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Einmal ertappt, weist dieser eifernd auf den Hehler und den Dieb: Nicht ich, sie! Und doch: Wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Hier und da werden Denkmäler errichtet, die an das Leid erinnern. Man bringt erklärende Texte zu in Ungnade gefallenen Kolonialherren an. Sich aber umzudrehen und dem eigenen Monster in die Augen zu starren, das bereitet noch immer Mühe.

      Wir Sklaven von Suriname hält uns auch heute noch einen Spiegel vor. Das Buch verbreitet die Botschaft von Macht versus Minderheit, von Kapital versus Armut. Spielend leicht lassen sich Parallelen zur Gegenwart ziehen: die miserable Situation von Flüchtlingen im Westen, auch in den Niederlanden. Chinesen, die mit einem Kartell im Nacken von früh bis spät in Geschäften stehen. Drogenbanden, die in Lateinamerika Bürger erpressen, Frauenhandel, Kinderarbeit in asiatischen Textilfabriken. Es sind immer Systeme, die den Rahmen schaffen, aus denen Individuen ihren Vorteil ziehen. Unterdrückung gründet sich auch ausdrücklich auf Stereotypen: Wir gegen die unbekannten, fremden Anderen. Der Vormarsch rechter Populisten in der Welt basiert zu einem wesentlichen Teil auf diesem Wir-Sie-Denken. Der andere ist faul oder kriminell oder beides. »Wollen wir mehr oder weniger Marokkaner?«, fragt Geert Wilders. Noch entschiedener klingt die Parole: Sei normal oder hau ab. America first, aber wem gehört Amerika eigentlich? Aus dieser Position spricht ein vermeintlicher Anspruch auf Eigentum. De Kom durchschaute diese Sichtweise nur allzu gut. Hinter dem anonymen Wort Sklave fügte er zwischen zwei Anführungszeichen »unsere Väter« hinzu. Unsere Väter, nicht einfach nur namenlose Wesen.

      Welche Aktivisten in der Welt gibt es nach Anton de Kom, Mahatma Ghandi, Martin Luther King, Rosa Parks, Malcolm X und Nelson Mandela, die für die als selbstverständlich angesehenen Menschenrechte kämpfen? Sind die Appelle laut genug? Anton de Kom deckte die Mechanismen hinter dem Phänomen der Unfreiheit auf. Hinter der Armut.

      Auf dem Gehweg vor der berühmtesten Hütte von Paramaribo lässt die Blume in der Hand des alten Mannes wegen der Hitze ihren Kopf hängen. Er steht auf und schlurft mit den zu großen Badelatschen die Straße hinunter.

       Judith de Kom

       VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE (1981)

      »Die Wahrheit facht den Sturm gegen sich an,

      der die Saat in die Weite trägt.«

       Tagore

      »Kein Volk kann aber zu voller Blüte gelangen, das erblich mit einem Minderwertigkeitsgefühl behaftet ist. Deshalb möchte dieses Buch die Selbstachtung der Surinamer wachrütteln«. Dies schreibt Anton de Kom in dem Kapitel »Die Geschichte des Vaterlands«. (S. 60)

      Er ahnte, dass das surinamische Volk, belastet mit dem Kolonialerbe, einen langen und schweren Weg vor sich hatte, um sich zu einer vollwertigen Nation zu entwickeln.

      Wir Sklaven von Suriname ist zum Teil ein politischer Kommentar zur Geschichte Surinames und zum Teil ein Schrei nach Gerechtigkeit. Das Buch ist, und das ist vielleicht das Wichtigste, von einem Landsmann geschrieben, der aufgrund seiner abweichenden Auffassungen die koloniale Unterdrückung am eigenen Leib erfahren musste.

      Anton de Kom wird 1898 in Paramaribo geboren.

      »Er war ein ruhiges Kind. Als Junge ein regelrechter Bücherwurm«, erzählen Verwandte.

      Sein Vater ist Goldsucher. Nach dem Rückgang der Goldgewinnung wendet er sich der Landwirtschaft zu. Die Familie besteht aus sechs Kindern, drei Jungen und drei Mädchen. Anton ist der älteste Sohn. Er besucht die Paulusschool in Paramaribo, eine Grund- und Sekundarschule, was damals, 1910, eine Ausnahme ist.

      Zeugnisse besagen, dass er ab 1916 als Büroangestellter bei dem Gerichtsvollzieher H.C. Cooke und drei Jahre bei den Balata Compagnieën Suriname en Guyana angestellt ist.

      Letztgenannte Arbeitsstelle bringt ihn in Kontakt mit den Balata-Bleeders. Dies ist auch seine erste Konfrontation mit der Ausbeutung. Ein Arbeiter, der ihn gekannt hat, sagt: »Er saß im Büro und kämpfte für uns. Er sorgte dafür, dass wir den Lohn erhielten, der uns zustand.«

      Im Juni 1920 fährt de Kom in die Niederlande und tritt freiwillig in den Dienst des 2. Husarenregiments ein. Nach nur einem Jahr verlässt er das Militär und findet eine Stelle als Büroangestellter. Im Januar 1926 heiratet de Kom Petronella C. Borsboom. Dieser Ehe entstammen drei Söhne und eine Tochter.

      Als einer der wenigen Schwarzen in den Niederlanden kommt er in den 1920er-Jahren mit den nationalistischen Studenten aus dem heutigen Indonesien in Berührung, wie Mohammed Hatta, der später bei der politischen Bewusstwerdung und Befreiung Indonesiens eine so wichtige Rolle spielen wird. Auch durch sie entwickelt sich de Koms politisches Bewusstsein. Der Aufstieg der Black-Power-Bewegung in Amerika, unter anderem mit dem Auftreten Marcus Garveys, trägt ebenfalls dazu bei. Er kommt in Kontakt mit linken niederländischen Schriftstellern und entwickelt sich zu einem guten Redner. Er hält Vorträge über Suriname, sein Land, und gegen den Kolonialismus.

      »Ein sozial engagierter Mann, still und bescheiden, der aber heftig auf Unrecht und Ausbeutung reagierte«, sagen Menschen, die ihn gekannt haben.

      Im Dezember 1932 kehrt de Kom aus familiären Gründen in sein Vaterland zurück.

      Die soziale Situation dort ist menschenunwürdig. Seit 1920 hat sich nichts geändert: hohe Kindersterblichkeit, Unterernährung, Arbeitslosigkeit, Baracken, schlechtes Gesundheitswesen. De Kom gründet eine Beratungsstelle. Er hört sich die Klagen der Menschen an und spornt sie an, solidarisch zu sein und sich zu organisieren.

      Dies alles wird von der Kolonialmacht als Bedrohung gesehen. Sie greift ein und verhaftet de Kom.

      Am 7. Februar 1933 ziehen hunderte Kreolen, Hindustani und Javaner zum Generalanwalt, um die Freilassung des Mannes zu fordern, der für ihre Rechte eintritt. Unerwartet eröffnet die Polizei das Feuer. Es gibt zwei Tote und viele Verletzte.

      Nach drei Monaten Haft ohne Verurteilung wird de Kom im Mai 1933 auf ein Schiff zurück in die Niederlande gesetzt. Die Ausweisung, sein politisches Engagement und die Krisenjahre machen das Leben für ihn und seine Familie alles andere als leicht.

      Im Krieg widersetzt er sich heftig dem Faschismus. Er schreibt für die illegale Presse. In der Folge wird er im August 1944 von den Deutschen verhaftet und in ein Konzentrationslager nach Deutschland deportiert, wo er im April 1945 stirbt. Mitgefangene erzählen später, wie mutig de Kom die Demütigungen seiner Gefangenschaft ertrug. Unablässig sprach er über sein geliebtes Suriname.

      Seine Grundüberzeugung, die absolute Ablehnung von Armut, Unterdrückung und Ausbeutung, ist in seinem Buch Wir Sklaven von Suriname stets präsent.

      Seine Lebensgeschichte enthält trotz aller Traurigkeit eine positive, optimistische Botschaft.

      De Kom ist es für kurze Zeit gelungen, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Kampf für ein menschenwürdiges Dasein zu vereinen!

      Mögen die Surinamer daraus bleibende Inspiration und Hoffnung schöpfen.

      Judith de Kom,

      im Namen der Familie de Kom,

      März 1981

Anton de Kom
»SRANAN«, UNSER VATERLAND

      Vom 2. bis zum 6. Grad südlicher Breite und vom 54. bis 58. Grad westlicher Länge, zwischen dem Blau des atlantischen Ozeans und der Unwegsamkeit des Tumuk-Humak-Gebirges, das die Wasserscheide mit dem Amazonasbecken bildet, begrenzt durch die breiten Ströme Corantijn und Marowijne, die uns von Britisch- und Französisch-Guyana trennen, reich an ausgedehnten Wäldern, in denen der Grünherz, der Barlak, der Kapokbaum und der edle Braunherz wachsen, reich an breiten Flüssen, an denen Reiher, Wieswiesies, Ibisse und Flamingos ihre Brutplätze finden, reich an Naturschätzen, an Gold und Bauxit, an Kautschuk, Zucker, Bananen und Kaffee … arm an Menschen, ärmer noch an Menschlichkeit.

      Sranan – unser Vaterland.

      Suriname, wie die Holländer es