in ängstlicher Erwartung auf die Tischplatte hinabblickte.
Barbara, die keinen Grund zur Verschämtheit hatte, flüsterte ihrem Beichtiger zu: Ist das der Pater Severus? Er nickte eine bejahende Antwort, zog sich dann in eine Ecke des Gemaches zurück und kehrte das Gesicht einer Wandnische zu, in der auf eichenen Brettern einige Bücher standen.
Seid Ihr Maria, des Kaufherrn und Ratmanns Huxer Tochter? fragte der Bärtige mit rauhem Ton, mehr wie ein Richter, der einen Zeugen vernimmt, als in mönchischer Weise.
Maria schrak denn auch zusammen, faßte sich aber und antwortete: Die bin ich, ehrwürdiger Pater. Ich kam hierher, um zu fragen –
Das Fragen ist zunächst an mir, unterbrach er. Gebt mir offene und ehrliche Auskunft, es wird zu Eurem Besten sein, hoffe ich. Was wißt Ihr von dem Junker Heinrich von Waldstein, wie kam er nach Danzig, von wo kam er, wie lange blieb er, wann ging er, und wie war Euer Verkehr mit ihm? Über alle diese Fragen will ich genau unterrichtet sein.
Er hatte den Namen genannt, den sie erforschen wollte, und so lieblich klang er ihr, daß sie darüber das herrische Wesen des Fragenden nicht beachtete. Sie erzählte, was sich von des Junkers Aufenthalt in Danzig erzählen ließ, ohne ihn tiefer in ihr Herz blicken zu lassen.
Und er versprach den Ring zu tragen zu Eurem Andenken, bis er wiederkäme und sich Eure Hand erbäte? forschte Pater Severus weiter.
Sie senkte die Augen und wurde rot. Er sprach etwas der Art, sagte sie leise.
Und wie kam der Ring wieder an Euch zurück?
Darüber erhielt er ganz offenen Bericht. Den Junker Hans von der Buche, bemerkte er, habe ich selbst in der Marienburg bei meinem Bruder gesehen –
Der Mönch an dem Büchergestell wandte rasch den Kopf zurück und hustete in die Hand. Pater Severus merkte auf und schlug mit der Hand in die Luft. Schon gut! rief er lachend. Ist er nicht eines Eidechsenritters Sohn?
Das weiß ich nicht, antwortete Maria verschüchtert.
Hat Euer Vater sonst Verkehr gehabt mit denen aus dem Kulmer Lande?
Ich habe mich um dergleichen nie gekümmert.
Wer von den Ratsherren geht bei euch am häufigsten aus und ein?
Ehrwürdiger Pater –
Ei, sprecht ohne Scheu. Arnold Hecht, der Bürgermeister – nicht wahr? Der kommt oft? Er ist ein alter Freund des Hauses. Und Konrad Letzkau? Der ist noch nicht daheim. Freilich! Aber Barthel Groß, der seine Tochter zum Weibe hat, der ist doch dabei? Hat er nicht gestanden, daß er den besten Teil unserer Stuterei dem König ausgeliefert hat – he?
Ich weiß von diesen Dingen nichts, versicherte das Mädchen, ihn verwundert ansehend, und der Mönch hinter ihr hustete wieder.
Pater Severus faßte mit der Unterlippe den Bart und zog ihn zwischen die Zähne. Ein andermal mehr davon, murmelte er, wir müssen erst miteinander bekannt werden.
Und der Brief, ehrwürdiger Pater – fragte sie scheu.
Nun, wenn Euch das beruhigen kann, der Brief kommt ohne Zweifel von demselben Heinrich von Waldstein, der hier beim Ringstechen zu Euren Ehren seine Künste hat glänzen lassen. Er mag ein ganz braver Geselle sein, aber daß er des Hochmeisters Verwandter ist, davon weiß ich nichts. Viel mehr, als daß er an seinen Wunden auf einem Schlosse Sczanowo krank liegt, ist auch aus dem Briefe nicht zu entnehmen, und auch das scheint mir nicht unverdächtig. Denn als die Tannenberger Schlacht geschlagen wurde, schrieben wir Juli, und jetzt geht's in den Februar hinein. Was sind das für Wunden, die einem nicht den Garaus machen und doch in so langer Zeit nicht heilen? Aber seht selbst, wie Ihr mit diesen Nachrichten fertig werdet. Er faßte in den Ärmel seiner Kutte und schob ihr ein Papier über den Tisch zu. Da ist der Brief. Lest ihn zu Hause aufmerksam; ich will nach einigen Tagen kommen, ihn wieder in Empfang zu nehmen, überlegt indessen auch, ob Ihr mir etwas aufzutragen habt.
Damit stand er auf, grüßte kurz und entfernte sich wieder nach des Priors Gemächern. Maria hatte hastig den Brief aufgenommen und ihn unter dem Pelz in die Gürteltasche geschoben. Ganz Freude darüber, im Besitz dieses unschätzbaren Dokumentes zu sein, sah und hörte sie nichts mehr.
Barbara küßte ihres Beichtvaters Hand, zupfte das Fräulein am Mantel, daß es sich verbeugen und den Segen annehmen möchte, knickste im Kreuzgange vor jedem Heiligen an der Wand, griff auch am Ausgange in das Becken mit Weihwasser und besprengte ihre Begleiterin, die alle diese Pflichten einer guten Christin außer acht ließ.
Erst als sie dicht an den Häusern auf dem festgetretenen Schnee die Dammstraße entlang gingen, sagte sie: Den Pater Severus hab' ich nie vorher im Kloster gesehen; er muß erst kürzlich von auswärts gekommen sein und lange unter wildem Volk gehaust haben, daß er sich eine so rauhe Sprache angewöhnt hat. Man glaubt eher einen Kriegsmann als einen Mönch zu hören, und das Kreuz hat er nicht ein einziges Mal geschlagen. Ist Euch das nicht aufgefallen, Herzenskind?
Ich