Wörterbuch des besorgten Bürgers. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783955755973
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genauer man jedoch hinschaut, desto mehr verschwimmen sie. Ist vom Araber die Rede, weiß eigentlich jeder, was gemeint ist. Aber wie präzise ist das? Nicht sehr, wenn im Alltag regelmäßig von Türken als Arabern gesprochen wird.

      Für die Definition, was der arabische Raum ist, wird meist eins von drei Kriterien geltend gemacht: Sprache, Politik, Religion. Mit der arabischen Welt identifiziert wird oft die islamische Welt. Nur umfasst diese viel mehr Länder und Araber sind hier in der Minderheit. Und nicht alle Araber sind Muslime. Die Arabische Liga mit ihren 22 Mitgliedstaaten gibt da schon ein besseres Bild. Die Ausbreitung der arabischen Sprache als Kriterium für einen homogenen Raum ist das gängigste. Demzufolge zählen 24 Länder zum arabischen Raum, darunter Israel. Die Türkei und der Iran dagegen keinesfalls. Von Arabern zu sprechen ist also in vielen Fällen weder sinnvoll noch genau. [tp]

       Asylant

      Aus Asyl (Zufluchtsort) und der Endung -ant als Bezeichnung für eine Person gebildet, ist das Wort Asylant nicht unbedingt semantisch negativ beladen. Es könnte schlicht eine Person bezeichnen, die an einem Zufluchtsort lebt. Doch dem Begriff haftet etwas Abwertendes an. Grammatisch ist das kaum zu erklären: Die hin und wieder ins Feld geführte negative Konnotation, die mit der Endung -ant einhergeht, ist nicht konsequent erkennbar. Zwar stehen Simulant, Querulant oder Dilettant in einem schlechten Licht, aber Lieferant oder Musikant durchbrechen diese Systematik.

      Dennoch sollte zumindest den Menschen, die vor 1985 geboren wurden, die (deutsche) mediale und politische Verwendungsgeschichte von »Asylant« präsent sein. Ab den späten 1970ern wurden Menschen, die einen Antrag auf Asyl stellten, Asylanten genannt; mit der Bezeichnung kam eine Parallelform zu image Flüchtling auf. Nun wurde nicht mehr (wie nach dem Zweiten Weltkrieg) auf den Grund von Migration abgestellt, die Flucht, sondern das Ziel wurde markiert: Menschen wollten in Deutschland Asyl, vielleicht sogar dauerhaft. Zudem waren mit Asylanten nicht allgemein Ausländer gemeint, sondern vor allem Migranten aus armen Ländern − nicht Franzosen oder US-Amerikaner, sondern Rumänen, Russen, Vietnamesen.

      Kurz nach 1989 brachen sich Rassismus und Fremdenhass Bahn: Die frühen 1990er waren besonders im Osten geprägt von neonazistischen Morden und Gewalttaten. Der Gipfel war das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992. Über Monate hatten Medien den Begriff Asylant mit Metaphern zu hetzerischen und Panik verbreitenden Schlagzeilen kombiniert, so etwa die Bild im April 1992: »Fast jede Minute ein neuer Asylant. Die Flut steigt − wann sinkt das Boot?« Politiker sprachen vom »ungebremsten Zustrom von Asylanten«, dem nur mit »einer neuen Mauer« Einhalt geboten werden könne (image Mauer). 1993 wurde das Asylrecht stark eingeschränkt, das Wort Asylant verschwand aus Politik und Medien. Nun war die Rede von Asylbewerbern − ein Begriff, der auf den ersten Blick positiver klingt, aber in dem steckt, dass sich Menschen um Asyl bewerben müssten. Ein Umstand, der gerade mit der Abschaffung des allgemeinen Rechts auf Asyl, wie es die Genfer Flüchtlingskonventionen und die Menschenrechte fordern, einen Beigeschmack hat.

      Besorgten ist diese Wortgeschichte schnurz. Oder sie sprechen bewusst weiterhin von (Merkel-)Asylanten, die ihnen die Arbeit wegnehmen, Frauen schänden, das Land madig machen (image Danke, Merkel!). Auch in anderen Komposita mit Asyl zeigt sich der fremdenfeindlich besorgte Kern: Mittlerweile gehen Wortungetüme wie Asylforderer oder -anspruchsteller um, die jeweils die angebliche Dreistigkeit der Geflohenen betonen. Die AfD tut sich schwer, einfach von Asyl zu reden. In ihrem Parteiprogramm findet sich häufiger Asylzuwanderung, die kaum verhehlen kann, dass Zuwanderung hier als Problem verstanden wird. Den »rechtstreuen Asylbewerbern« stehen die »irregulären Migranten« gegenüber. Vermutlich hatte die AfD gute Medienberater, die sich an die 1990er erinnern können. Ausweichmanöver und Wortschöpfungen sollen die Xenophobie verdecken. [ng]

       Asylforderer

      image Asylant

       Asylindustrie

      Eigentlich treibende Kraft hinter der image Flüchtlingskrise ist die Asylindustrie. In gewissen Kreisen etablierte sich die zeitgemäße Notwendigkeit, auf jede Meldung zu fragen: image »Cui bono?« Nur wer erkennt, wem der Lauf der Ereignisse in die Taschen spielt, erkenne auch, was wirklich los ist. Industrie kann erst mal ein neutrales Wort sein und eine bestimmte, eben industrialisierte Produktionsform meinen oder einen Wirtschaftszweig. Im letzteren Fall kann sich ein negativer Beiklang einstellen, wenn etwa die Musikindustrie beklagt wird, die weniger auf den künstlerischen Wert achtet als auf Chartplatzierungen. Der Vorwurf des schnöden Geldverdienen-Wollens steht bei Asylindustrie im Vordergrund. Hier hat man sich gierige Profiteure vorzustellen, die rücksichtslos mit Blick aufs eigene Konto an der Füllung des selbigen arbeiten.

      Wer seine Immobilie für Flüchtlingswohnungen an eine Kommune vermietet, wer dort im Wachschutz arbeitet oder als Sprachlehrer, Dolmetscher oder Sozialarbeiter ein- und ausgeht, auch wer all das plant und verwaltet, gehört dazu. Es braucht nicht viel Fantasie, sich das wahre Ausmaß vorzustellen. Es geht bei der Vorstellung von der Asylindustrie längst nicht mehr um so etwas Banales wie die Frage, ob es nicht gut ist, wenn Geflüchtete ein Dach über dem Kopf finden, und auch nicht darum, ob jemand für Leistungen, die er zur Verfügung stellt, nicht auch entlohnt werden sollte. Vielmehr geht es um die Unterstellung, dass ein weitreichendes, aber so inoffizielles wie intransparentes Netzwerk ein monetäres Interesse an Flüchtlingen hat und somit daran, dass deren »Strom« nicht abnimmt (image Flüchtlingswelle). [fr]

       Asylkritik

      Bekannt wurde der Begriff (auch: Asylkritiker oder asylkritisch; verwandt: image Islamkritik, Israelkritik) während des Aufstiegs von Pegida und AfD. Unbesorgten stieß sein Gebrauch zuerst in konservativen und linksliberalen Massenmedien auf − erstmals irgendwann 2014. Von Anfang an war klar, dass der Begriff nicht adäquat repräsentiert, was damit beschrieben wird. Als sich beispielsweise im sächsischen Heidenau eine »asylkritische Demonstration« als Gewaltorgie entlarvte, fiel bei einigen Medien der Groschen: Vertreter dieser Haltung sind Feuer und Flamme für ihre Kritik und richten sie ganz konkret auf alles, was irgendwie nach pro Asyl (synonym zu deutschenfeindlich) aussieht − Menschen, Unterkünfte, Initiativen, Stadtteile.

      Heute wird der Begriff medial demonstrativ noch von der Jungen Freiheit und anderen rechten (oder sächsischen) Zeitungen genutzt. Einige haben explizit verkündet, darauf zu verzichten. Die Nachrichtenagentur dpa ließ mitteilen, dass der Begriff angesichts der Praktiken selbsternannter Asylkritiker verharmlosend sei. Angestrengt nachgedacht wurde da allerdings nicht, denn die verkündete Alternative Fremdenfeindlichkeit ist aus ähnlichen Gründen schon seit Jahrzehnten dämlich falsch.

      Bei