Es findet sich am Oberarmbein noch eine andere Durchbohrung oder ein Loch, welches gelegentlich beim Menschen vorhanden ist und das intercondyloide genannt werden kann. Dieses kommt, wenn auch nicht constant, bei verschiedenen anthropomorphen und anderen Affen,52 aber gleichfalls bei vielen der niederen Säugethiere vor.
Es ist merkwürdig, daß dies Loch während alter Zeiten viel häufiger vorhanden gewesen zu sein scheint, als in neuerer Zeit. Mr. Busk53 hat über diesen Gegenstand die folgenden Beweisstücke gesammelt: Professor Broca »beobachtete die Durchbohrung an 4½ % der von ihm auf der Cimetière du Sud in Paris gesammelten Armknochen, und in der Höhle von Orrony, deren Inhalt der Bronzeperiode zugeschrieben wird, fand sie sich selbst an acht Oberarmbeinen unter zweiunddreißig. Dieses außerordentliche Verhältnis glaubt er aber dem Umstande zuschreiben zu müssen, daß die Höhle vielleicht eine Art ›Familiengruft› gewesen ist. Ferner fand Mr. Dupont 30 % durchbohrter Armknochen in den Höhlen des Lesse-Thals, welche der Rennthierperiode angehören, während Mr. Leguay in einer Art von Dolmen in Argenteuil 25 % perforiert fand; und Pkuner-Bey fand von den Knochen von Vauréal 26 % in diesem Zustande. Auch darf man nicht unbeachtet lassen, daß Pruner-Bey angiebt, dieser Zustand sei bei Guanchenskeletten der gewöhnliche.« Die Thatsache, daß alte Rassen, in diesem Falle wie in mehreren anderen, häufiger als neuere Rassen Bildungen darbieten, welche denen niederer Thiere gleichen, ist interessant. Eine hauptsächliche Ursache hiervon scheint die zu sein, daß ältere Rassen in der langen Descedenzreihe ihren entfernten, thierähnlichen Urerzeugern etwas näher stehen als moderne Rassen.
Obgleich das Schwanzbein, mit gewissen anderen später zu beschreibenden Wirbeln, beim Menschen als Schwanz keine Function hat, so wiederholt es doch offenbar diesen Theil anderer Wirbelthiere. Auf einer früheren Embryonalperiode ist es frei und springt, wie wir gesehen haben, über die unteren Extremitäten vor, wie in der Zeichnung (Fig. 1) eines menschlichen Embryo zu sehen ist. In gewissen seltenen und anomalen Fällen54 hat man gefunden, daß es selbst noch nach der Geburt ein kleines äußeres Rudiment eines Schwanzes bildet. Das Schwanzbein ist kurz und enthält gewöhnlich nur vier Wirbel in einem rudimentären Zustande; sie bestehen mit Ausnahme des obersten nur aus dem Wirbelkörper.55 Sie sind mit einigen kleinen Muskeln versehen, von denen, wie mir Professor Turner mittheilt, der eine ausdrücklich von Theile als eine rudimentäre Wiederholung des Extensor des Schwanzes beschrieben worden ist. welcher bei vielen Säugethieren so kräftig entwickelt ist.
Das Rückenmark erstreckt sich beim Menschen nur bis zum letzten Rücken- oder ersten Lendenwirbel nach abwärts; doch läuft ein fadenartiges Gebilde (das filum terminale) in der Achse des Kreuztheils des Rückenmarkskanals und selbst dem Rücken der Schwanzwirbel entlang noch hinab. Der obere Theil dieses Gebildes ist, wie mir Professor Turner mittheilt, unzweifelhaft mit dem Rückenmarke homolog, der untere Theil besteht aber offenbar nur aus der pia mater oder der gefäßreichen Hüllmembran. Selbst in diesem Falle kann man sagen, daß das Schwanzbein eine Spur eines so wichtigen Gebildes wie des Rückenmarks trägt, wenngleich es nicht mehr in einen knöchernen Canal eingeschlossen ist. Die folgende Thatsache, für deren Mittheilung ich gleichfalls Professor Turner zu Dank verpflichtet bin, zeigt, wie genau das Schwanzbein dem wirklichen Schwanze bei niederen Thieren entspricht: Luschka hat nämlich neuerdings an der Spitze der Schwanzknochen einen sehr eigenthümlich gewundenen Körper entdeckt, welcher mit der mittleren Kreuzbeinarterie im Zusammenhang steht; diese Entdeckung veranlaßte dann Krause und Meyer, den Schwanz eines Affen (Macacus) und einer Katze zu untersuchen; bei Beiden fanden sie, wenn auch nicht gerade an der Spitze, einen ähnlich gewundenen Körper.
Die Fortpflanzungsorgane bieten verschiedene rudimentäre Bildungen dar; diese weichen aber in einer bedeutungsvollen Hinsicht von den vorstehenden Fällen ab. Wir haben es hier nicht mit dem Überbleibsel eines Theiles zu thun, welcher der Species nicht mehr in einem functionsfähigen Zustande angehört, vielmehr mit einem Theile, welcher beständig bei dem einen Geschlecht vorhanden und in Function ist, während er in dem anderen durch ein bloßes Rudiment vertreten wird. Nichtsdestoweniger ist das Vorkommen solcher Rudimente ebenso schwer unter Zugrundelegung des Glaubens an die besondere Schöpfung jeder einzelnen Species zu erklären, wie die vorhin erörterten Fälle von Rudimenten. Ich werde später auf diese Rudimente zurückzukommen haben und werde zeigen, daß ihr Vorhandensein allgemein nur auf Erblichkeit beruht, insofern nämlich, als das eine Geschlecht Theile erlangt hat, welche zum Theil auch dem anderen überliefert worden sind. An dieser Stelle will ich nur einige Beispiele solcher Rudimente anführen. Es ist allgemein bekannt, daß bei den Männchen aller Säugethiere, mit Einschluß des Menschen, rudimentäre Brustdrüsen vorhanden sind; diese haben sich in mehreren Fällen vollständig entwickelt und haben eine reichliche Menge von Milch gegeben. Ihre wesentliche Identität bei beiden Geschlechtern zeigt sich gleichfalls durch ihre sympathische Vergrößerung bei beiden während der Masern. Die sogenannte Vesicula prostatica, welche bei vielen männlichen Säugethieren beobachtet worden ist, ist jetzt ganz allgemein für das Homologon des weiblichen Uterus in Verbindung mit dem damit verbundenen Canal anerkannt worden. Man kann unmöglich Leuckart's klare Beschreibung des Organs und seine Betrachtungen darüber lesen, ohne die Richtigkeit seiner Folgerungen zuzugeben. Dies wird besonders bei denjenigen Säugethieren deutlich, bei welchen der weibliche Uterus sich gabelförmig theilt; denn bei den Männchen derselben ist die Vesicula prostatica in gleicher Weise getheilt.56 Es ließen sich noch andere rudimentäre Bildungen, die zu dem Fortpflanzungssystem gehören, hier anführen.57
Die Tragweite der drei großen, jetzt mitgetheilten Classen von Thatsachen ist nicht mißzudeuten. Es würde aber überflüssig sein, hier die ganzen Folgerungen, welche ich im Einzelnen in meiner »Entstehung der Arten« gegeben habe, zu wiederholen. Die homologe Bildung des ganzen Körpers bei den Gliedern einer und derselben Classe ist sofort verständlich, wenn wir ihre Abstammung von einem gemeinsamen Urerzeuger und gleichzeitig ihre spätere Anpassung an verschieden gewordene Bedingungen annehmen. Nach jeder anderen Ansicht ist die Ähnlichkeit der Form zwischen der Hand eines Menschen oder eines Affen und dem Fuße eines Pferdes, der Flosse einer Robbe, dem Flügel einer Fledermaus u. s. w. völlig unerklärlich.58
Es ist keine wissenschaftliche Erklärung, wenn man sagt, daß sie alle nach demselben ideellen Plane gebaut seien. In Bezug auf die Entwicklung können wir nach dem Princip, daß Abänderungen auf einer im Ganzen späteren embryonalen Periode auftreten und zu entsprechenden Altern vererbt werden, deutlich verstehen, woher