54 Quaterefages hat neuerdings die Beweise über diesen Punkt gesammelt. Revue des Cours Scientifiques. 1867-1868, p. 625. Im Jahre 1840 zeigte Fleischmann einen menschlichen Foetus, der einen frei vorspringenden Schwanz besaß, mit selbständigen Wirbelkörpern, was nicht immer der Fall ist. Dieser Schwanz wurde von den vielen, bei der Naturforscherversammlung in Erlangen anwesenden Anatomen kritisch untersucht (s. Marshall, in: Niederländ. Archiv für Zoologie. December, 1871).
55 Owen, On the nature of Limbs. 1849, p. 114.
56 Leuckart, in Todd's Cyclopaedia of Anatomy. 1849-52. Vol. IV, p. 1415. Beim Menschen ist dies Organ nur von drei bis sechs Linien lang, ist aber, wie so viele anderen rudimentären Organe, in Bezug auf seine Entwicklung, wie auf andere Merkmale, variabel.
57 s. hierüber Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 675, 676, 706.
58 In einem neuerdings erschienenen und mit ausgezeichneten Illustrationen ausgestatteten Werke (La Théorie Darwinienne et la création dite indépendante. 1874) bemüht sich Prof. Bianconi, nachzuweisen, daß in den obigen wie in andern Fällen homologe Bildungen vollständig nach mechanischen Grundsätzen unter Berücksichtigung ihres Gebrauchs erklärt werden können. Niemand hat so gut gezeigt, wie wunderbar derartige Bildungen ihren Zwecken angepaßt sind; diese Anpassung lässt sich, wie ich glaube, durch natürliche Zuchtwahl erklären. Bei Betrachtung des Fledermausflügels wendet er (p. 218) etwas an, was mir wie ein (um Auguste Comte's Worte zu brauchen) bloß methaphysisches Princip erscheint, nämlich »die Erhaltung der Säugethiernatur des Thieres in ihrer Integrität«. Nur in einigen wenigen Fällen bespricht er Rudimente und dann auch nur solche Theile, welche theilweise rudimentär sind, wie die Afterklauen des Schweins und Ochsen, welche den Boden nicht berühren; von diesen weist er klar nach, daß sie dem Thiere von Nutzen sind. Unglücklicherweise betrachtet er solche Fälle gar nicht, wie die kleinen nie das Zahnfleisch durchbrechenden Zähne des Ochsen, oder die Milchdrüsen männlicher Säugethiere, oder die Flügel gewisser Käfer, die unter den verwachsenen Flügeldecken liegen, oder die Rudimente der Pistille und Staubfäden in gewissen Blüthen, und viele andere derartige Fälle. Obgleich ich Professor Bianconi's Werke große Bewunderung zolle, scheint mir doch die jetzt von den meisten Naturforschern getheilte Ansicht, daß homologe Bildungen nach dem Principe einfacher Anpassung unerklärlich seien, unerschüttert geblieben zu sein.
Zweites Capitel.
Über die Art der Entwicklung des Menschen aus einer niederen Form
Variabilität des Körpers und Geistes beim Menschen. – Vererbung. – Ursachen der Variabilität. – Die Gesetze der Abänderung sind dieselben beim Menschen wie bei den niederen Thieren. – Directe Wirkung der Lebensbedingungen. – Wirkungen des vermehrten Gebrauchs und des Nichtgebrauchs von Theilen. – Entwicklungshemmungen. – Rückschlag. – Correlative Abänderung. – Verhältnis der Zunahme. – Hindernisse der Zunahme. – Natürliche Zuchtwahl. – Der Mensch das herrschendste Thier auf der Erde. – Bedeutung seines Körperbaues. – Ursachen, welche zu seiner aufrechten Stellung führten; von dieser abhängende Änderungen des Baues. – Größenabnahme der Eckzähne. – Größenzunahme und veränderte Gestalt des Schädels – Nacktheit. – Fehlen eines Schwanzes. – Vertheidigungsloser Zustand des Menschen.
Offenbar unterliegt der Mensch gegenwärtig einer bedeutenden Variabilität. Nicht zwei Individuen einer und derselben Rasse sind völlig gleich. Wir mögen Millionen Gesichter unter einander vergleichen, jedes wird vom andern verschieden sein. Ein gleich großer Betrag von Verschiedenheit besteht in den Proportionen und Dimensionen der verschiedenen Theile seines Körpers. Die Länge der Beine ist einer der variabelsten Punkte.59 Wenn auch in einigen Theilen der Erde ein langer Schädel, in anderen Theilen ein kurzer Schädel vorherrscht, so besteht doch eine große Verschiedenheit der Form selbst innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse, wie bei den Ureinwohnern von Amerika und Süd-Australien – und die letzteren bilden »wahrscheinlich dem Blute, den Gewohnheiten und der Sprache nach eine so homogene Rasse, wie irgend eine existierende« – und selbst bei den Einwohnern eines so beschränkten Gebiets wie der Sandwich-Inseln.60 Ein ausgezeichneter Zahnarzt versicherte mich, daß die Zähne fast ebenso viele Verschiedenheiten darbieten wie die Gesichtszüge. Die Hauptarterien haben so häufig einen abnormen Verlauf, daß man es zu chirurgischen Zwecken für nützlich erkannt hat, aus 1040 Leichen zu berechnen, wie oft jede Verlaufsart vorkommt.61 Die Muskeln sind ausserordentlich variabel; so fand Professor Turner,62 daß die des Fußes nicht in zwei unter 50 Leichen einander genau gleich sind, und bei einigen waren die Abweichungen beträchtlich. Professor Turner fügt noch hinzu, daß die Fähigkeit, die passenden Bewegungen auszuführen, in Übereinstimmung mit den verschiedenen Abweichungen modificiert sein muß. Mr. J. Wood hat das Vorkommen von 295 Muskel-Varietäten an sechsunddreißig Leichen mitgetheilt63 und bei einer andern Reihe von derselben Zahl nicht weniger als 558 Varietäten, die an beiden Seiten des Körpers vorkommenden für eine gerechnet. Bei der letzten Reihe fehlen nicht an einem einzigen Körper unter den sechsunddreißig »Abweichungen von den gültigen Beschreibungen des Muskelsystems, welche die anatomischen Handbücher geben, vollständig.« Eine einzige Leiche bot die außerordentliche Zahl von fünfundzwanzig verschiedenen Abnormitäten dar. Derselbe Muskel variiert zuweilen auf vielerlei Weise; so beschreibt Professor Macalister64 nicht weniger als zwanzig verschiedene Abweichungen an dem Palmaris accessorius.
Der alte berühmte Anatom Wolff65 hebt hervor, daß die inneren Eingeweide variabler sind als die äußeren Theile: »Nulla particula est, quae non aliter et aliter in aliis se habeat hominibus.« Er hat selbst eine Abhandlung über die Auswahl typischer Exemplare der Eingeweide zu deren Darstellung geschrieben. Eine Erörterung über das ideal Schöne der Leber, Lungen, Nieren u. s. w., wie man das Ideal des göttlich schönen menschlichen Antlitzes erörtert, klingt für unsere Ohren wohl fremdartig.
Die Variabilität oder Verschiedenartigkeit der geistigen Fähigkeiten bei Menschen einer und derselben Rasse, der noch größeren Verschiedenheiten zwischen Menschen verschiedener Rassen gar nicht zu gedenken, ist so notorisch, daß es nicht nöthig ist, hier noch ein Wort darüber zu sagen. Dasselbe gilt für die niederen Thiere. Alle die Leute, welche Menagerien geleitet haben, geben diese Thatsache zu, und wir sehen dieselbe auch deutlich bei unseren Hunden und anderen domesticierten Thieren. Besonders Brehm legt auf die Thatsache Nachdruck, daß jeder individuelle Affe unter denen, welche er in Afrika in Gefangenschaft hielt, seine eignen ihm eigenthümlichen Anlagen und Launen gehabt habe; er erwähnt vorzugsweise einen Pavian wegen seiner hohen Intelligenz; und die