Die Henkerin. Pavel Kohout. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pavel Kohout
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711461372
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was du willst, sagte Doktor Tachecí, das war ein Huhn!

      – Um Gottes willen, wie käme ein Huhn in unser Bad? fragte seine Frau.

      – Das frage ich mich ja gerade!

      – Emil, ich bitte dich, befaß dich lieber eine Weile mit deinen Briefmarken. Für Lízinka geht es jetzt ums Ganze, und du machst hier Geschichten!

      – Bitte, sagte ihr Mann, aber wenn sie dieses Ganze in unserem Bad verliert, dann klag dich selbst an! Ich wasche meine Hände in Unschuld.

      – Solange ich dich kenne, tust du nichts anderes, sagte seine Frau. An dir gemessen, war Pilatus ein Dreckfink!

      In diesem Moment war zu hören, wie sich die Badezimmertür öffnete. Männerstimmen erklangen, und gleich darauf öffnete sich auch die Wohnzimmertür. Auf der Schwelle standen Professor Wolf und Dozent Schimssa. Im Bad rauschte die Dusche.

      – Meine Herren! sagte Doktor Tachecí, ich glaube es ist höchste Zeit, daß Sie uns reinen Wein einschenken!

      – Das ist eben das Problem, sagte Professor Wolf finster. Frau Tachecí erbleichte.

      – Wir haben nämlich glatt den Champagner vergessen, sagte Dozent Schimssa heiter.

      Frau Tachecí begann zu strahlen. Professor Wolf trat vor die Eltern und drückte ihnen feierlich die Hand.

      – Gratuliere. Gratuliere. Ihre Lízinka hat hervorragend bestanden. Nun, da kann man nichts machen, wir müssen eben mit Kognak darauf anstoßen.

      Dozent Schimssa hatte die mitgebrachte Flasche schon aus dem Geschenkpapier gewickelt und ein Mehrzweckmesser gezückt.

      – Ich habe es gewußt, sagte Frau Tachecí, ihre Rührung bekämpfend, Emil, ich hab’ es dir gleich gesagt!

      – Meine Herren, wiederholte Doktor Tachecí in jähem Eigensinn, erfahren wir endlich ...

      – Deshalb sind wir ja da, Herr Doktor, sagte Professor Wolf und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Aber sollten wir nicht auf sie warten?

      – Wo bleibt sie überhaupt? fragte Doktor Tachecí.

      – Sie säubert die Wanne, sagte Professor Wolf, trinken können wir freilich auch ohne sie, da entgeht ihr nichts.

      Frau Tachecí hatte inzwischen aus der Vitrine die Feiertagsgläser geholt, die Dozent Schimssa bis zum Rand mit Courvoisier füllte. Professor Wolf hob sein Gläschen mit so fester Hand, daß der Flüssigkeitsspiegel nicht einmal erbebte.

      – Das Leben, sagte er, hat mir leider kein solches Glück beschieden wie Ihnen, Herr Doktor. Ich habe keine Kinder. Aber meine Arbeit hat mich befähigt, vieles zu verstehen. Deshalb kann ich mich in die Gefühle der Eltern hineinleben, deren einzige Tochter am ersten und zugleich entscheidenden Kreuzweg des Lebens steht. Ich trinke darauf, daß der Pfad, den sie heute einschlägt von schöpferischen Erfolgen und Freude am gelungenen Werk begleitet sein möge!

      Er und der Dozent reckten sich, grüßten mit einem Senken des Kopfes und leerten die Gläser bis auf den Grund. Die gerührte Frau Tachecí schloß sich spontan an. Doktor Tachecí tat es ihnen gleich, obwohl das seinen Gewohnheiten zuwiderlief.

      – Gestatten Sie, gnädige Frau, fragte Professor Wolf, daß wir uns setzen? Wir sind seit halb fünf auf den Beinen.

      Frau Tachecí war entsetzt.

      – Um Gottes willen! sagte sie, Emil, biete den Herren doch einen Stuhl an! Sagen Sie, meine Herren, haben Sie überhaupt etwas gegessen?

      – Besten Dank für die Aufmerksamkeit, gnädige Frau, sagte der Professor und nahm am Tisch Platz. Essen und Trinken gab es mehr als genug, aber Arbeit doppelt soviel. Wieder das alte Lied vom Personalmangel!

      – Denen haben Sie aber Bescheid gegeben! sagte Dozent Schimssa voll Bewunderung.

      – Ich habe ihnen gesagt, sagte der Professor, das sei das gleiche, als wolle man von jemandem verlangen, den Hamlet zu spielen und dabei noch Kulissen zu schieben.

      – Und auch noch Haare zu schneiden! ergänzte der Dozent.

      – Ja, sagte der Professor entrüstet, es überläuft einen kalt, wenn man bedenkt, wie leicht ein paar Bürokraten und Verrückte die Menschheit der ältesten Traditionen berauben könnten. Allerhöchste Zeit –

      fuhr er, schon wieder ausgeglichen, fort und bedeutete dem Dozenten, einzuschenken.

      – daß sich anständige und einflußreiche Leute gefunden haben, die das begreifen. Bevor Lízinka ausstudiert hat, bleibt davon nur ein peinlicher Absatz in den Skripten.

      – Sie hatten, fragte Frau Tachecí, irgendeine Probe?

      – Probe, Premiere und zugleich letzte Reprise, sagte Dozent Schimssa.

      – Und das lohnt sich?

      – Je nachdem, sagte Dozent Schimssa grinsend, für uns drei hat es sich gelohnt, für zwei andere nicht. Also dann, auf deren Wohl!

      Eine Bestätigung, daß er um einen Scherz nie verlegen war. Professor Wolf und Frau Tachecí stimmten in sein Lachen ein. Ehe er es sich versah, merkte auch Doktor Tachecí, daß er ein leeres Glas in der Hand hielt, das Dozent Schimssa abermals füllte.

      – Meine Herren, sagte er zum drittenmal; er hatte beabsichtigt, sehr kategorisch zu sprechen, doch seinem Mund entrang sich nur ein Flüstern.

      – Sie haben eine hübsche Wohnung, sagte der Professor anerkennend und trat an die Fenster, bloß die Umgebung ist ein bißchen unfreundlich.

      Aus einem der Fenster waren nur die Fenster des Hauses gegenüber zu sehen, aus dem anderen das Feld hinter der Wohnsiedlung, wo ein keilförmiger Abladeplatz auslief, der von oben so aussah wie eine ausgeschlachtete Matratze.

      – Das sage ich zu meinem Mann seit Ewigkeiten, sagte Frau Tachecí, ohne den bewundernden Blick von ihm zu wenden, solange Lízinka ein Kind war, hatte das seine Vorteile, doch nun, da sie heranwächst, ist es hier einfach zum Fürchten!

      – Eine Frau versteht sich besser zu verteidigen als ein Mann, sagte der Dozent, Männer sind Feiglinge. Mit einer Frau werden manchmal erst vier fertig.

      – Und wenn es tatsächlich vier sind?

      – Dann kann sie nur noch beten, lächelte Dozent Schimssa.

      – Ich, sagte Frau Tachecí, ließe solchen Kerlen die Haut bei lebendigem Leib abziehen.

      Professor Wolfs Miene verdüsterte sich.

      – Aber, aber! sagte er streng, wie kämen die denn dazu? Frau Tachecí stutzte.

      – Ja, aber, sagte sie verwirrt, bringt eine Mutter denn ihre Tochter nur deshalb zur Welt, päppelt sie sie deshalb auf, damit sie dann von vier Strolchen straflos vergewaltigt wird?

      – Ach so, sagte der Professor, und seine Miene hellte sich sofort auf, ich habe nicht gleich verstanden, wen Sie meinen. In dieser Hinsicht haben Sie natürlich recht. Die Strafe des Schindens war bei uns sogar schon einmal eingeführt, und zwar im sechzehnten Jahrhundert unter König Vladislav.

      – Dann also auf König Vladislav! sagte Frau Tachecí, dankbar, daß die momentane Mißstimmung verflogen war.

      – Auf König Vladislav! wiederholte zustimmend Professor Wolf und erhob sich, um mit ihr und ihrem Mann anzustoßen.

      Doktor Tachecí trank mechanisch aus, Dozent Schimssa schenkte ihm mit anerkennendem Zwinkern wieder ein.

      – König Vladislav, fuhr der Professor fort, war überhaupt ein interessanter Mann. Anno 1509 verurteilte er einen Missetäter dazu, aus der Kanone geschossen zu werden. Leider hat sich bei uns weder die eine noch die andere Strafe durchgesetzt.

      – Ich, sagte Frau Tachecí, würde sie für solche wieder einführen!

      Sie trank sonst ebenso selten, wie ihr Mann und kam gerade zu dem Schluß, das sei schade. Der Alkohol vervielfachte die Freude über den