Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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liegt an mir! Frei soll er sein, nicht noch einmal an mich gebunden. Du nennst meinen Namen gar nicht. Ich hab’ ihm nur Unglück gebracht. Ich will ihn nur noch einmal sehen, von diesem Fenster aus, wenn er in die Freiheit tritt.»

      *

      Der Präfekt sonnte sich in diesen Tagen im Vollgefühle der Macht.

      Er war Statthalter von Italien: in allen Städten wurden auf seine Anordnung die Befestigungen geflickt und verstärkt, die Bürger an die Waffen gewöhnt. Die Vertreter von Byzanz vermochten ihm in keiner Weise Gegengewicht zu halten. Ihre Heerführer hatten kein Glück, die Belagerungen von Tarvisium, Verona und Ticinum machten keine Fortschritte.

      Und mit Vergnügen vernahm Cethegus, daß Hildebad, dessen Schar sich durch Zulauf unterwegs auf etwa sechshundert erhöht, Acacius, der ihn mit tausend Perser-Reitern eingeholt und angegriffen, blutig zurückgeschlagen hatte. Eine starke Abteilung von Byzantinern aber, die ihm von Mantua aus entgegenrückte, verlegte ihm alle Wege – er wollte nach Tarvisium zu Totila – und nötigte ihn, sich in das noch von den Goten unter Thorismut besetzte Kastell von Castra Nova zu werfen. Hier hielten ihn die Byzantiner eingeschlossen, vermochten aber nicht, den festen Bau zu nehmen, und schon sah der Präfekt die Stunde kommen, da ihn Acacius zu Hilfe rufen würde, den Goten, der ihm dann nicht mehr entrinnen konnte, zu vernichten.

      Es freute ihn, daß die Kriegsmacht von Byzanz seit Belisars Entfernung sich offen vor ganz Italien als unfähig erwies, den letzten Widerstand der Goten zu brechen. Und die Härte der byzantinischen Finanzverwaltung, die Belisar überall, wo er einzog, mit sich führen mußte – er konnte die auf Befehl des Kaisers geübte Aussaugung nicht hindern –, erweckte oder steigerte in den Städten und auf dem flachen Lande die Abneigung gegen die Oströmer. Cethegus hütete sich wohl, wie Belisar getan, den ärgsten Übergriffen der Beamten Justinians zu wehren. Er sah es mit Freude, daß in Neapolis, in Rom wiederholt das Volk gegen die Bedrücker in offnem Aufruhr emporloderte.

      Waren die Goten vollends vernichtet, der Byzantiner Macht verächtlich, ihre Tyrannei verhaßt genug geworden, dann konnte Italien aufgerufen werden, frei zu sein, und der Befreier, der Beherrscher hieß Cethegus.

      Dabei verließ ihn nur die eine Besorgnis nicht – denn er war fern von Unterschätzung seiner Feinde –, der Gotenkrieg, dessen letzte Funken noch nicht ausgetreten, könne nochmal aufflammen, geschürt durch die Entrüstung des Volkes über den geübten Verrat.

      Schwer fiel dem Präfekten ins Gewicht, daß die tiefstgehaßten Führer der Goten, daß Totila und Teja nicht mit im Netze zu Ravenna waren gefangen worden. Um der Gefahr jener begeisterten Volkserhebung zuvorzukommen, trachtete er so eifrig, dem gefangenen Gotenkönig die Erklärung zu entreißen, er habe sich und die Stadt zuletzt ohne Hoffnung und Bedingung unterworfen, und er fordre die Seinen auf, den aussichtslosen Widerstand aufzugeben.

      Und auch das Kastell, in welchem der Kriegsschatz Theoderichs geborgen lag, sollte ihm sein Gefangener angeben. In jener Zeit war ein solcher, schon um fremde Fürsten und Söldner zu gewinnen und anzuziehen, von höchster Bedeutung. Verloren ihn die Goten, so verloren sie die letzte Hoffnung, ihre geschwächte Kraft durch fremde Waffen zu ergänzen. Und viel lag dem Präfekten daran, jenen als unermeßlich reich von der Sage gepriesenen Hort nicht in die Hände der Byzantiner fallen zu lassen, deren Geldnot und daher verursachte Tyrannei ein wichtiger Bundesgenosse seiner Pläne war: sondern ihn sich selbst zu sichern – auch seine Mittel waren ja nicht unerschöpflich.

      Aber all sein Bemühen schien an der Unerschütterlichkeit seines Gefangenen zu scheitern.

      Siebenundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Die Maßregeln zur Befreiung des Königs waren getroffen.

      Rauthgundis war mit Wachis hinausgegangen, sich das Walddickicht genau einzuprägen, wo der treue Freigelassene mit dem treuen Roß Dietrichs von Bern ihrer warten sollte.

      Und mit der Ruhe, welche die Vollendung aller Vorbereitungen starkem Sinn gewährt, war die Gotin nach der Wohnung des Kerkermeisters zurückgekehrt. Aber sie erbleichte, als dieser ihr wie verzweifelt entgegenstürzte und sie über die Schwelle in das Gemach zog. Dort warf er sich vor ihr nieder, schlug die Brust mit den Fäusten und raufte sein graues Haar. Lange fand er keine Worte.

      «Rede», gebot Rauthgundis und preßte die Hand auf das wild pochende Herz, «ist er tot?»

      «Nein, aber die Flucht ist unmöglich! Alles dahin! Alles verloren! Vor einer Stunde kam der Präfekt und stieg zu dem König hinab. Wie gewöhnlich schloß ich ihm selbst die beiden Türen, die Gangtür und die Kerkerpforte, auf – da –» – «Nun?» «Da nahm er mir die beiden Schlüssel ab: er werde sie fortan selbst verwahren.» – «Und du gabst sie ihm?» knirschte Rauthgundis. «Wie konnt’ ich sie weigern! Ich wagte das Äußerste. Ich hielt sie zurück und fragte: O Herr, vertraust du mir nicht mehr?’ Da warf er mir einen seiner Blicke zu, die Leib und Seele wie ein Messer trennen können.

      ‹Von jetzt an – nicht mehr!› sprach er und riß mir die Schlüssel aus der Hand.»

      «Und du ließest es geschehen! Doch freilich! Was ist dir Witichis?»

      «O Herrin, du tust mir weh und unrecht! Was hättest du an meiner Stelle tun können? Nichts andres!»

      «Erwürgt hätt’ ich ihn mit diesen Händen! Und nun? Was soll jetzt geschehn?»

      «Geschehn? Nichts! Nichts kann geschehn.»

      «Er muß frei werden. Hörst du, er muß!»

      «Aber Herrin! Ich weiß ja nicht wie.»

      Rauthgundis ergriff ein Beil, das an dem Herde lehnte. «Erbrechen wir die Türen mit Gewalt.» Dromon wollte ihr die Axt entwinden.

      «Unmöglich! Dicke Eisenplatten!»

      «So rufe den Unhold. Sage, Witichis verlange ihn zu sprechen. Und vor der Gangtür erschlag’ ich ihn mit diesem Beil»

      «Und dann? Du rasest! Laß mich hinaus. Ich will Wachis abrufen von seiner nutzlosen Wacht.»

      «Nein, ich kann’s nicht denken, daß es heut’ nicht werden soll. Vielleicht kommt dieser Teufel von selbst wieder. Vielleicht» – sprach sie nachsinnend. «Ah», schrie sie plötzlich, «gewiß, das ist’s. Er will ihn ermorden! Er will sich allein zu dem Wehrlosen schleichen. Aber weh ihm, wenn er kommt! Die Schwelle jener Gangtür will ich hüten wie ein Heiligtum, besser als meines Kindes Leben. Und weh ihm, wenn er sie beschreitet.» Und sie drückte sich hart an die Halbtür des Gemaches Dromons und wog das schwere Beil.

      Aber Rauthgundis irrte.

      Nicht um seinen Gefangenen zu töten hatte der Präfekt den Schlüssel an sich genommen. Er war mit demselben in den linken, den Südbau des Palastes geschritten. Spät am Nachmittag trat Cethegus – er kam aus dem Kerker des Königs – in das Gemach Mataswinthens. Die Ruhe des Todes und die Erregung des Fiebers wechselten in der seelisch Tieferkrankten so oft, so rasch, daß Aspa nur mit tränenerfüllten Augen noch auf ihre Herrin sah.

      «Zerstreue», sprach Cethegus, «schönste Tochter der Germanen, die Wolken, die auf deiner weißen Stirn lagern, und höre mich ruhig an.»

      «Wie steht es mit dem König? Du lässest mich ohne Nachricht. Du versprachst, ihn freizugeben nach der Entscheidung. Ihn über die Alpen führen zu lassen. Du hältst dein Wort nicht.»

      «Ich habe das versprochen: – unter zwei Bedingungen.

      Du kennst sie beide, und hast die deine noch nicht erfüllt. Morgen kommt der kaiserliche Neffe Germanus zurück von Ariminum – dich nach Byzanz zu führen: – du gibst ihm Hoffnung, seine Braut zu werden. Die Ehe mit Witichis war erzwungen, und nichtig.»

      «Ich sagte dir schon: nein, niemals!»

      «Das tut mir leid – um meinen Gefangenen.

      Denn