Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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und Eisen», sagte er tonlos. «Laßt mich. Ich gehöre dem Tode. Und hielten mich auch diese Bande nicht – ich folgte dir doch nicht! Zurück in die Welt? Die Welt ist eine große Lüge. Alles ist Lüge.»

      «Du hast recht! Sterben ist besser. Laß mich sterben mit dir. Und verzeih mir. Denn auch ich habe dir gelogen.»

      «Es mag wohl sein. Es wundert mich nicht.»

      «Aber du mußt mir noch vergeben, ehe wir sterben.

      Ich habe dich gehaßt – ich habe gejubelt über deinen Niedergang – ich habe – oh, es ist so schwer zu sagen! Ich habe die Kraft nicht, es zu gestehn. Und doch muß ich deine Verzeihung haben – und müßt’ ich sie mir erstehlen. Vergib mir – reiche mir die Hand zum Zeichen, daß du mir verzeihst.»

      Aber Witichis war in sein Brüten zurückgesunken.

      «Oh, ich flehe dich an – verzeihe mir, was immer ich dir mag getan haben.»

      «Geh – warum soll ich dir nicht verzeihn? Du bist wie alle! Nicht besser, nicht schlimmer!»

      «Nein, ich bin böser als alle. Und doch besser. Wenigstens elender. Wisse denn: ich habe dich gehaßt, ja, aber nur, weil du mich von dir gestoßen! Du ließest mich nicht dein Leben teilen, – verzeihe mir. – Gott, ich will ja nur mit dir sterben dürfen. Reich’ mir einmal noch die Hand, zum Zeichen, daß du mir verzeihst.» Und sie streckte kniend, flehend, beide Hände zu ihm empor.

      Der König, erhob das Haupt. Der Grundzug seines Wesens, die tiefe Herzensgüte, regte sich in ihm und übertönte den eignen dumpfen Schmerz. «Mataswintha», sagte er und erhob die kettenklirrende Hand, «geh, es erbarmt mich dein. Laß mich allein sterben. Was immer du an mir getan – geh hin: – ich habe dir verziehn.»

      «O Witichis!» hauchte Mataswintha und wollte seine Hand ergreifen.

      Neunundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Aber heftig fühlte sie sich hinweggerissen. «Nachtbrennerin, nie soll er dir vergeben! Komm Witichis, mein Witichis. Folge mir! Du bist frei.» Der König sprang auf, von dieser Stimme wie aus Betäubung geweckt. «Rauthgundis! Mein Weib! Ja du logst nie! Du bist getreu. Ich hab’ dich wieder.» Und tief aufatmend, jauchzend aus voller Brust, breitete er die Arme aus. Sein Weib flog an seine Brust, und sie weinten beide süße Tränen der Liebe und der Freude.

      Mataswintha aber, die sich erhoben hatte, wankte gegen die Mauer. Sie strich sich langsam die roten, losgegangenen Haare aus der Stirn und blickte auf das Paar, das der Mondstrahl, der durch die Turmluke fiel, hell beleuchtete.

      «Wie er sie liebt! Ja, ihr würd’ er folgen in Freiheit und Leben. Aber er muß ja bleiben! Und sterben – mit mir.»

      «Säumt nicht länger!» mahnte von der Kerkertüre her die Stimme Dromons.

      «Ja, rasch fort, mein Leben!» rief Rauthgundis. Sie zog einen kleinen Schlüssel aus dem Busen und tastete an den Ketten, des Schlosses kleine Öffnung suchend.

      «Wie? Soll ich wirklich noch mal hinaus?» fragte der Gefangene, halb in seine Betäubung zurücksinkend.

      «Ja, hinaus in die Luft und Freiheit», rief Rauthgundis und warf die losgeschlossenen Armfesseln zur Erde. «Hier Witichis, eine Waffe! Ein Beil! Nimm!»

      Begierig ergriff der gotische Mann die Axt und holte kräftig damit aus: «Ah! die Waffe tut dem Arm, der Seele wohl!»

      «Das wußte ich, mein tapfrer Witichis!» rief Rauthgundis, kniete nieder und schloß die Kette auf, die seinen linken Fuß an den Steinblock gefesselt hielt. «Nun schreite aus! Denn du bist frei.»

      Witichis tat, das Beil in der Rechten hebend, hoch sich reckend, einen Schritt gegen die Türe.

      «Und sie darf seine Ketten lösen!» flüsterte Mataswintha.

      «Ja, frei!» sprach Witichis, hoch aufatmend. «Ich will frei sein und mit dir gehen.»

      «Mit ihr will er gehen!» rief Mataswintha und warf sich dem Gatten in den Weg. «Witichis – leb’ wohl – geh! – Nur sage mir nochmal – daß du mir vergibst.»

      «Dir vergeben?» rief Rauthgundis. «Nie! Niemals! Sie hat unser Reich zerstört. Sie hat dich verraten. Nicht der Blitz des Himmels – ihre Hand hat deine Speicher verbrannt!»

      «O so sei verflucht!» rief Witichis. «Hinweg von dieser Schlange der Hölle!» Und sie von der Pforte hinwegschleudernd, schritt er über die Schwelle, gefolgt von Rauthgundis.

      «Witichis!» rief Mataswintha, «höre mich noch einmal! Witichis!»

      «Schweig!» sprach Dromon, ihren Arm ergreifend. «Du wirst ihn verderben.»

      Aber Mataswintha, ihrer nicht mehr mächtig, riß sich los und folgte die Stufen hinauf in den Gang.

      «Halt!» rief sie, «Witichis! Du darfst nicht so hinweg. Du mußt mir verzeihn.» Da brach sie ohnmächtig zusammen.

      Dromon eilte an ihr vorbei, den Fliehenden nach.

      Aber schon hatte das gellende Rufen den Mann des leisesten Schlafes geweckt.

      Cethegus trat, das Schwert in der Hand, nur halb gegürtet, aus seinem Schlafgemach auf den Gang, dessen offne Bogen in den viereckigen Palasthof blickten.

      «Wachen», rief er, «unter die Speere!» Auch Soldaten waren merksam geworden. Kaum hatten Witichis, Rauthgundis und Dromon den Gang und die Gangtüre durchschritten und, gerade dieser gegenüber, die Gemächer Dromons erreicht, als sechs isaurische Söldner laut lärmend in den Gang hineinstürmten.

      Rasch sprang Rauthgundis aus der Halbtür, sprang auf die schwere eiserne Gangtür zu, warf sie klirrend ins Schloß, drehte den Schlüssel um und zog ihn heraus. «Die sind geborgen und unschädlich!» flüsterte sie.

      Schnell eilten nun die beiden Gatten von dem Gemache Dromons dem großen Ausgang zu, der aus dem Schloßhof auf die Straße führte. Mit gefälltem Speer trat hier der letzte Mann der Wache, der hier zurückgeblieben, ihnen entgegen. «Gebt die Losung», rief er. «Rom und? –»

      «Rache!» sprach Witichis und schlug ihn mit dem Beile nieder.

      Laut schreiend fiel der Söldner und warf noch den Speer den Flüchtigen nach: er durchbohrte den letzten der drei – Dromon.

      Über die Marmorstufen des Palastes auf die Straße hinabspringend, hörten die Gatten die eingesperrten Soldaten donnernd gegen die feste Eisentüre schlagen, auch einen lauten Befehlruf hörten sie noch. «Syphax! Mein Pferd!»

      Dann nahm sie Nacht und Dunkel auf.

      Wenige Minuten darauf schimmerte der Palasthof von Fackeln, und Reiter flogen nach allen Toren der Stadt.

      «Sechstausend Solidi wer ihn lebend, dreitausend wer ihn erschlagen bringt!» rief Cethegus – sich in den Sattel seines schwarzen Hengstes schwingend. «Nun auf, ihr Söhne des Windes, Ellak und Mundzuch, Hunnen und Massageten. Jetzt reitet, wenn ihr je geritten!»

      «Aber wohin, Herr?» fragte Syphax, an seines Herrn Seite aus dem Palasttor sprengend.

      «Das ist schwer raten. Aber alle Tore sind geschlossen und besetzt. Sie können nur etwa zu den Mauerbreschen hinaus.»

      «Zwei große Mauerbreschen sind’s.»

      «Sieh dort den Jupiter, der eben aus der Wolke tritt im Ost. Er winkt mir. Ist nicht dort –?»

      «Der Mauersturz am Turme des Aëtius.»

      «Gut! Dort hinaus! Ich folge meinem Stern!»

      *

      Glücklich hatten inzwischen die Gatten, hindurchgelassen von Paulus, dem Sohn des Dromon, die nur halb ausgefüllte Mauerlücke durcheilt und in dem nahen Pinienhain