Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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Preis einst um einen Areskopf bezahlt, ist, denk’ ich, überwunden. Dasselbe Geschöpf hat den Ares der Goten ja seinen Feinden verraten. Aber ehrst du noch wirklich den Mädchentraum, so rette den einst Geliebten.»

      Mataswintha schüttelte das Haupt.

      «Ich habe dich bisher als eine Freie, als Königin behandelt. Erinnere mich nicht, daß du so gut wie er in meiner Gewalt. Du wirst dieses edlen Prinzen Gemahlin – bald seine Witwe – und Justinian, Byzanz, die Welt liegt dir zu Füßen. Tochter Amalaswinthens – solltest du nicht die Herrschaft lieben?»

      «Ich liebe nur… –! Niemals!»

      «So muß ich dich zwingen!»

      Sie lachte: «Du? mich? zwingen?»

      «Ja, ich dich zwingen. (Sie liebt ihn noch immer, den sie zugrunde gerichtet!) Die zweite Bedingung nämlich ist: daß der Gefangene diesen leergelassenen Namen ausfüllt – er ist der Name des Schatzschlosses der Goten – und diese Erklärung unterschreibt. Er weigert sich mit einem Trotz, der anfängt mich zu erbittern. Siebenmal war ich bei ihm – ich, der Sieger, – er hatte noch kein Wort für mich. Nur das erstemal, da erhielt ich einen Blick für den er allein den stolzen Kopf verlieren müßte.»

      «Nie gibt er nach.»

      «Das fragt sich doch. Auch Felsen zermürbt beharrlicher Tropfenfall. Aber ich kann nicht lange mehr warten.

      Heute früh kam Nachricht, daß der tolle Hildebad in wütigem Ausfall Bessas so schwer geschlagen, daß er kaum die Einschließung noch aufrecht erhält. Überall flackern gotische Erhebungen empor. Ich muß fort und ein Ende machen und diese Funken auslöschen mit dem Wasser der Enttäuschung, besser als mit Blut. Dazu muß ich des gefangenen Königs Erklärung und Schatzgeheimnis haben. Ich sage dir also: wenn du bis morgen mittag nicht des Prinzen Begleiterin nach Byzanz bist und mir nicht vorher die Unterschrift des Gefangenen verschaffst, die Echtheit von dir selbst bezeugt, so werd’ ich den Gefangenen – ich schwöre es dir beim Styx, – werd’ ich den Gefangenen –»

      Entsetzt von seinem furchtbar drohenden Ausdruck fuhr Mataswintha von ihrem Sitz empor und legte ihre Hand auf seinen Arm. «Du wirst ihn doch nicht töten?»

      «Ja, das werd’ ich. Ich werd’ ihn erst foltern. Dann blenden. Und dann töten.»

      «Nein, nein!» schrie Mataswintha auf.

      «Ja, ich hab’s beschlossen. Die Henker stehen bereit. Und du wirst ihm das sagen: dir, dieser händeringenden Verzweiflung wird er glauben, daß es ernst. Du vielleicht rührst ihn: mein Anblick härtet seinen Trotz. Er wähnt vielleicht noch, in Belisars, des Weichherzigen, Hand zu sein. Du wirst ihm sagen, in wessen Gewalt er ist. Hier die beiden Pergamente. Hier die Schlüssel – du sollst deine Stunde frei wählen zu seinem Kerker.»

      Ein Strahl freudiger Hoffnung blitzte aus Mataswinthas Seele durch ihr Auge.

      Cethegus bemerkte es wohl. Aber ruhig lächelnd schritt er hinaus.

      Achtundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Bald, nachdem der Präfekt die Königin verlassen, war es dunkel geworden über Ravenna. Der Himmel war dicht mit zerrissenem Gewölk bedeckt, das heftiger Wind aus dem Neumond vorüberjagte, so daß kurzes, ungewisses Licht mit desto tieferem Dunkel wechselte.

      Dromon hatte seinen Abendrundgang in den Zellen der übrigen Gefangenen vollendet und kam müde und traurig in sein Vorgemach zurück. Er fand kein Licht brennend. Mit Mühe nur nahm er Rauthgundis wahr, die noch immer reglos an der Halbtür lehnte, das Beil in der Hand, den Blick auf die Gangtür geheftet.

      «Laß mich Licht schlagen, Frau, den Kienspan im Herdeisen entzünden: und teile das Nachtmahl mit mir. Komm, du harrest hier umsonst.» – «Nein, kein Licht, kein Feuer in dem Gemach! Ich sehe so besser, was draußen im Hof, im Mondlicht naht.» – «Nun so komm wenigstens hier herein und ruhe auf dem Dreifuß. Hier ist Brot und Fleisch.» – «Soll ich essen, während er Hunger leidet?» – «Du wirst erliegen! Was denkst, was sinnst du den ganzen Abend?»

      «Was ich denke?» wiederholte Rauthgundis, immer hinausblickend: «Ihn! Und wie wir so oft gesessen in dem Säulengang vor unserem schönen Hause, wann der Brunnen plätscherte in dem Garten und die Zikaden zirpten auf den Olivenbäumen. Und die kühle Nachtluft strich frei um sein liebes Haupt. Und ich schmiegte mich an seine Schulter. Und wir sprachen nicht. Und oben gingen die Sterne. Mit Schweigen. Und wir lauschten den vollen, tiefen Atemzügen des Kindes, das eingeschlafen war auf meinem Schoß, die Händchen, wie weiche Fesseln, um den Arm des Vaters geschlungen. Jetzt trägt sein Arm andre Fesseln. Eisenfesseln trägt er, – die schmerzen… – –» Und sie drückte die Stirn an das Eisengitter, fest und fester, bis sie selbst Schmerz empfand.

      «Herrin, was quälst du dich? Es ist doch nicht zu ändern!»

      «Ich will es aber ändern! Ich muß ihn retten und – Ah, Dromon, hierher! Was ist das?» flüsterte sie und wies in den Hof.

      Der Alte sprang geräuschlos an ihre Seite. In dem Hofe stand eine hohe, weiße Gestalt, die lautlos an der Mauer dahinglitt. Rasch nur, aber scharf, fiel das Mondlicht darauf.

      «Es ist eine Lemure! Ein Schatten der vielen hier Ermordeten», sprach der Alte bebend. «Gott und die Heiligen schützet mich!» Und er bekreuzte sich und verhüllte das Haupt.

      «Nein», sprach Rauthgundis, «die Toten kommen nicht wieder vom Jenseits. Jetzt ist’s verschwunden – Dunkel ringsum – Sieh, da bricht der Mond durch – da ist es wieder! Es schwebt voran gegen die Gangtür. Was schimmert da rot im weißen Licht? Ah, das ist die Königin – ihr rotes Haar! Sie hält an der Gangtür. Sie schließt auf! Sie will ihn im Schlaf ermorden!»

      «Weiß Gott, es ist die Königin! Aber ihn ermorden! Wie könnte sie!»

      « Sie könnte es! Aber sie soll es nicht, so wahr Rauthgundis lebt. Ihr nach! Ein Wunder tut uns seinen Kerker auf! Doch aber leise! Leise!»

      Und da trat sie aus der Halbtür in den Hof, das Beil in der Rechten, vorsichtig den Schatten der Mauer suchend, langsam, auf den Zehen schleichend. Dromon folgte ihr auf dem Fuße.

      Inzwischen hatte Mataswintha die Gangtür aufgeschlossen und ihren Weg erst viele Stufen hinab, dann durch den schmalen Gang, mit den Händen tastend, zurückgelegt. Nun erreichte sie die Pforte des Kerkers. Sacht erschloß sie auch diese.

      Durch einen ausgehobenen Ziegelstein hoch oben im Turm fiel ein schmaler Streif des Mondlichts in das enge Quadrat. Es zeigte ihr den Gefangenen. Er saß, den Rücken gegen die Türe gewandt, das Haupt auf die Hände gestützt, reglos auf einem Steinblock.

      Zitternd lehnte sich Mataswintha an die Pfosten der Pforte. Eiskalte Luft schlug ihr entgegen. Sie fror. Sie fand keine Worte: vor Grauen.

      Da spürte Witichis an dem Windzug, daß die Pforte geöffnet worden. Er hob das Haupt. Aber er sah sich nicht um.

      «Witichis – König Witichis» – stammelte endlich Mataswintha – «ich bin’s. Hörst du mich?»

      Aber der Gefragte rührte sich nicht.

      «Ich komme, dich zu retten – fliehe! Freiheit!»

      Aber der Gefangene senkte wieder das Haupt.

      «O sprich! – O sieh nur auf mich!» – Und sie trat ein. Gern hätte sie seinen Arm berührt, seine Hand gefaßt. Sie wagte es noch nicht. «Er will dich töten – quälen. Er wird es tun, – wenn du nicht fliehst.»

      Und nun gab ihr Verzweiflung den Mut, näher zu treten. «Du sollst aber fliehn! Du sollst nicht sterben! Du sollst gerettet sein – durch mich! Ich flehe dich an – fliehe! Du hörst mich nicht. Die Zeit drängt! Einst sollst du alles wissen! Nur jetzt flieh in Freiheit und Leben. Ich habe die Schlüssel der Kerkerpforte und der Gangtür! Flieh!» Und nun faßte sie seinen Arm, wollte ihn emporreißen.