Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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befestigen. So ist es auch mit dem Handel. Es nützt nicht, daß man ein stattlich Kaufhaus erbaut und Waren auflegt und Geld in den Beutel füllt. Der Handel hat seine alten Straßen und Verkehrsplätze, und wer dort gehen und verkehren will, muß zugelassen sein von denen, die Besitz ergriffen haben. Die aber im Besitze sind, halten zusammen. Wie sollen wir etwas unternehmen gegen die mächtige Hansa? Die Lübecker lassen niemand in den Bund, der nicht frei über sich verfügen kann, und wir –

      Er stockte und trocknete den Schweiß von der Stirn. Der Komtur lachte auf: Aha, da steckt's! Ihr möchtet frei sein wie die Rechtstädter. Hat der Orden nicht genug an dem einen Wespennest?

      Gnädiger Herr, entschuldigte der Bürgermeister, wir sind allezeit dem Orden treu und ergeben gewesen und haben nicht größere Freiheit begehrt, als uns billig gewährt worden. Aber scheltet nicht unsere Schwäche. Wohin sollen wir uns wenden? Überall nimmt die Rechtstadt Danzig an den hanseatischen Privilegien teil und schließt uns aus. Kommen wir nach London, da haben wir Deutsche keine Sicherheit, außer im Stahlhof. In Brügge mag der Orden seinen Bernstein verkaufen, aber wer sonst Handel treiben will, muß der Faktorei genehm sein. Seit zwei Jahren haben die preußischen Städte von König Albrecht ihre eigene Vitte erlangt zwischen der Lübecker Vitte und den dänischen Buden am Strande. Wer setzt aber den Vogt dort ein? Die Danziger Rechtstadt mit drei anderen großen Städten. Und wenn wir nun unsere Schuten schicken zur Schonenzeit, den Hering zu fischen, da treibt man uns fort. Und so geht's auch im St.-Petershof zu Groß-Nowgorod und in Wisby und im Kontor zu Kauen. Der Orden kann uns nicht schützen; er ist selbst allerorten ungern gesehen, wo er mit seinen Waren Handel treibt, und alle Feindschaft der Rechtstadt schreibt sich daher.

      Der Komtur schlug mit der Faust auf den Tisch. Da könnt Ihr recht haben. Aber wir wollen ihren Übermut wohl dämpfen, bei der Jungfrau Maria und allen Heiligen sei's geschworen! Sie sind nicht so frei, als sie sich's dünken. Ihr aber überleget, wie wir zu unser beider Nutz Hand in Hand gehen.

      Damit verabschiedete er den Rat der Jungstadt. Die Ratmannen trennten sich schweigend und schlichen in ihre Häuser. Jeder aber dachte wie der andere: Der neue Komtur ist ein gar gewaltiger und strebsamer Herr, aber von Handelssachen versteht er wenig und wird uns um das Letzte bringen, wenn er uns in die Feindschaft mit der Rechtstadt hineintreibt.

      Auch mit der Altstadt machte der Komtur kurzen Prozeß. Die große Mühle, die der Orden dort am Radaunefluß mitten unter den Bürgerhäusern hatte, war den Altstädtern wenig genehm. So hatten sie denn auch die Zeit, da die Polen vor dem Schlosse lagen, benutzt, den Mühlmeister zu vertreiben und die Tore zu schließen. Nun mußten sie sich demütigen und froh sein, daß ihnen keine Buße auferlegt wurde; der Ordensmühlmeister zog aber wieder ein und übte schweren Druck.

      Es dauerte auch nicht lange, so band der Komtur mit den Rechtstädtern an.

      Der Vogt von Grebin hatte des Ordens Stuterei, weil er sie unter seiner Aussicht vor den Polen nicht sicher hielt, dem Ratmann Bartholomäus Groß in Bewahrung gegeben. Nun es zur Rückgewähr kam, machte dieser zunächst eine Forderung wegen der Futterkosten geltend, worüber man sich nicht einigen konnte, und behauptete auch, daß der königliche Hauptmann hinter die Sache gekommen sei, seinen Schutz verworfen und einen Teil des Ordenseigentums als gute Beute fortgeführt habe. Der Komtur dagegen wollte solche Ausrede nicht gelten lassen und beschuldigte ihn, daß er selbst dem polnischen Hauptmann aus Haß gegen den Orden das in der Not anvertraute Gut verraten habe. Davon meinte Barthel Groß sich wohl vor jedem Gericht ledig schwören zu können, und bestand nun um so hartnäckiger auf seiner Forderung. Der Komtur drohte mit Gewalt, der Ratmann mit einer Klage beim Herrn Hochmeister.

      Dann verlangte Plauen genauen Ausweis über die Sachen, die dem St.-Elisabeth-Hospital gehörten und dem Spittler desselben abgenommen waren. Es hieß darauf, sie lägen sicher in des Bürgermeisters Hause, und derselbe werde sich dieserhalb wohl verantworten, wenn er von seiner Reise zurückkäme. Der Komtur aber sprach von geraubtem Kirchengut, wollte sich nicht hinhalten lassen und forderte sofortige Ablieferung aufs Schloß. Darauf bekam er denn gar keine Antwort. In die Stadt ließ man seine Leute nicht ein. Man wies sie am Haustor mit dem Bemerken ab, es sei noch nicht sicher, ob die Stadt dem König oder dem Orden gehöre, und sie wollten bis zum Friedensschluß keine Neuerung machen.

      Dann, gegen Weihnachten, als der Hochmeister von neuem scharf zum Kriege rüstete und von Thorn aus an die Gebietiger schrieb, daß sie ihm in ihren Gebieten eine gute Mannschaft sammelten, machte der Danziger Komtur in gewohnter Weise sein Ausschreiben auch an die Städte. Die anderen gehorsamten; der Rat der Rechtstadt aber auf den Vorschlag Arnold Hechts, der in Letzkaus Abwesenheit überall das Wort führte, schickte das Schreiben zurück und verwahrte sich gegen jede solche Pflicht, solange die Stadt nicht des Eides entledigt sei, den sie dem Herrn König geschworen.

      Der Komtur ergrimmte über solchen Hohn, nannte die Danziger Schandbuben und Verräter und forderte den ganzen Rat aufs Schloß bei Strafe des Ungehorsams. Er mußte aber bald merken, daß er's nicht mit den Jungstädtern zu tun hatte. Der Rat gab zur Antwort, daß er sich wohl hüten werde, in die Falle zu gehen. Es sei jetzt nicht wie ehedem. Sie hätten unausgeglichene Sachen, und darüber müsse ein Mächtigerer entscheiden. In ihres Feindes Gewalt wollten sie sich aber bis dahin nicht geben. Doch seien sie bereit, Rede zu stehen, wenn der Herr Komtur in der Marienkirche Bürgermeister und Rat befragen möge, und solle ihm da vor Gottes Altar kein Leides geschehen, vielmehr mit aller schuldigen Achtung begegnet werden.

      Darüber erzürnte sich der Komtur noch mehr und drohte, daß er den Schimpf rächen wolle. Für jetzt aber konnte er doch nichts tun, die Danziger zu strafen. Denn ihre Mauern waren stark und gut bewehrt. So schluckte er denn für diesmal zähneknirschend die bittere Pille hinunter. Doch schrieb er seinem Bruder, dem Hochmeister, nach Thorn, wie widersetzlich das Krämervolk sei, daß er wohl recht gehabt habe, nur durch Zwang werde die alte Ordnung herzustellen sein. Der Hochmeister möge die Danziger da fassen, wo es ihnen am empfindlichsten sei, und den polnischen Stapel nach Elbing verlegen, zugleich zur Belohnung für die Fügsamkeit dieser Stadt.

      Das geschah nun freilich auch. Aber die Danziger lachten dazu, denn es war jetzt Winter und auch ohnedies die polnische Grenze wegen des Krieges gesperrt. Bis zum Sommer aber konnten sich die Dinge sehr verändert haben.

      So standen Rechtstadt und Schloß einander gegenüber wie zwei bewaffnete ergrimmte Feinde, zum Losschlagen bereit und nur abwartend, ob sich der andere Teil eine Blöße gebe.

      Der Monat Januar näherte sich seinem Ende. Da meldete sich eines Tages der polnische Jude Moses Achacz auf dem Schlosse und gab an den Komtur einen Brief ab. Man fragte ihn aus, fand aber an ihm nichts Verdächtiges. Er hatte vom Thorner Rat einen Geleitschein und war, nachdem er sich eine Woche in dortiger Stadt aufgehalten, nach Danzig gekommen, um wegen eines Holzgeschäftes zu verhandeln. Den Brief hatte ihm der Kaplan in Sczanowo übergeben; dort liege, wie er gehört habe, einer vom Orden schwer krank. Deshalb habe er auch kein Bedenken gehabt, das Schreiben über die Grenze mitzunehmen »aus Barmherzigkeit«, sagte er, weil es doch sein letzter Wille sein könnte.

      Der Komtur ließ ihm befehlen, sich vor seiner Abreise wieder auf dem Schlosse zu melden, auch einen blanken Botenlohn bieten. Er hatte den Brief gelesen und alles in Ordnung gefunden.

      Ihm war ein junger Mensch, der sich Heinrich von Waldstein nannte, vor Jahren im Schlosse des Vetters, des Vogts zu Plauen, unter dessen Hofleuten begegnet; er hatte ihn aber wenig beachtet und wußte auch nichts davon, daß er nach Preußen gekommen war und bei Tannenberg gefochten hatte. Nun mußte es ihm wohl auffallen, daß er sich einen Verwandten des Hochmeisters nannte, auch von einer Schwester sprach.

      Der Inhalt des Briefes war ihm schon deshalb nicht gleichgültig. Es ergaben sich daraus aber auch Beziehungen des Schreibers zu Danzig, insbesondere zu einer hochansehnlichen Familie der Rechten Stadt. Der Komtur kannte Huxer nicht, aber er wußte, daß er im Rat saß und zu den Freunden des Bürgermeisters Hecht gezählt wurde, wennschon man ihn »gemäßigt« nannte. Die Einschränkung bedeutete ihm nicht viel. Nun schien dieser Brief eine Anknüpfung im Hause eines der angesehensten Großbürger zu ermöglichen, der mit den Plänen der Verschwörer vertraut sein mußte. Hatten sie Zusammenkünfte, so konnte dies den Hausgenossen nicht verborgen bleiben. Sein Töchterchen, meinte er, würde wohl zum Sprechen