„Das ist ja komisch“, murmelt Miriam. Sie steckt das Ei wieder in die Tasche und hat plötzlich eine Eingebung. Wie durch Zauberei findet sie im Nu alle Verstecke und hat bei Weitem mehr Eier gesammelt als ihre Brüder. Dieses Jahr ist sie die Siegerin.
Am Abend begutachtet Miriam ihre Beute. Auch das goldene Ei liegt dabei. Es kommt ihr sehr seltsam vor, gerade als sie ihren Wunsch ausgesprochen hat, zeigt das Ei eine kleinere Zahl an und sie findet alle Eier.
Miriam wird den Gedanken nicht los, dass das Ei vielleicht Wünsche erfüllt. Genauso viele, wie die Zahl auf Schale.
Miriam nimmt das Ei in die Hand. „Ich wünsche mir drei Wünsche“, sagt sie leise.
Wieder beginnt das Ei zu vibrieren. Doch dieses Mal wechselt es auch die Farbe, es wird Rot. Mit silberner Farbe erscheinen die Wörter: „DAS GEHT NICHT!“
„Du meine Güte, das Ei kann sich mitteilen“, staunt Miriam.
Die rote Farbe und der Schriftzug verwinden wieder und das Ei ist nun wieder golden mit einer silbernen Zwei.
„Okay, noch ein Versuch, ich wünsche mir ganz viel Geld.“
Wieder verfärbt sich das Ei Rot, und in silberner Schrift kommt wieder zum Vorschein: „DAS GEHT NICHT!“
„Alles klar, das geht also auch nicht. Nun gut. Ich wünsche mir Gesundheit für mich und meine Familie.“
Das Ei beginnt endlich zu vibrieren und es wird wieder warm, langsam verschwindet die Zwei und eine silberne Eins taucht auf.
„Jetzt habe ich nur noch einen Wunsch frei“, sagt Miriam leise. Behutsam legt sie das Ei wieder hin.
Am nächsten Morgen geht Miriam in die Küche zum Frühstücken. Ihr Vater grübelt über der Zeitung und murmelt vor sich hin. Er ist schon seit über einem Jahr arbeitslos. Aufgrund der Wirtschaftskrise musste die Firma, in der er über 20 Jahre gearbeitet hat, schließen.
Miriam hat plötzlich eine Idee. Schnell rennt sie in ihr Zimmer und nimmt das Ei in die Hand. „Ich wünsche mir, dass mein Papa wieder Arbeit findet“, sagt sie.
Wieder vibriert das Ei und es wird warm. Die silberne eins verschwindet und das Ei beginnt zu schrumpfen, bis es mit einem leisen Blubb plötzlich verschwunden ist.
Rasch rennt Miriam runter in die Küche, doch nichts ist passiert. Enttäuscht isst sie ihr Frühstück.
„Warum hat das denn nicht funktioniert?“, fragt sie sich, als sie am Abend auf ihrem Bett sitzt.
Drei Tage später. Der Briefträger klingelt.
„Klara!!!“, hört Miriam ihren Vater nach ihrer Mutter rufen.
Geschwind läuft Miriam in die Küche und sieht ihre Eltern, die gebannt ein Stück Papier anstarren.
„Das kann nicht sein. Ich habe doch ein kaputtes Knie und einen kaputten Rücken“, sagt Miriams Vater fassungslos. Die Untersuchungsergebnisse seines Arztes sind gekommen und er ist kerngesund.
„Das war mein Wunsch nach Gesundheit“, flüstert Miriam und freut sich.
Es liegt noch ein weiterer Umschlag auf dem Tisch. Miriams Vater öffnet ihn.
„Das … ist ein Jobangebot“, stammelt er. „Die Firma, bei der ich mich vor zwei Wochen vorgestellt habe, bietet mir eine Stelle an. Nächste Woche soll ich anfangen. Das gibt es doch nicht. Endlich haben wir mal wieder Glück.“
Überglücklich und vor Freude strahlend geht Miriam in ihr Zimmer. Jeder ihrer Wünsche hat sich erfüllt.
„Danke, liebes Wunschei“, flüstert sie und lächelt.
Jennifer Heil wurde am 04.12.1981 in Trier geboren und ist auch dort aufgewachsen. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester zog sie an die Mittelmosel. Seit 2006 ist sie verheiratet. Am 14.02.2008 kam ihre erste Tochter Catharina zur Welt. Tanzen ist ihre große Leidenschaft. Seit 8 Jahren ist sie auch ehrenamtlich als Trainerin und Choreografin für Jazzdance, Gardetanz und karnevalistischen Showtanz tätig. 2010 erschien ihr erstes Kinderbuch „Catharina und der Ruf des Waldes“ bei Papierfresserchens MTM-Verlag.
*
Der Hase im Mond
Vor vielen, vielen Jahren war das Eierverstecken zu Ostern noch nicht lange Brauch. Eines Mittags brach ein Streit unter den Tieren des Waldes, des Feldes und der Dörfer darüber aus, wer den Menschenkindern in Zukunft die Ostereier verstecken durfte. Dabei stritten sich die Tiere lautstark. Jedes Tier war der Meinung, dass es selbst am allerbesten dazu geeignet wäre, die Ostereier zu verstecken. Kaum noch hörte eines dem anderen zu und am Ende fingen sie sogar an, sich gegenseitig zu beschimpfen.
Das furchtbare Gebrüll unter den Tieren weckte schließlich die alte Eule auf, die für gewöhnlich bis in den Abend hinein in einem hohlen Weidenbaum schlief. Und weil die Eule wegen des Geschreis, das da vor dem Baum herrschte, ohnehin nicht mehr würde einschlafen können, kroch sie aus ihrer Höhle heraus und blinzelte in die Sonne.
Noch hatten die anderen Tiere nicht bemerkt, dass die Eule aufgewacht war und deshalb kreischten sie allesamt lauthals weiter, sodass die Eule bald begriffen hatte, was der Grund für den Streit war. „Ihr lieben Tiere!“, rief sie in die Runde. Und dann noch einmal etwas lauter: „Ruhe!“
Der Lärm verstummte, denn die Tiere hatten großen Respekt vor der Eule, weil sie so alt und klug war.
„Liebe Tiere, seid einmal still und hört mir zu!“, sprach die Eule. „Es ist doch nur zu gut verständlich, dass ein jedes von euch gerne die Eier für die Menschenkinder verstecken möchte. Und gewiss wäre auch jedes von euch hervorragend dafür geeignet. Leider aber kann letztendlich nur eines von euch diese Aufgabe übernehmen. Wir wollen diese Entscheidung gemeinsam treffen. Stellt euch also in einem großen Kreis auf. Jedes Tier soll in den Kreis treten und seine Gründe dafür vorbringen, warum es glaubt, am allerbesten zum Eierverstecken geeignet zu sein. Wenn jedes Tier an der Reihe gewesen ist, soll die Entscheidung getroffen werden.“
Die Tiere nickten, sie waren einverstanden und bildeten einen großen Kreis. Als Erstes trat das Huhn in die Runde. „Ist es nicht selbstverständlich, dass ich die Eier für die Menschenkinder verstecke?“, fragte es. „Schließlich bin doch auch ich dasjenige Tier, das die Eier legt. Niemand kann also besser mit Eiern umgehen als ich.“ Und zur Bestätigung scharrte das Huhn mit den Krallen im Sand und legte auf die Schnelle noch ein Ei.
Als Nächstes trat der Fuchs in den Kreis der Tiere. „Ihr wisst, wie listig ich bin“, sagte er zu den anderen Tieren. „Listiger als ihr alle zusammen. Ich werde den Menschenkindern die Eier so gut verstecken, dass sie lange suchen müssen, um sie zu finden. Das wird sicher ein großer Spaß, nicht wahr?“ Der Fuchs blinzelte verschwörerisch in die Runde.
Da krabbelte die Maus an ihm vorbei und stellte sich in den Kreis der Tiere. „Der Fuchs mag schlau und listig sein, ich aber bin flink und wendig“, sagte sie. „Ich kann die Eier für die Menschenkinder so schnell verstecken, dass niemand etwas davon mitbekommt. Und das ist doch wohl das Wichtigste beim Verstecken.“ Und um den anderen Tieren zu zeigen, wie schnell und flink sie war, sauste die Maus ein paar Runden durch den Kreis.
Auf diese Art und Weise ging der Tag dahin. Jedes der Tiere trat nacheinander in die Mitte und versuchte, die anderen davon zu überzeugen, dass es selbst am allerbesten dazu geeignet wäre, die Eier für die Menschenkinder zu verstecken.
Als es schließlich Abend geworden war und der runde Mond hinter den Wolken hervortrat, hoppelte der Hase in den Kreis der Tiere.
„Ostern, das Fest, bei dem die Eier versteckt werden, ist ein Fest des Frühlings und des Lebens“, sagte der Hase. „Deshalb sollte ich die Ostereier verstecken,