Plötzlich vernahmen Rita und der Osterhase ein näher kommendes Summen. „Sssssssssssssssssssssss.“ Sie spürten einen Lufthauch und schon landete genau zwischen ihnen Katrine, die Biene. „Ich wollte Nektar holen“, sagte sie und hob zum Beweis ihr blitzblankes Eimerchen empor. „Meine Kinder haben Hunger! Und was macht die Glockenblume? Sie schläft!“ Katrine schüttelte missbilligend den Kopf. „Kann sie nicht endlich ihren Laden öffnen?“
„Nein, kann sie nicht“, sagte Rita. „Seht nur zur Sonne hinauf!“
Das taten Katrine und der Osterhase. Doch wollte die Maus sie veralbern? Von der Sonne war keine Spur. Gerade einmal ihre Fußzehe lugte unter dem dicken Wolkenbett hervor. Sonst war nichts von der Sonne zu entdecken.
„Seht ihr!“, sagte Rita weiter. „Ihr seht nichts. Und auch die Glockenblume sieht die Sonne nicht. Also schläft sie und kann ohne die wärmenden Strahlen nicht erwachen.“
Ja, das war einleuchtend. Ohne Sonne, kein Frühling. Ohne Frühling, keine Frühjahrsblüher und somit keine Glockenblume, die läutet, und kein Nektar, der aus ihr fließen konnte. Aber sollte der Winter ewig an der Macht bleiben? Das konnten die drei nicht zulassen. Es musste schnell Frühling werden. Aber wie sollten sie nur die Sonne hervorholen?
Da hatte Mäuslein Rita eine blendende Idee. „Du kannst das machen!“, sagte sie und zeigte auf die Biene Katrine.
„Was ich?“, fragte Katrine vollkommen ahnungslos. „Aber wie soll ich das machen? Ich bin doch kein Wecker und auch keine Sonnenzauberin und ich bin auch kein Ofen, der hier Frühlingswärme entfachen könnte.“
Der Osterhase nickte und gab Katrine Recht. Von all dem konnte sie wirklich nichts.
Rita aber hielt sich über so viel Quatsch vor Lachen den Bauch und erklärte dann in ernstem Ton: „Aber das ist doch ganz einfach. Flieg hinauf und schiebe einfach die Winterwolkendecke beiseite! Dann kann die Sonne aufwachen, strahlen und ihre Wärme entfalten!“
Das war gar keine so schlechte Idee.
„Ja! Na klar!“, klatschte die Biene in die Hände und hüpfte freudig in die Luft. Und auch im Gesicht des Osterhasen konnte man ein heiteres Schmunzeln entdecken. Wenn das klappte, könnte er heute doch noch seine Eier verstecken.
Katrine stellte ihren Honigeimer ab und testete kurz die Funktionsfähigkeit ihrer Flügel. „Summmm!“, heulten sie auf, wie bei einem Motorrad, an dem das Gaspedal getreten wird. „Summ, summmmm!“, gleich noch einmal. Zufrieden nickte sie Rita und dem Osterhasen zu und sagte: „Also dann! Ich gebe mein Bestes“, und startete mit einem „Juhu!“ auf den Lippen dem Himmel entgegen.
Rita und der Osterhase blickten ihr gespannt hinterher. Immer kleiner wurde Katrine, aber der Wolke, die auf der Sonne lag, schien sie irgendwie nicht näher zu kommen. Sie sahen, wie sich die Biene plagte, doch je weiter sie nach oben musste, desto schwerer fiel es ihr. Ihre Flügel wurden langsamer und sie hatte Mühe, sich überhaupt noch in der Luft zu halten.
„Weiter!“, feuerte Rita die kleine Biene an. „Steig weiter, weiter nach oben!“
Auf Katrines Stirn bildeten sich kleine Perlen. Sie schwitzte vor Anstrengung und Aufregung so sehr, dass die Tropfen nach unten fielen und der Osterhase meinte, es würde regnen. Katrine strengte sich wirklich an. Aber nach einer Weile war auch Rita klar, dass sie es nicht schaffen konnte. Sie war zu klein und zu schwach. Und wer weiß, wenn sie es überhaupt bis zu dem Wolkenbett geschafft hätte, hätte sie überhaupt die Kraft gehabt, es beiseitezuschieben?
Rita und der Osterhase sahen, wie Katrine schlappmachte. Die Flügel summten nicht mehr und so raste sie im freien Fall der Erde entgegen. Schnell zupfte Rita ein Blatt vom Breitwegerich. Sie und der Osterhase breiteten es wie ein Rettungssprungtuch der Feuerwehr aus. Dort, mitten hinein, plumpste Katrine und landete so ohne Bein- und Flügelbruch.
„Ich ... ich …“, japste Katrine. „Ich kann nicht mehr.“ Sie lag mit dem Rücken auf dem Breitwegerichblatt wie auf einer Decke in der Wiese, blickte in die entsetzten Gesichter von Rita und dem Osterhasen und dann an ihnen vorbei, hinauf in das Blau des Himmels.
Doch da stutzte sie. Was war das. Sie kniff die Augen zusammen und Rita glaubte schon, nun würde Katrine ohnmächtig werden. Aber das tat sie nicht. Nein, sie riss die Augen sogleich riesengroß wieder auf. „Da!“, sagte Katrine aufgeregt und zeigte mit ihrem Fühler nach oben. „Da!“, sagte sie noch einmal. „Seht nur!“
Und nun drehten sich auch die anderen beiden um, blickten zum Himmel empor und staunten, was sich dort tat.
Wie ein schwarzer Schleier wehte am Himmel ein Schwarm Schwalben. Lustig fröhlich schwirrten sie in den Lüften. Sie schien es gar nicht zu interessieren, dass der Winter nicht gehen wollte. Ihr Frühlingslied, was sie trällerten, drang bis zu den Wiesenbewohnern herunter. Und die sahen nun das Fantastische, an was sie selbst nicht mehr geglaubt hatten. Der Schwarm der Schwalben formte sich zu einem langen Seil. Es wirbelte um das dicke Winterwolkenbett, schlang sich fest darum und nahm es wie einen Bösewicht gefangen. Kraftvoll zog das Schwalbenseil die Wolke beiseite.
„Die Sonne, sie ist frei!“, sagte Rita begeistert und winkte den Schwalben zu. „Danke! Danke!“, rief sie jubelnd zu ihnen hinauf.
Sofort spürten Rita, Katrine und der Osterhase die Wärme der Sonne wie eine Umarmung. Der kalte Reif auf den Halmen der Wiese schmolz, der Tau begann zu trocknen und die Vögel stimmten einen fröhlichen Chorgesang an.
Staunend sahen Katrine, Rita und der Osterhase, wie sich ganz, ganz langsam die Blüte der Glockenblume öffnete und ihre gelbe Schönheit entfaltete. Als sie vollkommen aufgeblüht war, nickte sie Rita auffordernd zu.
Und Rita ergriff ihren Stängel, zog erst ganz sacht, dann immer stärker. Der bezaubernde Klang der Glockenblume hallte über die Wiesen, über die Berge, übers ganze Land. Der Frühling erwachte und der Ostersonntag war eingeläutet.
Eilig hoppelte der Osterhase und versteckte die bunten Eier. Katrine füllte ihr Eimerchen mit Nektar und fütterte ihre hungrigen Bienenkinder.
Und die Maus Rita? Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt. Sie machte es sich auf dem Blatt des Breitwegerichs bequem wie in einem Liegestuhl und genoss den Frühling.
Kathrin Sehland, Jahrgang 1964, lebt in Wilkau-Haßlau am Tor zum Erzgebirge. Sie ist verheiratet und Mutter zweier Kinder. Die ausgebildete Maschinenbauzeichnerin und Wirtschaftskauffrau engagiert sich ehrenamtlich und hält sich mit Badminton und Fahrrad fahren fit. Ihre Kreativität setzt sie bevorzugt in Gedichten und Kurzgeschichten um. Diese fanden schon in verschiedenen Anthologien einen Platz und hoffentlich viele Leser.
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Das Geheimnis im Schuppen
Auf dem Nachhauseweg von der Schule traf Rabbit seinen Spielkameraden Whoopie. Kaum hatte er ihn gesehen, begann er auch schon aufgeregt loszuplappern: „Gestern war mein Onkel Bunny bei uns zum Kaffeetrinken eingeladen und er hat uns eine tolle Geschichte erzählt. Vor Kurzem hatte er ganz in der Nähe ein altes, verfallenes Haus gekauft.“
„Und was ist da so toll dran?“
„Er hat doch tatsächlich in einem alten Schuppen, der auf dem Grundstück steht, eine irrsinnige Maschine gefunden.“ Rabbit hielt kurz inne.
„Was denn für eine Maschine? Jetzt lass dir doch nicht jedes Wort aus deiner Stupsnase ziehen.“ Unruhig hüpfte Whoopie an der Seite seines Freundes hin und her. „Auf so alten Bauernhöfen stehen immer irgendwelche verrosteten Ackergeräte herum.“
„Nein, es war keine Maschine für die Feldarbeit. Das Haus gehörte mal einem Erfinder. Und der Apparat ist vielleicht ein Roboter.“
„Ein Roboter? Du spinnst wohl! Da hat dir dein Hasenonkel einen schönen dicken Bären aufgebunden.“ Whoopie tippte ungläubig mit der Pfote gegen seine