»Nein, Luise, Eure Demut führt Sie zu weit. Die Tochter eines Dieners der Kirche steht hoch genug, um niemand über sich anzuerkennen. Weder ich noch Herr Edwards kann sich ganz zu ihresgleichen zählen, wenn er nicht –« fügte sie abermals lächelnd bei – »im geheimen ein König ist«
»Ein treuer Diener des Königs der Könige, Miss Temple, ist niemand auf Erden untergeordnet«, sagte Luise, »aber doch gibt es einen Unterschied der Stände, und ich bin nur das Kind eines armen und freundlosen Mannes, das auf keine andere Auszeichnung Anspruch machen kann. Warum sollte ich mich also erhaben über Herrn Edwards fühlen – weil – weil – er in einem sehr entfernten Grade mit John Mohegan verwandt ist?«
Bedeutungsvolle Blicke wurden zwischen der Erbin und dem jungen Mann gewechselt, als Luise, indem sie seine Abstammung verteidigte, ihr Widerstreben an den Tag legte, ihn mit dem alten Krieger in eine nähere Verbindung zu bringen; aber weder sie noch er erlaubten sich auch nur ein Lächeln über die Einfalt der Predigerstochter. –
»Wohl erwogen, muß ich zugestehen, daß meine Stellung hier im Hause etwas Zweideutiges hat«, begann Edwards, »obwohl ich sagen darf, daß sie mit meinem Blut erkauft wurde.«
»Und noch obendrein mit dem Blut eines der eingeborenen Herren dieses Bodens?« rief Elisabeth, welche augenscheinlich seiner Abstammung von den Ureingeborenen nur wenig Glauben schenkte.
»Sind die Merkmale meiner Abkunft so offen in meinem Äußeren abgedrückt? Meine Haut ist dunkel, aber nicht sonderlich rot, – nicht mehr als gewöhnlich.«
»Doch, doch – gerade im gegenwärtigen Augenblick.«
»Ich bin überzeugt, Miss Temple«, rief Luise, »daß Sie Herrn Edwards noch nicht genau ins Auge gefaßt haben. Seine Augen sind nicht so schwarz wie die Mohegans – nicht einmal so wie Ihre eigenen; und ebensowenig ist dies bei seinem Haar der Fall.«
»Sehr möglich, ich könnte also auf eine gleiche Abkunft Anspruch machen. Auch würde es mir zu einem großen Trost gereichen, wenn ich es tun dürfte, denn ich gestehe, es berührt mich schmerzlich, wenn ich den alten Mohegan in diesen Gegenden umherstreifen sehe wie den Geist eines ihrer alten Besitzer, und wenn ich dabei bedenke, wie wenig statthaft meine Eigentumsrechte sind.«
»Wirklich?« rief der Jüngling mit einer Heftigkeit, ob der die Damen erschraken.
»Allerdings«, erwiderte Elisabeth nach einer kurzen Pause, in der sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. »Aber was kann ich tun? Was kann mein Vater tun? Wenn wir auch dem alten Mann eine Heimat und ein anständiges Auskommen anböten, so würde er es schon um seiner Gewohnheiten willen ausschlagen. Auch könnten wir, wenn wir einen so törichten Wunsch hegten, diese Lichtungen und Meiereien nicht wieder in Jagdgründe verwandeln, wie es Lederstrumpf so gerne zu sehen wünschte.«
»Sie haben recht, Miss Temple. Was wäre da wohl zu tun? Aber doch gibt es eines, was Sie gewiß tun können und wollen, wenn Sie Herrin dieser schönen Täler geworden sind: – verwenden Sie Ihren Reichtum zum Wohl der Armen und Notleidenden; – weiter können Sie in der Tat nichts tun.«
»Und damit ist schon viel geschehen«, entgegnete Luise, indem jetzt die Reihe des Lächelns an ihr war. »Aber zweifelsohne wird sich jemand einstellen, der ihr die Leitung solcher Angelegenheiten abnimmt.«
»Es fällt mir nicht ein, dem Ehestand entsagen zu wollen wie ein törichtes Mädchen, das gleichwohl vom Morgen bis in die Nacht an nichts anderes denkt; aber ich bin hier eine Nonne, ohne das Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt zu haben; wie sollte ich in diesen öden Wäldern einen Gatten finden?«
»Hier ist keiner, Miss Temple«, sagte Edwards rasch, »der sich vermessen dürfte, um Ihre Hand zu werben, und ich bin überzeugt, daß Sie warten, bis Sie von einem Ihresgleichen aufgesucht werden – oder sterben, wie Sie gelebt haben, geliebt und geachtet von allen, die Sie kennen.«
Der junge Mann schien zu glauben, er habe alles gesagt, was die Galanterie forderte; denn er stand auf, nahm seinen Hut und eilte aus dem Gemach. Luise mochte denken, daß er mehr als nötig gesagt habe; denn sie seufzte mit einem so leisen Atemzug, daß sie es wohl kaum gewahrte, und beugte ihr Antlitz wieder über ihre Arbeit. Möglich, daß Miss Temple noch mehr zu hören gewünscht hätte; denn ihre Augen hafteten noch eine geraume Zeit auf der Tür, durch welche der junge Mann verschwunden war, und wandten sich sodann rasch auf ihre Gefährtin. Das nun folgende lange Stillschweigen bewies, wie sehr die Unterhaltung zweier Mädchen unter achtzehn Jahren durch die Gegenwart eines Jünglings von dreiundzwanzig belebt werden kann.
Die erste Person, welcher Herr Edwards begegnete, als er aus dem Hause stürzte, war der kleine viereckig gebaute Rechtsgelehrte, mit einem großen Aktenbündel unter dem Arm und einer grünen Brille mit Seitengläsern auf der Nase, als wolle er durch diese scharfe Bewaffnung seines Auges seine Fähigkeit, die Hinterlist eines Gegners aufzuspüren, multiplizieren.
Herr Van der School war ein Mann von Bildung, aber langsamer Fassungsgabe, der den Kollisionen mit seinen lebhafteren und fähigeren Kollegen, welche den Grund zu ihrer Geschicklichkeit an den östlichen Gerichtshöfen gelegt und die Verschlagenheit mit der Muttermilch eingesogen hatten, seine Vorsicht im Reden und Tun verdankte. Die Behutsamkeit dieses Herrn sprach sich in letzterer Hinsicht als pedantische Methodik und Pünktlichkeit aus, wobei freilich auch ziemlich viel Schüchternheit mit einfloß, während er in seinen Reden so sehr den parenthetischen Stil beobachtete, daß seine Zuhörer oft lange suchen mußten, bis sie den Sinn seiner Worte fanden.
»Guten Morgen, Herr Van der School«, sagte Edwards. »Es scheint, wir haben heute einen rührigen Tag in dem Herrenhaus.«
»Guten Morgen, Herr Edwards (wenn dies wirklich Ihr Name ist {denn da Sie fremd sind, so haben wir kein anderes Zeugnis für die Tatsache als Ihre eigene Aussage}, wie ich auch bereits dem Richter Temple zu verstehen gegeben), guten Morgen Sir. Augenscheinlich ist’s ein rühriger Tag (aber einem Mann von Ihrer Klugheit braucht man nicht zu sagen {sintemal Sie ohne Zweifel selbst schon diese Entdeckung gemacht haben}, daß der Schein oft trügt), in dem Hause droben.«
»Haben Sie wichtige Papiere, die abgeschrieben werden müssen? Bedarf man in irgendeiner Weise meines Beistandes?«
»Da sind wohl Papiere (wie Sie ohne Zweifel {denn Ihre Augen sind jung} an der Außenseite sehen), welche kopiert werden sollten. –«
»Nun so will ich Sie auf Ihre Schreibstube begleiten und mir das Nötigste herausgeben lassen. Wenn es Eile hat, so soll es bis zum Abend fertig sein.«
»Es wird mich immer freuen, Sir, Sie in meinem Geschäftslokal zu sehen (wie nicht mehr als billig {nicht als ob es mir lieber wäre, einen Mann wie Sie, wenn Sie nicht wollen, in Ihrer eigenen Wohnung, welche, um mich höflich auszudrücken, ein Schloß ist, zu empfangen} sintemal mir jeder Platz gelegen kommt); aber die Papiere sind mir im Vertrauen übergeben (als solche dürfen sie natürlich von niemand gelesen werden), und wenn es nicht (infolge eines feierlichen Befehls von Seiten des Richters Temple) angeordnet wird, so sind sie für alle Augen unsichtbar, – diejenigen ausgenommen, welche durch Obliegenheiten (ich meine gesetzlich übertragene Obliegenheiten) dazu berechtigt sind.«
»Nun, Sir, wie ich bemerke, bedarf man meiner Dienste nicht, und so wünsche ich Ihnen abermals guten Morgen. Ich bitte jedoch, nicht zu vergessen, daß ich gegenwärtig ganz müßig bin, weshalb es mir lieb wäre, wenn Sie dem Richter Temple bedeuteten, daß ich mich anheischig machte, seine Aufträge in irgendeinem Teile der Welt zu besorgen, wenn – wenn – er nicht allzuweit von Templeton liegt.«
»Ich will ihm dies eröffnen, Sir, in Ihrem Namen (mit Ihren eigenen Ausdrücken) als Ihr Agent. Guten Morgen, Sir – aber halten Sie, Herr Edwards (wenn Sie so heißen) nur einen Augenblick. Wünschen Sie, daß ich Ihr Anerbieten vorbringe, in Maßgabe eines zu schließenden Kontrakts (infolgedessen {durch zu bezahlende Vorschüsse} eine Verbindlichkeit eingegangen wird), oder als eine Dienstleistung, für welche (nach später erfolgender