Wir Sklaven von Suriname. Anton de Kom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anton de Kom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783887474041
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meiner Großmutter, wenn sie uns Kindern vor der Hütte in Paramaribo Geschichten aus alten Zeiten erzählte. Selbst nachdem die Sklaverei in Französisch-Cayenne bereits abgeschafft worden war, gaben sich viele Holländer weiterhin den schändlichsten Misshandlungen hin. Direktor C. Varenhorst ließ seine Sklaven halbtot schuften und versagte ihnen sogar die nötige Nahrung. Auf bloßen Verdacht hin ließ er einen Sklaven schwer züchtigen, seine Füße fesseln und ihn mit einer Kette um den Hals an einen Pfahl binden. Varenhorst verbot es (bei Strafe!) seinen anderen Sklaven, ihrem angeketteten Gefährten zu Hilfe zu kommen. Der Sklave starb völlig geschwächt und unter entsetzlichen Schmerzen, »in Gestank und Fäulnis«. Man brachte diesen Fall vor den holländischen Kolonialgerichtshof. Doch die Richter, deren Aufgabe es war, ein Urteil nach Recht und Gesetz zu fällen, gaben Varenhorst Recht und bestraften die Ankläger mit einem Spanischen Bock.19

      Und noch 1801 wurden durch richterlichen Beschluss fast monatlich Sklaven gehängt oder gerädert. Nahezu täglich kam es zu Spanischen Böcken unter dem Galgen oder im Fort Zeelandia. Der Zustand war so erschütternd, dass die Militärs sich beklagten, weil dieses »beinahe täglich vorkommende Spektakel unangenehm und abstoßend war«.20

       DIE SKLAVIN

      »Mütterlein, fern von diesem kalten Land, in dem ich nun sitze und schreibe, Mütterlein in Suriname, mit deinen grauen Haaren, mit der vor der Zeit gebeugten Gestalt, du hast gearbeitet und dich geschunden, von früh bis spät, damit ich lernen konnte, dir widme ich dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte.«

      Wenn die männlichen Sklaven, unsere Väter, nach verrichtetem Tagewerk bei Sonnenuntergang von den Feldern zurückkehrten, konnten sie sich bis in die frühen Morgenstunden von ihrer Erschöpfung erholen, konnten sie in ihren elenden Hütten die schmerzenden Glieder auf ihren Lumpenlagern strecken und ruhen, bis der Aufseher sie wieder zur Arbeit rief.

      Wenn allerdings die letzten Frauen durch die Felder nach Hause gingen und schwere, mit Baumwolle gefüllte Körbe auf den Köpfen trugen, konnte es passieren, dass der Herr (oder zu späteren Zeiten auch der Verwalter) seinen Blick auf eine der jungen Negerinnen warf und bedeutete, den Korb abzusetzen. Dann begann für sie, in der Nacht, die zweite Aufgabe, die Erfüllung der Gelüste ihres Herrn. Es gab kein Entkommen vor dieser Verpflichtung. Da die Negersklaven ja keine Menschen waren, galten für sie weder die Sakramente der Kirche noch die bürgerlichen Gesetze. Ein Petata (Weißer) konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es zwischen zwei Schwarzen so etwas wie ein Eheband geben könnte, also mussten sich auch die Frauen von Sklaven immer wieder von ihrem ehelichen Lager zum Haus ihres Herrn begeben.

      Wir müssen zugeben, es ist vorgekommen, dass ein weißer Herr seine schwarze Geliebte mit allerlei Gunstbezeugungen überhäufte, mit Seidenkleidern und sogar mit Juwelen – sei es aus einer Laune heraus oder um seine Bekannten von anderen Plantagen mit ihrer Schönheit zu ärgern. Umso elender war jedoch meist das Los der Mätressen, wenn sie nach kurzer Zeit ihrem Herrn nicht mehr behagten. Dann kehrten sie in ihre Baracken im Sklavenquartier zurück, empfingen Hass statt Liebe und Misshandlung statt Gunst, wobei oft die betrogene weiße Herrin es nicht versäumte, ihre Wut an dem nun wehrlosen Opfer auszulassen.

      Die Kinder, die aus solchen Verbindungen hervorgingen, wurden einfach als eine Aufstockung des menschlichen Viehbestands betrachtet, und die Peitschenhiebe ihrer Väter oder ihrer weißen Halbbrüder knallten mit völliger Unparteilichkeit genauso auf ihre Rücken wie auf die der Vollblutschwarzen. Man braucht sich nur die Zahl der Mulatten in Suriname anzusehen, um zu erkennen, dass die vorgebliche Abscheu der weißen Rasse den Schwarzen gegenüber nie ein Hindernis beim Geschlechtsverkehr mit unseren Frauen gewesen ist!

      Auch hierfür möchten wir an erster Stelle einige Fakten als Beispiele anführen:

      Herr Pichot, ein Neffe des gleichnamigen Ratsherren, Direktor der Plantage »Vlucht en Trouw«, alarmierte am 6. September 1750 die gesamte weiße Bevölkerung in seiner Umgebung mit der Nachricht, dass die Neger gegen ihn aufbegehrt hätten. Es stellte sich heraus, dass Herr Pichot eine Sklavin bei sich haben wollte, diese Frau sich jedoch standhaft geweigert hatte, sich den niederen Trieben dieses Herrn hinzugeben. Die arme Sklavin wurde von Pichot wegen ihrer Ehrbarkeit zu Tode geprügelt. Einen alten Sklaven, der dagegen einschreiten wollte, hatte er »mit Bleikugeln in den Bauch geschossen«.21

      Ein anderer Fall betrifft den reichen Plantagenbesitzer von »Arendsrust«. Ihm war zu Ohren gekommen, dass sich einer seiner Sklaven in die Sklavin Betje (die Geliebte des Besitzers) verliebt hatte. Er ließ diesen Sklaven auspeitschen, seinen ganzen Körper brandmarken und nagelte ihn anschließend an einen Holzpflock. Nachdem der arme Geknechtete gestorben war, wurde er in ein Loch mit ungelöschtem Kalk geworfen. Betje, die dem Sklaven nicht abgeneigt gewesen war, wurde ebenfalls gefesselt, bis aufs Blut gemartert und auf schändliche und abscheuliche Weise gebrandmarkt.22

      Von der Erfüllung eines häuslichen Glücks für Sklaven konnte unter diesen Umständen nicht die Rede sein, da der weiße Herr immer wie ein drohender Schatten zwischen den beiden Eheleuten stand.

      Die von ihren Männern vernachlässigten europäischen Frauen suchten Trost im Hass, den sie ihrer schönen Rivalin gegenüber oftmals mit unmenschlicher Grausamkeit auslebten. Oder sie versuchten, ihre weißen Ehemänner zu bestrafen, indem sie eine Liebschaft mit einem gerade aus Europa eingetroffenen Weißen begannen. Anstößig war die Gepflogenheit, »schöne Sklavinnen zu einer wöchentlichen Abgabe zu verpflichten, die sie dem Herrn oder seiner Frau zahlen mussten, ohne dass diese wussten oder wissen wollten, womit dieses Geld gewonnen oder verdient worden war«.23

      Im Allgemeinen setzte man für diese erzwungene Prostitution auf hübsche Negerinnen, Mulattinnen, Mestizinnen, Quarteronen und Kabugrus. Steckten sich diese Frauen mit der aus Europa importierten Venuskrankheit an, strich man sie mit roter Farbe an und führte sie so durch die Straßen der Hauptstadt. Danach überließ man sie ihrem Schicksal, elendig dahinzusiechen.

       DIE HERREN

      »… dass es eine Sklavenklasse geben muss, die an die schwerste und mörderischste Arbeit gebunden ist und nur eine animalische Natur besitzt, und auf der anderen Seite eine höhere kultivierte Klasse, die somit über Mittel und Zeit verfügt, um den Verstand zu entwickeln und ihre Talente zu vervollkommnen, mit denen sie zugleich die Sklaven beherrscht.«24

      Das jedenfalls war die Theorie, von der ein höherer Fiskalbeamter seiner Familie in Holland berichtete, und wer könnte dies besser beurteilen als ein Diener der Kolonialjustiz! Erhärten wir diese Theorie also wieder mit Fakten. Beginnen wir mit einer Schilderung des Lebens der weißen Herren auf ihren Plantagen.

      Der Herr stand morgens zeitig auf, begab sich zu dem Platz vor dem Haus oder in den Lustgarten, zündete sich eine echte holländische Pfeife mit würzigem Varinas an und ließ sich danach von einer seiner Sklavinnen ehrerbietig eine köstliche Tasse Kaffee kredenzen.

      Während dieser durch und durch vornehme weiße Herr dann in aller Ruhe die kühle und erfrischende Morgenluft genoss, erschien der weiße Aufseher, um nach den gebotenen Verbeugungen und Höflichkeiten (ein bedeutsamer Teil seiner Tätigkeit) Bericht über den vergangenen Tag zu erstatten und Anweisungen für den neuen Arbeitstag entgegenzunehmen. Ausführlich teilte er mit, welche Arbeiten von den Sklaven und Sklavinnen verrichtet wurden, ob Neger die Plantage verlassen haben, wer krank oder gestorben ist, oder ob sich Geburten unter dem Sklavenvolk ereignet haben (eine willkommene Vermehrung des Viehbestands).

      Danach erhielt der Morgen ein strengeres Antlitz, und es folgte eine Aufzählung der Sklaven und Sklavinnen, die nach Ansicht des Aufsehers am vergangenen Tag ihre Aufgaben nicht gebührend erfüllt, sondern sich eine kleine Pause gegönnt oder auf andere Weise gesündigt hatten.

      Der Aufseher trat als Ankläger auf, der Herr als Richter, und ein Sklave, der eigens hierfür ausgebildet wurde, sorgte für die unverzügliche Vollstreckung.25 Fielen die Schläge aus Versehen allzu hart aus, so dass der Arbeitswert des Sklaven für den Tag gefährdet sein könnte, war glücklicherweise auch der