Wir Sklaven von Suriname. Anton de Kom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anton de Kom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783887474041
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Gebieten galten. Zumal nachdem Columbus seine Entdeckungen gemacht hatte, als er von seinen Fahrten veritablen Goldstaub und die Wundermär vom vergoldeten Prinzen heimgebracht hatte, war das Goldland El Dorado das ausgesprochene oder stillschweigende Ziel aller dieser Expeditionen … Nun verbanden sich das abergläubische Schatzgräbertum und die abergläubische Goldsucherei mit der abergläubischen Hoffnung auf ein Land, in dem man das Gold mit Scheffeln einheimsen könnte, zu einem unwiderstehlichen Eroberungsdrange.

      Was uns vor allem an dieser Stelle interessiert, sind die eigenartigen Menschen, die an der Spitze dieser Unternehmungen standen. Es sind kraftstrotzende, abenteuerlustige, sieggewohnte, brutale, habsüchtige Eroberer ganz großen Kalibers, wie sie seitdem immer mehr verschwunden sind.

      Diese genialen und rücksichtslosen Seeräuber, wie sie namentlich England während des 16. Jahrhunderts in reichster Fülle aufweist, sind aus demselben Holz geschnitzt wie die Bandenführer in Italien, wie die Can Grande, Francesco Sforza, Cesare Borgia, nur daß ihr Sinn stärker auf Erwerb von Gut und Geld ausgerichtet ist, daß sie dem kapitalistischen Unternehmer schon näher stehen wie diese …

      Man wird fragen, wie ich dazu komme, diese Eroberer und Räuber für den Kapitalismus zu reklamieren?

      Die Antwort ist einfach: nicht, weil sie selbst eine Abart von kapitalistischen Unternehmern waren, als vielmehr und vor allem deshalb, weil der Geist, der sie erfüllte, derselbe Geist war, der jeden großen Handel, jede Kolonialwirtschaft bis ins 18. Jahrhundert hinein beseelt hat. Diese sind ihrem innersten Wesen nach ebenso Abenteurer- und Eroberungszüge wie die Seeräubereien und Entdeckungsfahrten, von denen wir eben Kunde erhalten haben. Abenteurer, Seeräuber, Kaufmann großen Stils (und das ist er nur, wenn er über See fährt) gehen unmerklich ineinander über.«

       EL DORADO

      El Dorado.

      Goldland.

      Noch immer hat das Wort nichts von seinem wundersamen Reiz verloren.

      Noch tritt auf dem großen Passagierschiff ein junger Arzt in die Nacht hinaus, die Augen geblendet von den Lichtern des Ballsaals, seine Gedanken swingen im trunkenen Takt der Jazzband, ihm ist, als wäre er als einzig Lebender einem rauschenden Fest von Schaufensterpuppen entkommen.

      Er beugt sich über die Reling und kühlt seine Schläfen im Nachtwind. Ein immer wieder aufleuchtendes Licht aus einem der Bullaugen wirft bizarre Blitze auf die dunklen Wellen.

      Goldadern in Granit.

      El Dorado.

      Im Brausen der Wellen vernimmt der junge Arzt den fernen Gesang der Bukaniere, den der Nachtwind aus vergangenen Jahrhunderten mit sich führt.

      Tagsüber sitzt er in seiner Kabine und stellt auf geschmackvollem Schiffspapier Rezepturen zusammen, für amerikanische Damen, die an der Seekrankheit leiden, oder für ältere Herren mit Leberbeschwerden.

      Nachts, wenn die Jazzband verstummt und der Seewind wieder zu hören ist, wenn aus dem Rauchsalon nur noch das heisere Gezeter einiger betrunkener Plantagenbesitzer zu ihm dringt, erwacht in seinem Herzen der Wahnsinn von El Dorado.

      Nachts vergisst er sein adrettes Hemd, seinen Smoking, seinen Stand.

      Dann fühlt er sich seinen Vorfahren nahe, den wilden Räubern, die in den Schiffsräumen Gold stapelten, den Abenteurern, den Pfundskerlen, den Sklavenjägern.

      Unter der grauen Asche des alltäglichen Trotts glüht im Herzen eines jeden jungen Weißen der Wahnsinn, das fiebrige Verlangen nach El Dorado.

      1499 erreichten Alonzo de Hojeda und Juan de la Coasa die Küste von Guyana. Etwa zur selben Zeit entdeckte Pinzon die Mündung des Amazonas und den östlichen Teil Guyanas. Das Gerücht verbreitete sich, dass es tief im Inneren ein Land mit unermesslichen Reichtümern an Gold und Edelsteinen geben soll, und dass der Ufersand eines unendlich großen Sees, Parima genannt, gänzlich aus Goldstaub bestehe.

      Angelockt von diesen Gerüchten unternahm Domingo de Vera 1593 eine Fahrt nach Guyana, das er am 23. April 1594 mit einem feierlichen Festakt für Spanien in Besitz nahm. Anführer und Soldaten knieten vor einem Kreuz nieder und sandten ein Dankgebet zum Himmel. »Dann nahm Domingo de Vera eine Tasse Wasser und trank sie aus, er nahm eine zweite und goss sie über den Boden aus, so weit er nur konnte, zog sein Schwert und schnitt das Gras um sich herum sowie einige Baumzweige, während er sprach: Im Namen Gottes nehme ich dieses Land in Besitz für Seine Majestät Don Philipp, unseren legitimen Herrscher!«4

      Dies nur als ein erstes Beispiel für den Missbrauch des Namen Gottes im kolonialen Trauerspiel. Später wurde in christlichen Büchern oft behauptet, der Neger sei kein Mensch, weil der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde, und Gott diesen Schriftgelehrten zufolge nicht schwarz sei …

      Lasst uns an dieser Stelle, als Neger, versichern, dass auch wir nicht glauben, nach dem Abbild eines Gottes geschaffen zu sein, dessen Segen von den Weißen jener Tage immer dann erbeten wurde, wenn sie sich Land, Leib und Gut von den farbigen Völkern aneigneten.

      Die hohen Erwartungen der spanischen Goldsucher haben sich nicht erfüllt. In der Annahme, dass in den Küstengebieten kein Gold zu finden sei, weil es die Eingeborenen im Landesinnern versteckt hätten, zogen die Weißen mit gezückten Waffen durch das Binnenland und ließen dort, wo sie auf Widerstand trafen, Bluthunde los, deren Namen in die Geschichte eingegangen sind.

      Doch El Dorado haben sie nicht entdeckt.

      Dafür rächten sich die Abenteurer bitterlich an den Eingeborenen, beraubten sie ihrer Freiheit und legten sie in Ketten, zwangen sie zur Arbeit, geißelten und misshandelten sie.

      Und als sich die eingeborene Rasse als zu schwach erwies, die Schätze heranzuschaffen, von denen die Weißen in ihrem Wahn gemeint hatten, sie seien zum Greifen nahe, als sie zu Tausenden unter den Schlägen und Misshandlungen starben, da erinnerte man sich auch in Suriname an den Rat von Las Casas5, lieber aus Afrika eine stärkere Rasse als die indianische zu holen.

      In dieser Zeit entstand der Sklavenhandel.

      In diesen Tagen wurden die ersten unserer Vorfahren nach Suriname verschifft.

      In diesen Tagen nahm die Sklaverei in Suriname ihren Anfang. Der eine Herrscher verjagte den anderen – doch jeder neue Herrscher, der den Besitz der Niederlassungen anderer Europäer mit Gewalt an sich nahm, begann mit der feierlichen Erklärung, dass auch unter der neuen Herrschaft das Recht auf Eigentum, also das Recht auf den Gebrauch und Missbrauch des lebendigen Besitzes, auf den Kauf und Verkauf unserer Väter und Mütter, von Gottes Gnaden sei und beibehalten werde.

       DIE ERSTEN SIEDLUNGEN

      Trotz der feierlichen Inbesitznahme durch die Spanier ist von ihrer Macht wenig geblieben. Sie wurden bald von den ständigen Überfällen der erbitterten Indianer aus Guyana vertrieben. Doch längst nahmen Franzosen und auch Holländer und Zeeländer regelmäßig Kurs auf die Küste von Guyana. Mit dem niederländischen Generalpatent von 1614 erhielt jeder, der fortan einen neuen Hafen, eine Passage oder einen Ort entdeckte, das Recht, dieses für vier Jahre unter Ausschluss anderer zu verwalten. Dauerhafte Niederlassungen gab es damals aber noch nicht. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts fassten die Europäer in Guyana Fuß. Kapitän Maréchal, begleitet von 60 Engländern, siedelte sich 1630 am Suriname-Fluss an. Von dieser Landnahme ist historisch nichts weiter überliefert. 1643 gründete man in Rouaan eine Gesellschaft zur Kolonisierung von Suriname. Ein gewisser Poncet Brétigny setzte sich an die Spitze einiger Glücksritter und ließ sich an der Küste nieder. Doch sie machten sich so vieler Gräueltaten an den Indianern schuldig, dass sie schließlich vertrieben oder getötet wurden. Den nächsten Versuch wagte einige Jahre später eine andere französische Gesellschaft mit dem Aussenden von 800 Kolonisten. Doch auch dieses Mal führte es zu keiner dauerhaften Besiedlung.

      Auf die Franzosen folgten die Briten. Lord Willoughby, der Baron von Parham, rüstete 1650 auf eigene Kosten ein Schiff mit dem Bestimmungsziel Guyana aus.