Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Flanagan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711480380
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deren Taten und Leidenschaften aus jener erschreckenden Welt der Berge und Moore entspringen, die von den versteinerten Wurzeln der Vergangenheit erstickt werden. Und hinter diesen Männern liegt die menschenreiche Welt der Bauern, dieses dunkle Meer, das uns so plötzlich überspülte, daß wir in ihren Wellen fast ertrunken wären.

      Dennoch werde ich versuchen, diese Ereignisse mit allem Verständnis der Situation zu beschreiben, das ich mir erworben habe, und mit einem Versuch der strikten Unparteilichkeit. Ich fürchte schon im voraus, daß ich versagen werde, denn mein Wissen um die Ereignisse ist wesentlich größer als mein Verständnis ihrer Ursachen. Aber es erscheint mir fast als sündhaft, nicht nach den Ursachen, den schwarzen Wurzeln blühender Leidenschaften zu suchen. Der Regen hat aufgehört, und unter einem plötzlich hellen und fast wolkenlosen Himmel erstrecken sich Felder von intensivstem Grün gen Norden auf die Bucht zu.

      2

      Mount Pleasant, 16. Juni

      Es war ein langer Brief, der fast drei Bögen exzellenten Papiers bedeckte. Abschriften waren über Nacht an Coopers Tür und an die Tür der Markthalle von Killala genagelt worden. Cooper preßte die eine Hand auf die Bögen, während die andere, mit Hilfe des auf den Frühstückstisch gestemmten Ellbogens, einen Kopf stützte, in dem Brandy herumzuschwappen schien wie in einem halbvollen Krug. Ihm gegenüber saß seine Frau Kate, neben ihm hockte sein Verwalter Fogarty auf der Stuhlkante.

      »Es ist kaum zu glauben«, sagte er, um Zeit zu gewinnen, während er das wilde Wortgewirr studierte.

      »Nicht alle, nicht einmal die meisten«, versicherte Fogarty ihm. Er war ein jovialer Mann, und brachte selbst den unangebrachtesten Umständen noch einen Hauch seiner Lebenskraft. »Nur die Kühe, die wir auf O’Malleys Feld getrieben haben. Erinnert Ihr Euch noch, wie er seinen Kopf hin und her bewegte, wenn er mit Euch sprach? Das lag an seinem kranken Auge.« Er imitierte diese Gestik, und Cooper schloß seine Augen bei diesem Anblick.

      »Es sind schreckliche Zeiten für Mayo«, meinte Kate, »wenn ein Mann sein Land nicht so nutzen kann, wie er es für richtig hält.«

      »Richtig hält, verdammt«, sagte Cooper. »Wie irgend so ein verfluchter Hypothekengeier in Capel Street es für richtig hält. Ich glaube, ich könnte ein wenig Tee vertragen.« Er schlürfte ihn rot und stark, mit viel Zucker. Er preßte kleine, viereckige Hände auf plumpe Knie, die seine ledernen Hosen zu sprengen drohten, ein kurzbeiniger Mann mit einem runden und kompakten Kopf wie eine Kanonenkugel. »Als ob dieses Land nicht schon genug Ärger hätte. Die Whiteboys von Killala. O Jesus, womit habe ich diesen ganzen Ärger bloß verdient!«

      »Schwere Zeiten, Captain«, sagte Fogarty. »Schwere Zeiten.«

      »Ich werd sie noch schwerer machen«, sagte Cooper, »so schwer, daß sie am Ende an einem Seil in Castlebar tanzen.«

      »Das werdet Ihr gewiß, Captain. Das werdet Ihr gewiß. Kein besserer Mann. Sowie wir wissen, wer sie sind.«

      »Meine eigenen Pächter, das sind sie, und ich hab davon nicht so viel, daß ihr Benehmen ein Geheimnis bleibt. Und wenn mir das Gesetz keine Genugtuung verschaffen kann, dann mach ich mich mit einer Bande von MacCaffertys über sie her.«

      »Aber sicher doch, Captain.«

      »Wir sind hier nicht in Dublin, wißt Ihr. Wir sind hier in Mayo, und wir bringen die Dinge auf unsere Weise in Ordnung. Wir sind hier Iren, und Iren, bei Gott, die auf ihren eigenen Füßen stehen.«

      »Wenn du jetzt damit fertig bist«, sagte Kate, »dann erzählst du uns vielleicht, was du vorhast.« Sie war eine gutaussehende Frau mit groben Zügen, mit breitem, humorvollem Mund und achatgrünen Augen.

      Er warf ihr einen Blick zu und schaute dann in die andere Richtung. »Fogarty, Ihr braucht hier nicht mit leerem Magen zu sitzen. Kate, klingel doch mal nach Brid und gieß dem Mann eine Tasse Tee ein, solange er wartet.«

      »Tee wäre wunderbar«, stimmte Fogarty zu. »Ich habe schon vor zwei Stunden gefrühstückt. Ich habe Paddy Joe und seinen Sohn an den umgeworfenen Zaun gesetzt.«

      »Ihr seid doch wirklich ein umsichtiges Luder«, sagte Cooper, fügte dann aber schnell hinzu: »Ach, Tim, tut mir leid, ich bin ganz außer mir.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich wollte dieses Vieh auf dem Markt verkaufen. Jetzt weiß ich einfach nicht, was ich tun soll.«

      »Schon gut, Sam. Es ist eine üble Sache.« Er nippte an dem glühendheißen Tee und fügte Zucker hinzu.

      »Und nun, Sam«, sagte Kate, »was hast du vor?«

      »Ich habe ein Fünftel des Landes als Weideland vorgesehen, und das ist der einzige Ausweg. Das wißt ihr beide. Und ich werde nicht der letzte Grundbesitzer hier sein, der das macht, nur hatte ich das Pech, der erste zu sein.«

      »Dann hättest du lieber warten sollen«, meinte Kate. »Bis du Gesellschaft bekommst.«

      »Warten war nicht möglich, Kate, dafür stecken wir zu sehr in der Klemme. Diese Hure von einer Baronie ist nicht für Bauern geschaffen. Das hier ist Weideland.«

      Das Zimmer war zu klein für die Möbel, die hineingepfercht worden waren, ein riesengroßer Mahagonitisch, schwere Sessel mit weiten Lehnen und hohen, mit Gobelins bespannten Rücken, eine Anrichte aus Olivenholz. Zwei vom Rauch nachgedunkelte Porträts sahen einander über den Tisch hinweg an.

      »Du mußt was unternehmen«, sagte sie. »Die Drohung der Whiteboys hängt doch bei jedem Schritt, den du tust, über dir.«

      »Und diese Dubliner Schmarotzer hängen mir am Arsch. Meinst du vielleicht, ich wüßte das nicht?«

      Auf der anderen Seite der Diele, in seinem kleinen Büro, war sein ganzer Schreibtisch mit Papieren übersät. Wie konnte jemand so viel Land haben und doch so arm sein? Das Land war zwar schon so schwer belastet gewesen, als sein Vater starb, und auf der Straße der hohen Hypotheken war keine Umkehr möglich. Aber die Straße hatte einst, vor sieben oder acht Jahren, einladend ausgesehen. Es waren gute Jahre gewesen, nach dem Tod seines Vaters und vor seiner Hochzeit. Damals hätte er Mount Pleasant genausogut Liberty Hall nennen können, auch wenn er sich im Grunde keine Leichtlebigkeiten geleistet hatte. Jeden flotten jungen Mann der Baronie hatte er zu Gast gehabt und durchaus nicht nur Protestanten, er war kein Frömmler. Die beiden Routledges waren willkommen gewesen, Tom Bellew und Corny O’Dowd, der alte katholische Stamm, gute Reiter für die Jagd. Der Dielenboden trug immer noch die Spuren von damals, als Corny O’Dowd hereingeritten war. Das alles war nun vorbei, und wieder braute sich schwarzer Haß zwischen den Konfessionen zusammen.

      »Du mußt sie jetzt aufhalten«, sagte Kate.

      Er verschüttete seinen Tee. »Du bist so schlimm wie die anderen. Hat mein eigener Vater mir nicht gesagt, ich könnte genausogut mein Haus auf Sumpfboden bauen wie eine Papistin heiraten?« Er rutschte auf seinem Sitz herum. »Warum zum Teufel ich dich überhaupt heiraten mußte, das frage ich mich jede Nacht, wenn ich nicht schlafen kann.« Wenn sie Kinder bekämen, würde sie ihnen den Rosenkranz beibringen, das war doch immer so bei Mischehen.

      »Dann brauchst du dir diese Frage ja nicht gar zu oft zu stellen.«

      »Nun, Ma’am«, sagte Fogarty, »ganz herzlichen Dank für den Tee.«

      »Ihr sitzt, wo man es Euch befohlen hat«, sagte Kate, »und Ihr geht, wenn man Euch verabschiedet hat.« Sie beugte sich zu ihrem Mann hinüber. »Du hast diese spezielle Papistin geheiratet, weil du dermaßen auf die Wonnen des Bettes erpicht warst und ein gutes Geschäft erkanntest, wenn du eins sahst.«

      Cooper setzte zu einer Antwort an, platzte dann aber heraus: »Bei Gott, Kate, du hast recht. Es war ein verdammt gutes Geschäft. Aber ich kann doch deine verdammten Papisten nicht ...«

      »Meine verdammten Papisten, ja? Meinst du, Thomas Treacy wäre sicher, oder George Moore? Wenn Whiteboys ohne Strafe davonkommen, ist kein Grundbesitzer mehr vor ihnen sicher.« Sie legte ihre Hand auf den Tisch. »Hast du nicht genug Verstand, um das selber zu begreifen? Du hast eine Handvoll Männer,