»Bürger, wehrt Euch!« lautet eine der Besorgtenparolen. Bürgerwehr klingt harmlos, nach Mieterschutzbund und Fußgängerverein. Mensch Bürger nutzt sein gutes Recht, lässt sich nicht alles gefallen. So unproblematisch und gewaltneutral ist die Bürgerwehridee nicht, das zeigt schon ihr idealisierter Urmythos. Noch immer gilt vielen die Alte Schweizer Eidgenossenschaft als Vorbild eines mit Spießen bewaffneten Bürgerbundes, der erfolgreich das Ritterheer der habgierigen Habsburger schlug. Das waren damals natürlich nicht alles Menschen, die sich freiwillig zusammenschlossen, sondern es gab widersprüchliche Eigeninteressen, Abhängigkeiten und Standesunterschiede. Tatsächlich kam im Mittelalter für freie Stadtbürger eine Verteidigungspflicht auf. Sie hatten sich an der Waffe fit zu halten und im Angriffsfall ihre Stadt zu schützen. Daraus entwickelten sich im 19. Jahrhundert militärische Einrichtungen, die Arbeiteraufstände oder die Erhebungen der Märzrevolution 1848 bekämpften. Dem Willen des »gemeinen Menschen« dienten sie gerade nicht. Nach dem Ersten Weltkrieg verschwanden sie. Besonders in Süddeutschland erinnern bis heute Vereine aus Traditionspflege an diese Bürgerwehren.
Faustrecht statt Folklore bestimmt das Denken gegenwärtiger Bürgerwehren. Mögen manche wirklich der Nachbarschaftshilfe verpflichtet sein, so sind die meisten doch vom Ungeist der Besorgten bewegt. Diese Form der Selbstjustiz − der juristische Rahmen für eine legale Bürgerwehraktivität ist sehr eng − ist nicht nur problematisch, weil sie de facto das Gewaltmonopol des Staats infrage stellt. Unausgebildete Menschen maßen sich im Namen des Schutzes der Öffentlichkeit Personenkontrollen, Festsetzungen, gar den Einsatz körperlicher Gewalt an. Das den Reichsbürgern zugehörige »Deutsche Polizeihilfswerk« läuft in Ostdeutschland als Vollstrecker eines Fantasiestaats auf und setzte schon mal Gerichtsvollzieher mit Kabelbindern fest. Wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung, versuchten Mord und versuchte schwere Körperverletzung hat Ende 2017 die Bundesstaatsanwaltschaft Anklage gegen Anhänger der Bürgerwehr Freital (Erzgebirge) erhoben (Urteile wurden bis Drucklegung nicht verhängt). [tp]
Christentum
christlich-jüdisch
Die Rolle der »christlich-jüdischen Tradition« bei der kolportierten Notwendigkeit, das
Tatsächlich meint die christlich-jüdische Tradition gerade nicht die christlichen Kirchen. Erfunden haben ihn Vertreter meist aus dem Lager der Unionsparteien zu Hochzeiten der
Bei so viel kaschiertem Horror fällt nicht auf, dass mit diesem Bezug das Kunststück gelingt,
Cui bono?
»Wem zum Vorteil?«: Angesichts von Verbrechen, historischen oder aktuellen politischen Geschehnissen ist die Frage, wer davon profitiert, folgerichtig, um auf eine erste Spur der Verantwortlichkeit zu kommen. Nur kann beim Suchen nach dem möglichen Motiv nicht stehen bleiben, wer wirklich aufklären will. »Wem das Verbrechen nützt, der hat es begangen«, wie Seneca in seiner Tragödie Medea schreibt, ist eben nicht die ganze Antwort. So verführt die eilig beantwortete Frage zum Fehlschluss.
In der Verschwörungstheorieecke blüht »Cui bono?« seit Langem als Pauschalerklärung für dies und das. Weil die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Krieg zogen, müssten sie hinter den Ereignissen stecken. Die Pharmaindustrie habe HIV auf die Menschheit losgelassen, um sich dadurch auf Jahrzehnte einen Absatzmarkt zu sichern. Dass jemand Nutznießer eines Umstands sein kann, ohne diesen verursacht zu haben, kommt den »Cui bono?«-Rhetorikern nicht in den Sinn. Komplexes lässt sich derart einfach zu hübsch auf simple Antworten reduzieren. Ein Beispiel: Die islamistischen Anschläge von Paris? Um Pegida-Demos zu verbieten!
Lustigerweise geriet Pegida selbst unter »Cui bono?«-Beschuss. Ken Jebsen, Galionsfigur der Querfront-Friedensmahnwachen, mutmaßte, Pegida wurde von oben installiert. Damit werde gerechter Volkszorn kanalisiert, statt das System revolutionär zu erschüttern. [tp]
D-Mark
Der