Der berühmte Bildhauer Mr. Woolner macht mich auf eine kleine Eigentümlichkeit am äußeren Ohre aufmerksam, welche er oft sowohl bei Männern wie bei Frauen beobachtet und deren volle Bedeutung er erfaßt hat. Seine Aufmerksamkeit wurde zuerst auf den Gegenstand gerichtet, als er seine Statue des »Puck« arbeitete, welchem er spitze Ohren gegeben hatte. Er wurde hierdurch dazu veranlaßt, die Ohren verschiedener Affen und später noch sorgfältiger die des Menschen zu untersuchen. Die Eigentümlichkeit besteht in einem kleinen stumpfen, von dem inneren Rande der äußeren Falte oder des Helix vorspringenden Punkte. Wenn er vorhanden ist, ist er bei der Geburt schon entwickelt und findet sich, nach Prof. Ludwig Meyer, häufiger beim Manne, als bei der Frau. Mr. Woolner hat ein sorgfältiges Modell eines solchen Falles gemacht und mir die beistehende Zeichnung (Fig. 2) geschickt. Dieser Punkt springt nicht bloß nach innen nach dem Mittelpunkte des Ohres hin, sondern oft etwas nach außen von der Ebene des Ohres vor, so daß er sichtbar wird, wenn der Kopf direct von vorn oder von hinten betrachtet wird. Er ist in der Größe und auch etwas in der Stellung variabel, indem er entweder etwas höher oder tiefer steht; zuweilen kommt er auch nur an dem einen Ohre und nicht gleichzeitig am andern vor. Sein Vorkommen ist nicht auf den Menschen beschränkt; ich beobachtete einen Fall bei einem Ateles beelzebuth im zoologischen Garten; und Dr. E. Ray Lankester theilt mir einen anderen Fall von einem Schimpanse im Hamburger zoologischen Garten mit. Der Helix besteht offenbar aus dem nach innen gefalteten äußeren Rande des Ohrs, und diese Faltung scheint in irgend einer Weise damit zusammenzuhängen, daß das ganze äußere Ohr beständig nach rückwärts gedrückt wird. Bei vielen Affen, welche nicht hoch in der ganzen Ordnung stehen, wie bei den Pavianen und manchen Arten von Macacus,34 ist der obere Theil des Ohrs leicht zugespitzt und der Rand ist durchaus nicht nach innen gefaltet. Wäre aber der Rand in dieser Weise gefaltet worden, so würde nothwendig eine kleine Spitze nach innen und wahrscheinlich auch etwas nach außen von der Ebene des Ohrs vorspringen; und so ist eine solche auch, wie ich glaube, in vielen Fällen entstanden. Andererseits behauptet Prof. L. Meyer in einem vor kurzem veröffentlichten guten Aufsatze,35 daß das Ganze bloß ein Fall von Variabilität sei, und daß die Vorsprünge nicht wirklich solche seien, sondern nur daher rührten, daß der innere Knorpel zu jeder Seite der Spitze nicht vollständig entwickelt sei. Ich bin völlig bereit zuzugeben, daß dies für viele Fälle, so für die von Prof. Meyer abgebildeten, wo mehrere sehr kleine Spitzen sich fanden oder wo der ganze Rand buchtig ist, die richtige Erklärung ist. Ich selbst habe durch die Gefälligkeit des Dr. L. Down das Ohr eines mikrocephalen Idioten sehen können, bei dem sich an der Außenseite des Helix und nicht an dem nach innen gefalteten Rande ein Vorsprung befand; die Spitze kann daher in diesem Falle in keiner Beziehung zu einer frühern Ohrspitze stehen. Nichtsdestoweniger scheint mir meine ursprüngliche Ansicht, daß diese Vorsprünge Überreste der Spitzen früher aufgerichteter und zugespitzter Ohren seien, noch immer die wahrscheinlich richtige zu sein. Ich glaube dies wegen der Häufigkeit des Vorkommens derselben und wegen der allgemeinen Übereinstimmung ihrer Stellung mit der der Spitze eines zugespitzten Ohrs.
Fig. 2. Menschliches Ohr, modelliert und gezeichnet von Mr. Woolner. a) der vorspringende Punkt.
In einem Falle, von dem mir eine Photographie zugesandt wurde, ist der Vorsprung so groß, daß, wenn man im Einklänge mit Prof. Meyer's Ansicht annehmen wollte, das Ohr würde durch die gleichmäßige Entwicklung des Knorpels, entlang der ganzen Ausdehnung des Randes vollständig werden, dieser ein ganzes Drittel des Ohres bedecken würde. Zwei Fälle sind mir mitgetheilt worden, einer von Nord-Amerika und einer von England, bei denen der obere Rand gar nicht nach innen gefaltet, sondern zugespitzt war, so daß er im Umrisse dem zugespitzten Ohre eines gewöhnlichen Säugethieres sehr ähnlich war. In einem dieser Fälle, dem eines kleinen Kindes, verglich der Vater das Ohr mit der Zeichnung eines Affenohrs, des Ohrs vom Cynopithecus niger, die ich mitgetheilt habe,36 und meinte, daß beider Umrisse einander sehr ähnlich seien. Wenn in diesen beiden Fällen der Rand in der normalen Weise nach innen gefaltet worden wäre, so hätte sich ein Vorsprung nach innen bilden müssen. Ich will noch hinzufügen, daß in zwei andern Fällen der Umriß nach innen etwas zugespitzt blieb, obschon der Rand des obern Theils des Ohrs völlig normal, in einem Falle freilich sehr schmal, nach innen gefaltet war. Der vorstehende Holzschnitt (Fig. 3) ist eine sorgfältig gefertigte Copie einer Photographie eines Orang-Foetus (die mir freundlichst von Dr. Nitsche zugesandt wurde), an welcher zu sehen ist, wie verschieden der zugespitzte Umriß des Ohres in dieser Periode von dessen Form im erwachsenen Zustande ist, wo es eine große allgemeine Ähnlichkeit mit dem des Menschen hat. Ganz offenbar wird das Herunterfalten der Spitze eines solchen Ohres, wenn es sich nicht während seiner weitern Entwicklung noch bedeutend verändert, einen nach innen vorspringenden Fortsatz entstehen lassen. Es scheint mir daher im Ganzen noch immer wahrscheinlich, daß die in Rede stehenden Vorsprünge in manchen Fällen, sowohl beim Menschen als bei Affen, Überbleibsel eines früheren Zustandes sind.
Fig. 3. Foetus eines Orangs. Genaue Copie einer Photographie, um die Form des Ohres in diesem frühen Alter zu zeigen.
Die Nickhaut, oder das dritte Augenlid, mit ihren accessorischen Muskeln und anderen Gebilden ist besonders wohl entwickelt bei den Vögeln und ist für diese von großer functioneller Bedeutung, da sie sehr schnell über den ganzen Augapfel gezogen werden kann. Sie findet sich auch bei manchen Reptilien und Amphibien und bei gewissen Fischen, wie z. B. bei Haifischen. Sie ist ziemlich gut entwickelt in den beiden unteren Abtheilungen der Säugethiere, nämlich bei den Monotremen und Marsupialien und in einigen wenigen unter den höheren Säugethieren, wie beim Walroß. Beim Menschen und den Quadrumanen dagegen, wie bei den meisten übrigen Säugethieren existiert sie, wie alle Anatomen annehmen, nur als ein bloßes Rudiment, als die sogenannte halbmondförmige Falte.37
Der Geruchssinn ist für die größere Zahl der Säugethiere von der höchsten Wichtigkeit, für einige, wie die Wiederkäuer, dadurch, daß er dieselben vor Gefahren warnt, für andere, wie die Carnivoren, daß er sie die Beute finden läßt, für noch andere, wie den wilden Eber, zu beiden Zwecken. Der Geruchssinn ist aber von äußerst untergeordnetem Nutzen, wenn überhaupt von irgendwelchem, selbst für die dunkelfarbigen Rassen, bei denen