Dringende Hilfe. DJ Jamison. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: DJ Jamison
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894360
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seine Kinder geliebt und unterstützt, auch nachdem ihre Mutter sie verlassen hatte. Und er hatte seiner Schwiegermutter erlaubt, ein Teil ihres Lebens zu sein, obwohl ihre Tochter ihn betrogen hatte.

      Als er gestorben war, war es nur natürlich gewesen, dass seine Oma sie aufgezog. Er war im Laufe der Jahre oft damit aufgezogen und dafür kritisiert worden, dass er bei einer weißen Frau aufwuchs. Ihm war gesagt worden, er würde sich zu sehr wie ein weißer Junge anhören und verhalten. Man hatte ihm vorgeworfen, er würde wie irgendein reicher Yuppy klingen, weil er seine Oma ‚Großmutter‘ nannte. Sie sagten ihm, er könne sich gar nicht vorstellen, was es heißt, ein echter Schwarzer Mann zu sein, obwohl jeder Mensch, dem er begegnete, zuerst den Schwarzen in ihm sah. Je nachdem, welche Vorurteile die Leute hatten, behandelten sie ihn dann entsprechend.

      Letztlich war er mit all dem Mist vor allem deshalb klargekommen, weil seine Oma die einzige Mutter war, die er je hatte. Er würde zu ihr stehen, solange sie lebte.

      Er trank seinen Tee aus und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen. Auf dem Rückweg zog er seinem Neffen Beau die Ohrstöpsel aus den Ohren.

      „Essen ist fertig. Mach, dass du da reinkommst, bevor Großmutter mit dem Kochlöffel hinter dir her ist.“

      Beau zog die Mütze von seinem braunen Haar. Er war groß und schlaksig und geriet mehr nach seinem Vater als nach seiner Mutter. Dann packte Xavier die dreizehnjährige Maggie, warf sie über seine Schulter und lief mit ihr ins Esszimmer, während sie quietschte und auf seinen Rücken trommelte. Als er den Tisch erreichte, warfen seine Großmutter und Twyla ihm tadelnde Blicke zu.

      Xavier ließ Maggie hinunter und setzte sich. Beau sah grinsend zu, wie seine Mutter Xavier in die Rippen boxte.

      „Du könntest ein besseres Beispiel geben.“

      Xavier zuckte mit den Schultern. „Es sind Kids. Lass sie ein bisschen Spaß haben.“

      Sie nahmen ihre Plätze ein und reichten Bratkartoffeln, fritierte Hühnchenschnitzel mit weißer Sauce und Brötchen herum. Die Mahlzeiten seiner Oma waren nicht die gesündesten, aber dafür sehr lecker.

      „Wie läuft es in der Schule?“, fragte Twyla. „Du machst jetzt Praxisstunden an den einzelnen Abteilungen des Krankenhauses, richtig?“

      Er schluckte ein Stück Brot und nickte. „Ja.“

      „Was ist denn los?“, erkundigte sich seine Oma sofort. „Ich höre doch an deinem Tonfall, dass etwas nicht stimmt.“

      Xavier wich ihrem Blick aus und fühlte sich plötzlich wie ein Schulkind, das bei einer Lüge ertappt wird. Er war an sich nicht der Typ, der Dinge vor anderen verbarg, und er war nie gut darin gewesen, etwas vor seiner Familie geheim zu halten. „Nichts, ich arbeite nur viel.“

      „Xavier James, wag es ja nicht, mich anzulügen!“

      „Oh oh“, sagte Beau. „Da steckt jemand in Schwierigkeiten.“

      „Sei still“, mahnten Twyla und seine Großmutter gleichzeitig. Der Junge senkte den Kopf und schaufelte mehr Kartoffeln in sich hinein. Xavier wünschte, er könnte dasselbe tun.

      Seine Oma hob den Kopf und las in seinem Ausdruck offenbar etwas, das ihren Ton sanfter werden ließ. „Was ist denn passiert, Liebling?“

      Es grenzte schon an ein Wunder, dass er es geschafft hatte, es so lange für sich zu behalten, das war Xavier klar. Er war wirklich durcheinander gewesen, nachdem er Trent vor ein paar Monaten in dem Club gesehen hatte. Er räusperte sich nervös. „Trent ist zurück.“

      „O Scheibe!“, rief Twyla. Seit Beau alt genug war, um ihre Flüche nachzuahmen und frech zu sein, wenn sie ihn ermahnte, griff sie zu alternativen Ausdrücken. Das klang immer ziemlich lahm und ein Lächeln schlich sich auf Xaviers Lippen.

      Seine Oma war nicht amüsiert. Sie schien auch nicht überrascht zu sein.

      „Das hatte ich angenommen, als er hier war und nach dir gefragt hat“, sagte sie sachlich.

      Xavier schnappte nach Luft. „Wann war das?“

      Seine Oma neigte den Kopf und dachte nach. „Oh, vor ein paar Monaten. Mindestens.“

      „Oma“, stöhnte Xavier. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“

      Ihre Lippen wurden schmal. „Weil ich dich kenne, Xavier. Du bist zu nachgiebig. Ich habe dem Jungen gesagt, er soll vorsichtig mit dir sein. Du warst seinetwegen den ganzen Sommer nach der Highschool am Boden zerstört.“

      Beau sah auf und beobachtete Xavier neugierig, war aber klug genug, keine Bemerkung zu machen. Maggie war zu sehr drauf konzentriert, auf den Fernseher im Nebenzimmer zu schielen, um ihm Beachtung zu schenken.

      „So schlimm war es nicht“, murmelte Xavier.

      Seine Großmutter und Twyla schnaubten. Offensichtlich war kein besserer Lügner aus ihm geworden.

      „Kommst du wieder mit ihm zusammen?“, fragte Twyla plump.

      „Nein!“ Großer Gott, warum fühlte er sich wieder wie ein Achtjähriger? „Er ist Arzt. Wir begegnen uns an der Klinik. Es war seltsam“, erklärte er. „Als ich ihn gesehen habe, sind eine Menge alter Erinnerungen hochgekommen, das ist alles.“

      Der Blick seiner Großmutter wurde sanfter. „Trent schien so ein netter Junge zu sein, als ihr zusammen wart, aber er ist vom Weg abgekommen. Sei bloß vorsichtig. Ich erinnere mich noch, wie fertig du warst, auch wenn du etwas anderes behauptest.“

      Xavier stocherte in seinen Kartoffeln. „Ich weiß.“

      „Er ist einfach ein privilegierter weißer Typ, der zu dumm war, etwas Gutes zu schätzen, als er es hatte“, sagte Twyla und der Zorn in ihrer Stimme ging über ihre Gefühle für Trent und Xavier hinaus. Er war ziemlich sicher, dass sie sich auch auf ihren Exmann Justin bezog, der sie verlassen und wieder geheiratet hatte. „Ich hoffe, du hast ihm wenigstens die Meinung gesagt.“

      „Habe ich“, sagte Xavier rasch und hoffte, dass die Unterhaltung nicht in eine Schimpftirade ausarten würde. Auch nach all den Jahren hegte Twyla noch immer einen gewaltigen Groll auf ihren Mann. Darüber stand Xavier kein Urteil zu, denn er und Trent waren nur ein jugendliches Pärchen gewesen, und er war auch noch mächtig sauer auf Trent.

      Maggie lehnte sich vor, um einen besseren Blick auf den Fernseher zu haben und stieß ihr Milchglas um, dessen Inhalt sich über den Tisch ergoss.

      Twyla sprang auf. „So eine Schande! Pass doch auf, Maggie.“

      „Tut mir leid!“

      Twyla holte ein Tuch und bemühte sich, die Milch aufzuwischen, während Xavier sich ein wenig entspannte.

      „Also, dieser Trent war dein Lover oder wie?“, fragte Beau.

      Die Kinder wussten, dass er schwul war, seit sie ganz klein waren. Es war eine Tatsache, die sie einfach akzeptierten.

      Xavier nickte und schob einen großen Bissen in den Mund, um nicht weiterreden zu müssen. Er betete, dass sie das Thema wechseln würden, und seine Oma begann, von den Damen zu erzählen, mit denen sie jede Woche Karten spielte. Dann erzählte sie von ihren Ausflügen zum YMCA, wo sie Wasseraerobic machte. Und als Twyla mit dem Saubermachen fertig war, hatte auch sie sich wieder beruhigt.

      Xavier konnte es ihr wirklich nicht übelnehmen, dass sie verbittert war. Justin war ein übler Bursche gewesen, hatte zu viel getrunken und sie auch zuvor schon betrogen, ehe er sie wegen einer anderen Frau verlassen hatte.

      Seine Situation mit Trent war zwar auch beschissen gewesen, aber anders. Er hatte Trent wirklich etwas bedeutet. Daran hatte er auch in all den Jahren, die er zornig und verletzt gewesen war, nie gezweifelt.

      ***

      Trent verbrachte das Wochenende allein. In Jogginghosen. Vor dem Fernseher.

      Ja, du hast definitiv ein neues Kapitel aufgeschlagen. Kein sehr aufregendes Kapitel …

      In