»Fahre etwas seewärts, John; ich sehe da einen Burschen, der schon seine Schule durchlaufen hat. Es ist selten, daß man ein solches Tier im seichten Wasser findet, wo ihn die Gabel erreichen kann.«
Mohegan gab durch eine Handbewegung seine Zustimmung zu erkennen, und im nächsten Augenblick befand sich der Kahn jenseits des Bereichs der Barsche in einem Wasser von beinahe zwanzig Fuß Tiefe. Man legte einige Stücke Holz auf die Rostpfanne, und das Feuer erleuchtete die Umgebung bis auf den Grund. Elisabeth sah jetzt einen Fisch von ungewöhnlicher Größe, der über einigen kleinen Stücken von Grundholz schwebte; das Tier war in dieser Entfernung nur durch eine leichte Bewegung seiner Flossen und seines Schwanzes zu erkennen.
Diese ungewöhnliche Enthüllung der Geheimnisse des Sees schien die Neugierde sowohl der Erbin des Landes als des Herrn dieses Gewässers zu erregen; denn die Lachsforelle gab bald ihre Aufmerksamkeit durch ein Heben ihres Kopfes und ihres Körpers in einem Winkel von einigen Graden zu erkennen, worauf sie wieder ihre horizontale Lage einnahm.
»Bst! Bst!« begann Natty mit unterdrückter Stimme bei dem leisen Geräusch, welches Elisabeth verursachte, als sie sich neugierig über die Seite des Kahnes bog, »es ist ein scheues Tier und noch weit außerhalb des Bereichs einer Gabel. Meine Stange ist nur vierzehn Fuß lang, und die Kreatur liegt gute achtzehn unter der Oberfläche des Wassers; aber ich will’s versuchen: es ist ein Zehnpfünder.«
Während Lederstrumpf so sprach, zielte er und gab seiner Waffe die erforderliche Richtung. Elisabeth sah die glänzenden polierten Spitzen langsam und lautlos in das Wasser tauchen: sie schienen jedoch infolge der Strahlenbrechung nicht nach dem Fische hinzuführen, – und es war ihr, als müsse das erwartete Opfer sie gleichfalls sehen; denn sein Schwanz und seine Flossen bewegten sich stärker, obgleich das Tier sich nicht von der Stelle rührte. Im nächsten Augenblick beugte sich Nattys Leib ganz gegen den Wasserspiegel, und der Griff seiner Gabel verschwand im See. Der lange, dunkle Strahl der hinabgleitenden Waffe und der kleine Wirbel, der dem raschen Wurf folgte, ließen sich leicht unterscheiden; aber erst als die Stange vermöge der Leichtigkeit ihres Holzes wieder aus dem Wasser auftauchte, und Lederstrumpf, der sie faßte, die Spitzen in die Höhe hielt, wurde Elisabeth die Wirkung dieses Beginnens gewahr. Ein großer Fisch hing an dem mit Widerhaken versehenen Stahl und war bald aus seiner gespießten Lage auf den Boden des Kahnes abgeschüttelt.
»Das reicht zu für uns, John«, sagte Natty, indem er seine Beute an einer der Flossen aufhob und sie im Lichte des Feuers vorzeigte. »Für heute wäre unser Tagewerk beendet.«
Der Indianer machte wieder eine Handbewegung und antwortete mit einem nachdrücklichen »Gut!«
Elisabeth wurde aus ihrer durch diese Szene und das Schauen auf den Grund des Sees veranlaßten Verzückung durch Benjamins heisere Stimme und das Schlagen der Ruder geweckt, da sich jetzt das schwerere Boot der anderen Fischer, die ihr Netz hinter sich herschleppten, der Stelle näherte, wo der Kahn lag.
»Zieht Euch zurück, zieht Euch zurück, Meister Bumppo«, rief Benjamin. »Euer Feuer erschreckt die Fische, die, wenn sie das Netz sehen, einen sicheren Ankergrund suchen. Ein Fisch ist so klug wie ein Pferd und vielleicht noch klüger, wenn er etwas Unheimliches im Wasser wittert, in dem er groß geworden ist; zieht Euch zurück, Meister Bumppo, zieht Euch zurück, sage ich, und macht Platz für unser Schleppnetz.«
Mohegan lenkte den kleinen Kahn nach einer Stelle, wo sie die Bewegungen der Fischer mitansehen konnten, ohne sie zu stören, und ließ ihn dort haltmachen, wo er wie ein phantastisches, in der Luft schwebendes Fahrzeug liegenblieb. Unter der Bemannung des Boots schien nicht die beste Harmonie zu herrschen; denn Benjamin schrie viel, und zwar mit einer Stimme, in welcher sich der Unmut des Ehrenmannes nicht verkennen ließ.
»An das Backbord das Ruder, Meister Kirby«, rief der alte Seemann; »Backbord, so gut Ihr könnt! Es würde den ältesten General in der britischen Flotte in Verlegenheit bringen, ein Netz hübsch auszuwerfen, wenn das Kielwasser wie ein Korkzieher hinter einem herkommt Steuerbord, Bursche! ans Steuerbord das Ruder, – wollt Ihr?«
»Hört, Meister Pump«, sagte Kirby trotzig, indem er zu rudern aufhörte, »ich verlange eine höfliche Sprache und eine manierliche Behandlung, wie es zwischen Mann und Mann recht und billig ist Wenn Ihr hott wollt, so sagt’s, und ich fahre hott um des allgemeinen Besten willen; aber ich bin’s nicht gewöhnt, mich kommandieren zu lassen wie das unvernünftige Vieh.«
»Wer ist ein unvernünftiges Vieh?« entgegnete Benjamin, indem er sein abstoßendes Gesicht zornig dem Licht des Kahnes zuwandte, von wo aus man in jedem seiner Züge den Ausdruck des Unmutes zu unterscheiden vermochte. »Wenn Ihr mir so kommt und die Richtung des Boots bestimmen wollt, so hol’ Euch der Henker; Ihr würdet mir ein schönes Steuern zuwege bringen. Wir brauchen nur noch das Netz in die Achtersitze zu heben, und die Sache ist im reinen. Ich frage Euch noch einmal, ob Ihr noch um ein paar Faden weiter rudern wollt? Wenn ich aber wieder ein solches Walroß, wie Ihr seid, an Bord nehme, so soll mich alle Welt einen Schiffsesel nennen.«
Wahrscheinlich durch die Aussicht einer baldigen Beendigung seines Geschäfts ermutigt, nahm der Holzfäller sein Ruder wieder auf und führte mit demselben einen so kräftigen Schlag ins Wasser, daß das Boot nicht nur von dem Netze, sondern auch in demselben Augenblicke von dem Majordomo befreit wurde. Benjamin hatte sich hinten an der kleinen Plattform, wo das noch nicht ausgeworfene Netz lag, aufgestellt, und der gewaltige, durch den kräftigen Arm des Holzfällers veranlaßte Ruck hatte jenen Ehrenmann vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Die beiderseitigen Lichter ließen diesen Vorfall sowohl im Kahn als an der Küste gewahr werden, und der schwere Sturz ins Wasser zog aller Augen nach dem Majordomo, den man einen Augenblick auf der Oberfläche zappeln sah.
Ein lautes Gelächter erscholl, zu welchem Kirbys Lungen keinen kleinen Teil beitrugen, und hallte an den östlichen Bergen wider, bis es in der Ferne unter den Felsen und Wäldern dahinstarb. Man sah den Körper des Hausmeisters langsam verschwinden. Als aber die durch seinen Fall veranlaßten Wellenschläge ruhig wurden und das Wasser über seinem Kopfe eine ununterbrochene Ebene bildete, bemächtigten sich der Zuschauer ganz andere Gefühle.
»Wie geht’s Euch, Benjamin?« brüllte Richard vom Ufer aus.
»Der dumme Teufel kann nicht schwimmen!« rief Kirby, indem er aufsprang und die Kleider beiseite zu werfen begann.
»Rudert drauflos, Mohegan!« sagte der junge Edwards. »Das Licht wird zeigen, wo er ist; ich will dann nach ihm hinunter.«
»Oh, rettet ihn! Um Gottes willen rettet ihn!« rief Elisabeth, indem sie entsetzt ihren Kopf über den Rand des Kahnes beugte.
Einige kräftige und gewandte Schläge von Mohegans Ruder brachten den Kahn rasch zu der Stelle, wo der Hausmeister ins Wasser gefallen war, und ein lauter Schrei von Lederstrumpf kündigte an, daß er den Körper sah.
»Haltet mit dem Boot, bis ich untergetaucht bin«, rief Edwards wieder.
»Gemach, Junge, gemach«, sagte Natty. »Ich will den Burschen in der halben Zeit mit meiner Gabel heraufgeholt haben, und so geht es, ohne daß jemand sein Leben aufs Spiel setzt.«
Benjamins Körper lag zur Hälfte auf dem Grund, während seine Hände krampfhaft einige Binsen gefaßt hielten. Elisabeth überfiel es eiskalt, als sie die Gestalt eines Mitmenschen so unter den Wassermassen ausgestreckt sah; denn seine Bewegungen schienen nur noch