Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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Militum.

      Wir sind durch Cethegus den Präfekten von den Vorgängen unterrichtet, die zum Fall von Ravenna geführt. Sein Bericht wird, auf seinen Wunsch, dir mitgeteilt werden. Wir aber können seine darin ausgesprochene gute Meinung von dir und deinen Erfolgen wie von deinen Mitteln mitnichten teilen: und wir entheben dich deiner Stelle als Befehlshaber unseres Heeres. Und wir befehlen dir angesichts dieses Briefes sofort nach Byzanz zurückzukehren, um dich vor unserem Throne zu verantworten. Einen Triumph wie nach dem Vandalenkrieg können wir dir um so weniger gewähren, als weder Rom noch Ravenna durch deine Tapferkeit gefallen: sondern Rom durch Übergabe, Ravenna durch Erdbeben, den Zorn Gottes über die Ketzer und höchst verdächtige Verhandlungen, deren Unschuld du, des Hochverrats angeklagt, vor unserem Thron erweisen wirst. Da wir, eingedenk früherer Verdienste, nicht ohne Gehör dich verurteilen wollen, – denn Morgenland und Abendland sollen uns für ferne Zeiten feiern als den Kaiser der Gerechtigkeit – sehen wir von der Verhaftung ab, die deine Ankläger beantragt. Ohne Ketten – nur in den Fesseln deines dich selbst anklagenden Gewissens – wirst du vor unser kaiserliches Antlitz treten.»

      Da wankte Belisar. Er konnte nicht weiter lesen: er bedeckte das Gesicht mit den Händen: das Schreiben entfiel ihm.

      Bessas hob es auf, küßte es und las weiter: «Zu deinem Nachfolger im Heerbefehl ernennen wir den Strategen Bessas. Ravenna übertragen wir dem Archon Johannes. Die Steuerverwaltung bleibt, trotz der wider ihn von den Italiern erhobenen höchst ungerechten Klagen, dem in unserm Dienst so eifrigen Logotheten Alexandros. Zu unserm Statthalter aber in Italien ernennen wir den hochverdienten Präfekten von Rom, Cornelius Cethegus Cäsarius. Unser Neffe, Germanus, mit kaiserlicher Vollmacht ausgerüstet, haftet mit seinem Haupt dafür, dich unverweilt nach unsrer Flotte auf der Höhe Ariminum zu bringen, auf welcher dich Aerobindos nach Byzanz führen wird.»

      Germanus erhob sich und befahl allen, bis auf Belisar und Cethegus, den Saal zu verlassen. Darauf stieg er die Stufen des Thrones herab und schritt auf Belisar zu, der nicht mehr wahrnahm, was um ihn her geschah. Er stand unbeweglich, das Haupt und den linken Arm an eine Säule gelehnt, und starrte zur Erde.

      Der Prinz faßte seine Rechte. «Es schmerzt mich, Belisarius, der Träger solcher Botschaft zu sein. Ich übernahm den Auftrag, weil ihn ein Freund milder als einer der vielen Feinde, die sich dazu drängten, ausführen kann. Aber ich verhehle dir nicht: dieser dein letzter Sieg hebt die Ehre deiner früheren auf. Nie hätte ich von dem Helden Belisar solch Lügenspiel erwartet. Cethegus hat sich ausgebeten, daß sein Bericht an den Kaiser dir vorgelegt werde. Er ist deines Lobes voll: hier ist er. Ich glaube, es war die Kaiserin, die Justinians Ungnade gegen dich entzündet hat. Aber du hörst mich nicht –» Und er legte die Hand auf seine Schulter.

      Belisar schüttelte die Berührung ab. «Laß mich, Knabe – du bringst mir – du bringst mir den echten Dank der Kronen.»

      Vornehm richtete sich Germanus auf. «Belisar, du vergissest, wer ich bin und wer du bist.»

      «O nein, ich bin ein Gefangener, und du bist mein Wächter. Ich gehe sofort auf dein Schiff – erspare mir nur Ketten und Bande.»

      *

      Erst spät konnte sich der Präfekt von dem Prinzen losmachen, der im vollsten Vertrauen die Angelegenheiten des Staates und seine persönlichen Wünsche mit ihm besprach.

      Er eilte, sowie er in seinen Gemächern, die er ebenfalls im Palaste bezogen, allein war, den ihm von Lucius Licinius mitgeteilten Brief der Kaiserin zu lesen.

      Er lautete: «Du hast gesiegt, Cethegus.

      Als ich dein Schreiben empfing, gedacht’ ich alter Zeiten, da deine Brieflein in dieser Geheimschrift an Theodora nicht von Staaten und Kriegen handelten, sondern von Küssen und Rosen… –»

      «Daran müssen sie immer erinnern», unterbrach sich der Präfekt.

      «Aber auch in diesem trocknen Briefe erkannte ich die Unwiderstehlichkeit jenes Geistes, der einst die Frauen von Byzanz noch mehr als deine Jugendschönheit zwang. So gab ich denn auch diesmal den Wünschen des alten Freundes nach, wie einst denen des jungen. Ach, ich dachte gern unsrer Jugend, der süßen. Und ich erkannte wohl, daß Antoninens Gemahl allzu fest in Zukunft stehn würde, wenn er diesmal nicht fiel. So raunte ich denn wie du geschrieben dem Kaiser in die Ohren: ‹Allzu gefährlich sei ein Untertan, der ein solches Spiel mit Kronen und mit Aufruhr treiben könne. Keinen Feldherrn dürfe man lange solcher Versuchung aussetzen. Was er diesmal gegaukelt, könne es ein andermal im Ernst versuchen.› Diese Worte wogen schwerer als alle Siege Belisars, und alle meine, d. h. deine Forderungen gingen durch.

      Denn Mißtraun ist die Seele Justinians. Er traut nur einer Treue auf Erden – der Theodoras. Dein Bote Licinius ist hübsch – unliebenswürdig: er hat nur Rom und Waffen in Gedanken. Ach, Cethegus, mein Freund, es lebt keine Jugend mehr wie die unsre war. ‹Du hast gesiegt, Cethegus› – – weißt du noch den Abend, da ich dir diese Worte flüsterte? – Aber vergiß nicht, wem du den Sieg verdankst. Und merke dir, Theodora läßt sich nur solang sie selber will als Werkzeug brauchen. Vergiß das nie.»

      «Gewiß nicht«, sagte Cethegus, das Schreiben sorgfältig zerstörend, «du bist eine zu gefährliche Verbündete, Theodora, nein, Dämonodora! laß sehn, ob du unersetzbar bist. Geduld: In wenig Wochen ist Mataswintha in Byzanz. – Was bringst du?» fragte er den Eintretenden Syphax, der glänzende Waffen trug.

      «Herr, ein Abschiedsgeschenk Belisars. Nachdem er deinen Bericht an den Kaiser gelesen, sprach er zu Prokop: ‹Dein Freund hat meinen Dank verdient. Da, nimm meine goldne Rüstung, den Helm mit dem weißen Roßschweif und den runden Buckelschild und schicke sie ihm als letzten Gruß Belisars›.»

      Sechsundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Der Rundturm, in dessen tiefen Gewölben Witichis gefangen saß, lag an dem rechten Eckflügel des Palastes, desselben Querbaues, in dem er als König gewohnt und geherrscht hatte.

      Der Turm bildete mit seiner Eisentür den Abschluß eines langen Ganges, der von einem Hof aus zur Rechten lief und von diesem Hof wieder durch eine schwere Eisenpforte abgeschlossen war. Gerade dieser eisernen Hofpforte gegenüber lag im Erdgeschoß auf der linken Seite des Hofes die kleine Wohnung Dromons, des Carcerarius oder Kerkermeisters des Palastes. Sie bestand aus zwei kleinen Gemächern: das erste, von dem zweiten durch einen Vorhang getrennt, war ein bloßes Vorzimmer. Das zweite Gemach gewährte durch ein logenartiges Fenster den Ausblick auf den Hof und den Rundturm. Beide waren von einfachster Einrichtung: ein Strohlager im Innengemach und zwei Stühle und Tische im äußern nebst den Schlüsseln an den Wänden waren ihr ganzes Gerät.

      Und auf der Holzbank an jenem Fenster saß Tag und Nacht, unverwandt den Blick auf die Mauerlücke heftend, aus welcher allein Luft und Licht in des Königs Kerker fiel, schweigend und sinnend ein Weib.

      Es war Rauthgundis.

      Niemals ließ ihr Auge von jenem kleinen Spalt im Turm. «Denn dort», sagte sie sich, «dort hängt auch sein Blick, dorthin schwebt seine Sehnsucht.» Auch wenn sie mit Wachis, ihrem Begleiter, oder mit dem Kerkermeister, der sie beherbergte, sprach, wandte sie das Auge nicht von dem Turm. Es war, als ob der Bann ihres Blickes Unheil von dem Gefangenen abhalten könne.

      Lange, lange war sie heute wieder so gesessen. Es war dunkler Abend geworden.

      Drohend und finster ragte der gewaltige Turm und warf einen breiten Schatten über den Hof und diesen linken Flügel des Palastes.

      «Dank dir, gütiger Himmelsherr», sprach sie. «Auch deine schweren Schläge treiben zum Heil.

      Wär’ ich in die Felsen der Skaranzia, auf den hohen Arn, zum Vater, wie ich mir ausgesonnen, – nie hätte ich von dem Gang des Elends hier wahrgenommen. Oder doch viel zu spät. Aber mich zog die Sehnsucht nach der Todesstätte des Kindes in die Nähe unsres Ehehauses, – das zwar räumte ich –: wußte ich denn, ob nicht sie, seine Königin, dort einsprechen würde? So hausten wir